JudikaturJustiz9ObA32/22d

9ObA32/22d – OGH Entscheidung

Entscheidung
30. Juni 2022

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Fichtenau als Vorsitzende, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Dehn, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Hargassner und die fachkundigen Laienrichter Dr. Johannes Pflug (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Veronika Bogojevic (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Rechtssache der klagenden Partei * W*, vertreten durch die Hammer Barbach Rechtsanwälte OG in Wien, gegen die beklagte Partei t* gmbh, *, vertreten durch Pallauf Meißnitzer Staindl Partner Rechtsanwälte in Salzburg, wegen Feststellung (Interesse: 7.000 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien vom 28. Jänner 2022, GZ 7 Ra 86/21z-31, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung:

[1] Die Klägerin begehrte mit ihrer am 14. 10. 2020 eingebrachten Klage die Feststellung, mit Wirkung ab 10. 1. 2021 – zuletzt beschränkt bis 19. 5. 2021 – berechtigt (gewesen) zu sein, in näher genanntem Ausmaß Elternteilzeit für ihr am 26. 12. 2018 geborenes Kind zu nehmen (§ 15h MSchG). Zum Zeitpunkt der Klagseinbringung war sie mit Zwillingen mit geplantem Geburtstermin 6. 3. 2021 schwanger; das Beschäftigungsverbot (§ 3 Abs 1 MSchG) trat daher mit 9. 1. 2021 in Kraft. Tatsächlicher Geburtstermin war der 19. 2. 2021. Seit 19. 5. 2021 befindet sie sich für die Dauer von zwei Jahren in Karenz. Infolge des Mutterschutzes hatte sie daher keine Möglichkeit, wie von ihr beantragt in Elternteilzeit zu arbeiten.

[2] Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren ab. Das Berufungsgericht führte aus, eine Teilzeitbeschäftigung ende vorzeitig mit der Inanspruchnahme von Karenz für ein weiteres Kind. Dass die Klägerin die (Teilzeit-)Beschäftigung zu den von ihr bekanntgegebenen Bedingungen oder überhaupt wieder angetreten hätte, habe sich nicht ergeben und sei von ihr nicht behauptet worden. Ab 9. 1. 2021 sei das Beschäftigungsverbot der begehrten Teilzeitbeschäftigung entgegengestanden. Das sei der Klägerin bei Abfassung des Schreibens vom 8. 9. 2020 und im Zeitpunkt der Klagserhebung bekannt gewesen. Auch dem Eventualbegehren auf Kostenersatz sei daher ein Erfolg zu versagen.

[3] Das als außerordentliche Revision zu behandelnde Rechtsmittel der Klägerin (s § 502 Abs 5 Z 4 ZPO; RS0110049 [T8]) zeigt keine erhebliche Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO auf:

[4] Die Klägerin vermisst Rechtsprechung (ua) zur Frage, ob eine nach Eintritt der Schwangerschaft erhobene Feststellungsklage auf Gewährung von Eltern teil zeit nicht berechtigt sei, weil dem perspektivisch ein Beschäftigungsverbot bzw eine neuerliche Karenz entgegenstehe. Es sei nicht einzusehen, warum ihr nur deswegen kein Rechtsschutzinteresse zugebilligt werde, weil eine Schwangerschaft positiv verlaufen sei. Hätte sie die Zwillinge verloren, hätte sie sehr wohl Elternteilzeit in Anspruch nehmen können. Es wäre auch zu keinem Mutterschutz gekommen. Ohne Klagseinbringung wäre der Anspruch verfristet gewesen.

Rechtliche Beurteilung

[5] Nach § 228 ZPO verlangt ein Feststellungsbegehren ein rechtliches Interesse an der alsbaldigen gerichtlichen Entscheidung. Ein Feststellungsbegehren bedarf eines bereits absehbaren und konkret aktuellen Anlasses, der zur Hintanhaltung einer tatsächlichen und ernstlichen Gefährdung der Rechtslage des Klägers eine alsbaldige gerichtliche Entscheidung notwendig macht (RS0039215, s auch RS0039265). Das Feststellungsinteresse muss iSd § 406 ZPO im Zeitpunkt des Verhandlungsschlusses gegeben sein (RS0039085; RS0039123 [T9, T12, T15]). Es setzt zwar nicht mehr das Bestehen der Rechtsbeziehung voraus, doch muss die Feststellung einer bereits beendeten Rechtsbeziehung für die gegenwärtige Rechtslage noch von Bedeutung sein (s RS0039186). Fällt das Feststellungsinteresse nach Klagseinbringung bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz weg (hier: 21. 6. 2021), ist die Feststellungsklage abzuweisen.

[6] Dass die Klägerin zu jenem Zeitpunkt infolge der Karenz keinen Anspruch auf Elternteilzeit hatte (§ 15j Abs 9 MSchG), stellt sie zu Recht nicht in Frage. Inwiefern die begehrte Feststellung betreffend den Zeitraum des Beschäftigungsverbots geeignet gewesen wäre, eine Beeinträchtigung ihrer Rechtslage durch die Beklagte zu beenden, ist nicht ersichtlich. Nach den erstgerichtlichen Feststellungen hatte die Klägerin den Antrag auf Elternteilzeit auch nicht zur Erlangung von Elternteilzeit, sondern ausschließlich zur Erlangung des Kündigungsschutzes des MSchG gestellt. Selbst wenn man aber ihrer nunmehrigen Argumentation zum Rechtsschutzinteresse im Zeitpunkt der Klagseinbringung folgen wollte, erklärt dies nicht, warum es auch noch im Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung vorgelegen wäre. Eine zur Vermeidung des Kostenrisikos mögliche Einschränkung des Klagebegehrens auf Kosten ist nicht erfolgt. In eine solche kann auch das auf den Zuspruch der Kosten gerichtete „Eventualbegehren“ nicht umgedeutet werden, weil damit das Hauptbegehren noch nicht fallengelassen wurde. Ein Widerspruch zur Entscheidung 8 ObA 8/16h (Feststellungsklage in Hinblick auf verweigerte Elternteilzeit) besteht nicht.

[7] Da danach schon zum fehlenden Feststellungsinteresse der Klägerin kein Korrekturbedarf besteht, sind ihre weiteren Fragen nicht entscheidungswesentlich. Mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO ist das Rechtsmittel der Klägerin zurückzuweisen.