JudikaturJustiz9ObA43/07z

9ObA43/07z – OGH Entscheidung

Entscheidung
30. Mai 2007

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Rohrer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling und Dr. Hradil sowie die fachkundigen Laienrichter DI. Rudolf Pinter und Franz Gansch als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Helmut L*****, Außendienstmitarbeiter, *****, vertreten durch Lansky, Ganzger Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei T***** GmbH, *****, vertreten durch Mag. Christian Posch, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen EUR 756,70 sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 29. November 2006, GZ 7 Ra 147/06y-29, mit dem über Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 24. März 2006, GZ 22 Cga 26/05m-24, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 266,69 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin EUR 44,45 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war bis 29. 2. 2004 Außendienstmitarbeiter der Beklagten. Auf das Dienstverhältnis war der Kollektivvertrag für Handelsangestellte anwendbar. Dieser normiert in Punkt XX A eine Verfallsfrist von sechs Monaten, innerhalb der der Anspruch bei sonstigem Verfall schriftlich dem Grunde nach geltend zu machen ist. Bei rechtzeitiger Geltendmachung bleibt die gesetzliche Verjährungsfrist gewahrt.

Mit Schreiben vom 4. 3. 2004 forderte die Arbeiterkammer im Namen des Klägers von der Beklagten die Provision für Februar 2004 ein, mit Schreiben vom 28. 4. 2004 die Zahlung eines Durchschnittsentgelts für die Zeit einer Dienstfreistellung im Jänner 2004.

In einem vom Kläger mit Klage vom 21. 5. 2004 eingeleiteten Vorprozess begehrte er von der Beklagten an Provision für Februar 2004 EUR 4.653,- brutto abzüglich eines erhaltenen Akontos von EUR 2.180,- netto.

Im Laufe des Vorprozesses dehnte der Kläger sein Klagebegehren um EUR 726,73 netto auf EUR 4.653 brutto abzüglich EUR 1.453,27 netto aus und brachte dazu vor, dass neben einem Betrag von S 20.000.- an Provisionsakonto in der Klage auch ein Betrag von S 10.000,- (EUR 726,73) an Provision (Zahlung vom März 1999) unrichtigerweise abgezogen worden sei. Schließlich schränkte der Kläger „infolge unrichtiger Berechnung" sein Klagebegehren zunächst um EUR 726,83 netto auf den ursprünglichen Klagebetrag, später um weitere EUR 23,-

auf EUR 4.630 brutto abzüglich EUR 2.180,- netto sA ein. Mit Urteil vom 16. 9. 2004 gab das Erstgericht diesem Begehren statt. Dieses Urteil erwuchs in Rechtskraft.

Im vorliegenden Verfahren begehrt der Kläger EUR 756,70 netto sA. Er habe sich im Vorverfahren bei der Berechnung seines Klagebegehrens geirrt: Die von ihm berücksichtigte Vorauszahlung von EUR 2.180,- sei in Wahrheit ein Bruttobetrag gewesen; netto habe er nur EUR 1.423,30 erhalten. Die Differenz von EUR 756,70 stelle das nunmehrige Klagebegehren dar.

Die Beklagte beantragte, das Klagebegehren abzuweisen. Ihr primärer Einwand, der Klageführung stehe die Rechtskraft der Vorentscheidung entgegen, blieb erfolglos (siehe dazu 9 ObA 156/05i). Gegenstand des Revisionsverfahrens ist daher nur mehr der Einwand, der geltend gemachte Anspruch sei nicht innerhalb der kollektivvertraglich normierten Verfallsfrist von sechs Monaten geltend gemacht worden und daher verfallen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Zwar sei die sechsmonatige Verfallsfrist durch das Anspruchsschreiben vom 4. 3. 2004 zunächst gewahrt worden. Die Klageeinschränkung habe jedoch - weil nach der Rechtsprechung § 1497 ABGB auf Ausschlussfristen analog anzuwenden sei - die Unterbrechungswirkung wieder aufgehoben. Die Klageforderung sei daher verfallen.

Das Berufungsgericht änderte dieses Urteil im Sinne der Stattgebung des Klagebegehrens ab.

