JudikaturJustiz9ObA29/11x

9ObA29/11x – OGH Entscheidung

Entscheidung
21. Dezember 2011

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf und Hon. Prof Dr. Kuras sowie die fachkundigen Laienrichter DI Rudolf Pinter und Mag. Michael Zawodsky als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei M***** D*****, Techniker, *****, vertreten durch Dr. Hans Rainer ua, Rechtsanwälte in Innsbruck, gegen die beklagte Partei H***** GmbH, *****, vertreten durch die Proksch Partner Rechtsanwälte OG in Wien, wegen 248,06 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 15. Dezember 2010, GZ 15 Ra 117/10h 18, womit das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht vom 5. Juli 2010, GZ 43 Cga 13/10f 12, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 96,80 EUR (darin 31,34 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war bei der Beklagten vom 19. 9. 1994 bis 31. 12. 2008 als Techniker beschäftigt. Mit Versäumungsurteil des Landesgerichts Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht vom 7. 7. 2009 wurde die Beklagte verpflichtet, dem Kläger binnen 14 Tagen den dem Bruttobetrag von 11.722,58 EUR entsprechenden Nettobetrag samt Anhang als Urlaubsersatzleistung zu zahlen. Mangels Zahlung führte der Kläger in der Folge zur Einbringlichmachung seiner Forderung erfolglos Exekution und stellte am 12. 11. 2009 beim Handelsgericht Wien den Antrag, über das Vermögen der Beklagten den Konkurs zu eröffnen. In der vom Konkursgericht abgehaltenen Konkurseröffnungstagsatzung vom 17. 12. 2009 gab der Kläger als Antragsteller bekannt, dass die dem Konkursantrag zugrundeliegende Forderung treuhändig erlegt wurde. Die Beklagte als Antragsgegnerin bestritt das Vorliegen der Konkursvoraussetzungen und kündigte an, dass der Treuhanderlag bei rechtskräftiger Abweisung des Konkursantrags ausgefolgt werde.

Der Kläger war bei der Konkurseröffnungstagsatzung vom 17. 12. 2009 rechtsanwaltlich vertreten. Die Kosten für diese Vertretung beliefen sich auf 248,06 EUR. Mit E Mail vom 5. 1. 2010 forderte der Klagevertreter vom Beklagtenvertreter Zahlung von 28,21 EUR Zinsen und der Vertretungskosten von 248,06 EUR. Die Zinsen wurden von Beklagtenseite beglichen, während die Vertretungskosten nicht gezahlt wurden. Mit Beschluss des Konkursgerichts vom 27. 1. 2010 wurde der Konkursantrag des Klägers unter anderem mit der Begründung abgewiesen, dass die Forderung des Klägers, ausgenommen die Kosten der Vertretung bei der Konkurseröffnungstagsatzung, bereinigt worden sei. Derzeit bestünden keine Anhaltspunkte für die Zahlungsunfähigkeit der Beklagten. Ein Kostenersatz finde im Konkursverfahren nicht statt.

Der Kläger begehrt im vorliegenden Verfahren von der Beklagten aus dem Titel des Schadenersatzes die Kosten der anwaltlichen Vertretung bei der Konkurseröffnungstagsatzung vom 17. 12. 2009 in der Höhe von 248,06 EUR sA. Diese Kosten seien durch die Säumigkeit der Beklagten bei der Erfüllung des Versäumungsurteils vom 7. 7. 2009 verursacht und verschuldet worden.

Die Beklagte beantragte - neben den im Revisionsverfahren nicht mehr relevanten Einreden der sachlichen und örtlichen Unzuständigkeit - die Abweisung des Klagebegehrens und wendete ein, dass der Kläger keinen Anspruch auf Ersatz der ihm entstandenen Kosten der Teilnahme an der Konkurseröffnungstagsatzung habe, weil es sich um einen gemäß § 58 Z 1 KO ausgeschlossenen Anspruch handle. Das Konkursgericht habe den Konkursantrag abgewiesen und die Abweisung damit begründet, dass die Forderung des Klägers mit Ausnahme der Kosten der Vertretung bei der Konkurseröffnungstagsatzung bezahlt sei und ein Kostenersatz im Konkursverfahren nicht stattfinde. § 58 KO sei eine lex specialis zu den allgemeinen Bestimmungen des ABGB, weshalb die Beklagte für diese Kosten des Klägers nicht hafte.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Unter Zugrundelegung des vorstehend wiedergegebenen außer Streit stehenden bzw vom Erstgericht festgestellten Sachverhalts führte es rechtlich aus, dass aus § 58 KO lediglich folge, dass die Geltendmachung der Kosten der Gläubiger für die Teilnahme am Konkursverfahren im Konkurs ausgeschlossen sei. Die Geltendmachung in einem anderen Verfahren bzw auf andere Weise sei nicht ausgeschlossen. Gemäß § 173 KO seien die öffentlich rechtlichen Normen der ZPO bezüglich der Prozesskosten im Konkursverfahren nicht anzuwenden. Die Geltendmachung der Kosten auf Basis eines allfälligen Schadenersatzes sei daher jedenfalls möglich. Durch die verspätete Erfüllung des Versäumungsurteils vom 7. 7. 2009 sei dem Kläger ein Schaden von 248,06 EUR entstanden, weil dem Kläger Vertretungskosten bezüglich der Konkurseröffnungstagsatzung in dieser Höhe entstanden seien.