Dass die Rechtsprechung § 1497 ABGB auch auf die Ausschlussfristen des Arbeitsrechts anwende, sei zutreffend. Verjährungs- wie Ausschlussfristen werden daher durch eine Klage nur dann unterbrochen bzw gewahrt, wenn das Verfahren auch gehörig fortgesetzt werde. Die Einschränkung der Klage sei ein Verzicht auf eine Sachentscheidung und damit das logische Gegenteil einer „gehörigen Fortsetzung". Sie nehme der Klage daher im betroffenen Umfang jede verjährungsunterbrechende bzw - bei Ausschlussfristen - fristwahrende Wirkung. Die Wiederausdehnung eines Klagebegehrens um ein eingeschränktes sei keine Fortsetzung der Verfolgung des bereits fallen gelassenen Rechtschutzbegehrens, sondern sei als neuerliches Rechtschutzbegehren zu werten.

Allerdings gehe es hier - anders als bisher von entschiedenen Fällen - um eine Ausschlussfrist, zu deren Wahrung keine Klageführung erforderlich sei, sondern die außergerichtliche Geltendmachung ausreiche. Erfolge diese außergerichtliche Geltendmachung rechtzeitig, bleibe die dreijährige Verjährungsfrist „gewahrt". Für die außergerichtliche Geltendmachung kollektivvertraglicher Ansprüche innerhalb der Verfallsfrist genüge es im Allgemeinen, die Ansprüche so weit zu konkretisieren, dass der Arbeitgeber erkennen kann, welche Ansprüche ihrer Art nach gemeint sind. Der Kläger habe mit seinen Aufforderungsschreiben die Auszahlung von Entgelt für Jänner und Februar 2004 gefordert, und zwar ohne eine Einschränkung auf einen bestimmten Betrag. Die Berechnung der Höhe der Forderung - einschließlich der tatsächlich gezahlten Akontobeträge - sei Sache der Beklagten gewesen, die als Arbeitgeberin zur Gehaltsabrechnung verpflichtet sei. Der Zweck der Verfallsklausel, eine möglichst rasche Klärung offener Streitpunkte zu ermöglichen, sei damit erfüllt worden.

Art XX A des Kollektivvertrags (die gesetzliche Verjährungsfrist bleibt „gewahrt") lasse keinen Raum für eine Auslegung, wonach über die fristgerechte Anspruchstellung hinaus zur Verhinderung des Verfalls eine zusätzliche Obliegenheit zur besonders zügigen gerichtlichen Geltendmachung bestehe. Durch die hinreichende außergerichtliche Geltendmachung dem Grunde nach werde der Angestellte vielmehr so gestellt, als gäbe es die Verfallsklausel nicht. Es stehe ihm daher frei, seinen Anspruch erst kurz vor Ablauf der Verjährungsfrist oder - von Kostenfolgen abgesehen - auch in mehreren Teilen einzuklagen. Da die Klage im Vorverfahren auf die Verfallsfrist von vornherein keine wahrende bzw unterbrechende Wirkung entfaltet habe, habe eine solche Wirkung durch die Klageeinschränkung nicht wegfallen können.

Die Klageeinschränkung sei auch nicht als (teilweiser) Widerruf der außergerichtlichen Anspruchstellung oder als Verzicht zu werten. Der Kläger habe seine Vorgangsweise im Vorverfahren mit einem Irrtum begründet; dies lasse eine Deutung, er habe auf einen Forderungsteil verzichten bzw ihm im Bewusstsein seines Bestehens nicht weiter verfolgen wollen, nicht zu. Vielmehr sei von vornherein offenkundig gewesen, dass der Kläger sich bei der Berechnung des Nettoabzuges zu seinem Nachteil geirrt habe. Mit dem Einwand der Beklagten, sie habe sich nicht darauf einstellen müssen, der Kläger werde den zu viel abgezogenen Betrag nachfordern, nehme sie im Ergebnis das Recht für sich in Anspruch, den erkannten Irrtum ihres Gegners endgültig für sich auszunützen.

Da die Forderung des Klägers der Höhe nach unstrittig sei, sei der Klage daher stattzugeben.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Beklagten. Der Kläger beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Die Rechtsauffassung des Berufungsgerichtes, dass die durch die außergerichtliche Geltendmachung bewirkte Wahrung der Verfallsfrist durch die teilweise Einschränkung der Klage im Vorprozess nicht wieder weggefallen ist, ist zutreffend, sodass es insofern ausreicht, auf die Richtigkeit der ausführlichen Begründung der Berufungsentscheidung zu verweisen (§ 510 Abs 3 ZPO). Ergänzend ist den Revisionsausführungen wie folgt entgegenzutreten:

Der Kläger hat durch die außergerichtliche Geltendmachung seiner Forderung „dem Grunde nach" die im Kollektivvertrag vorgesehene Verfallsfrist gewahrt. Der mit dieser Frist angestrebte Zweck - der Arbeitgeber soll rasch Klarheit darüber bekommen, welche Forderung der Arbeitnehmer gegen ihn erhebt - war erfüllt. Damit stand dem Kläger zur gerichtlichen Geltendmachung seiner Forderung die gesamte Verjährungsfrist offen. Eine Obliegenheit, die Klage unverzüglich einzubringen oder die eingebrachte Klage gehörig fortzusetzen, bestand daher nur im Hinblick auf die Notwendigkeit der Einhaltung der Verjährungsfrist, nicht aber zur Abwendung des Verfalls, der ja bereits durch die außergerichtliche Geltendmachung endgültig abgewendet wurde. Sowohl die Erhebung der Klage, als auch deren Einschränkung waren daher für die Wahrung der (bereits gewahrten) Verfallsfrist bedeutungslos.

Der Einwand, der Kläger habe sich nicht über die Höhe seiner Provisionen für Jänner und Februar 2004, sondern über die Höhe der anzurechnenden Zahlung geirrt, ist nicht recht verständlich. Abgesehen davon, dass der Irrtum über die anzurechnende Zahlung letztlich eine unrichtige Bezifferung der eingeklagten Provisionsforderung bewirkte, ändert dieser Umstand jedenfalls nichts daran, dass der Kläger durch sein Forderungsschreiben, in dem er ja die Forderung nur dem Grunde nach bezeichnen musste, die Verfallsfrist gewahrt hat. Damit war es Sache des Arbeitgebers, die Forderung in der dem Kläger zustehenden Höhe zu begleichen, wozu es natürlich auch gehört, bereits geleistete Zahlungen in der tatsächlich geleisteten Höhe zu berücksichtigen. Von der von der Beklagten für sich in Anspruch genommenen besonderen Schutzwürdigkeit kann daher keine Rede sein, was umso mehr gelten muss, als sie daraus - wie das Berufungsgericht treffend formulierte - für sich das Recht ableitet, einen Irrtum des Klägers auszunutzen, um seine berechtigte Forderung nicht zu erfüllen. Nachteile sind der Beklagten durch die verspätete Geltendmachung des nunmehrigen Begehrens nicht erwachsen, zumal der Kläger für die nunmehrige Klageführung (und für das gesamte erstinstanzliche Verfahren) keine Kosten verzeichnet hat. Dass die Beklagte die Forderung dennoch nicht erfüllt hat und dadurch Kosten entstanden sind, hat sie sich selbst zuzuschreiben. Dass die Klageeinschränkung als endgültiges Fallenlassen des betroffenen Forderungsteiles zu werten sei, hat ebenfalls bereits das Berufungsgericht zutreffend verneint: Nach ständiger Rechtsprechung kann die Einschränkung des Klagebegehrens für sich allein nicht als Verzicht auf den betroffenen Teil des Anspruchs gewertet werden (RIS-Justiz RS0039573; RS0039535). Sonstige Umstände, aus denen die Beklagte im Zusammenhalt mit der Einschränkung des Klagebegehrens im Vorprozess auf einen Verzicht des Klägers auf den betroffenen Anspruchsteil hätte schließen können, wurden nicht behauptet und sind auch nicht hervorgekommen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.