Das Berufungsgericht trat der rechtlichen Beurteilung des Erstgerichts bei und gab der gegen das Ersturteil erhobenen Berufung der Beklagten nicht Folge. Ergänzend führte es aus, dass die Kosten von Rechtsverfolgungshandlungen einen Vermögensschaden darstellen, der im Fall einer Vertragsverletzung zu ersetzen sei. Durch die Nichtzahlung des titulierten Betrags habe die Beklagte wesentliche Pflichten aus dem Arbeitsvertrag verletzt. Der Konkursantrag des Klägers sei ein zielführendes Mittel gewesen, um die Beklagte zur geschuldeten Zahlung zu bewegen. Die Beiziehung eines Rechtsanwalts durch den Kläger könne als zweckmäßig angesehen werden. Dass das Konkursgericht in seinem Beschluss ausgesprochen habe, dass im Konkurs kein Kostenersatz stattfinde, stehe der gegenständlichen Geltendmachung nicht entgegen. Die ordentliche Revision sei zuzulassen, weil bezüglich der Geltendmachung von Kosten des Konkursverfahrens nach schadenersatzrechtlichen Grundsätzen eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs fehle.

Gegen das Berufungsurteil richtet sich die Revision der Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im Sinn der Klagsabweisung abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Kläger beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist gemäß § 502 Abs 1 ZPO zulässig; sie ist jedoch nicht berechtigt.

Die Vorinstanzen wiesen darauf hin, dass der vorliegende Fall noch nach der Konkursordnung (KO) vor ihrer Umbenennung in „Insolvenzordnung (IO)“ und Änderung durch das Insolvenzrechtsänderungsgesetz 2010 (IRÄG 2010), BGBl I 2010/29, zu beurteilen sei (§ 273 Abs 1 IO). Dem ist beizupflichten; dies ist hier auch nicht weiter strittig.

Nach dem vorliegenden Sachverhalt ist davon auszugehen, dass die Beklagte dem Kläger als ihrem ehemaligen Arbeitnehmer die Urlaubsersatzleistung schuldig blieb, sodass der Kläger in Betreibung seiner Forderung zur Klage, zur Exekution und zur Stellung eines Konkursantrags schreiten musste. Auch nach der Stellung eines Konkursantrags wurde die titulierte Forderung zunächst nicht wie im Versäumungsurteil vorgesehen an den Kläger gezahlt, sondern lediglich treuhändig hinterlegt. Unstrittig wurden aber schließlich die noch offenen Verpflichtungen der Beklagten an Kapital, Zinsen und Kosten aus dem Versäumungsurteil vollständig erfüllt. Offen sind nur mehr die nach dem Konkursantrag aufgelaufenen Kosten des Klägers in der Höhe von 248,06 EUR für die anwaltliche Vertretung bei der Konkurseröffnungstagsatzung.

Die Beklagte hielt der Klageforderung in erster Instanz drei Einwendungen entgegen, die vom Berufungsgericht als nicht stichhältig angesehen wurden. Dem Berufungsgericht ist beizupflichten, sodass auf dessen Begründung verwiesen werden kann (§ 510 Abs 3 Satz 2 ZPO). Zusammenfassend ist nochmals festzuhalten:

1. Der Einwand der Beklagten, dass es sich bei den Kosten der Teilnahme an der Konkurseröffnungstagsatzung um einen gemäß § 58 Z 1 KO „ausgeschlossenen Anspruch“ handle, ist richtig, ohne dass sich daraus aber etwas für den Standpunkt der Beklagten in Bezug auf die Bestreitung der Berechtigung der Klageforderung ergibt. § 58 KO schließt - wie auch § 58 IO idF IRÄG 2010 - eine Reihe von Ansprüchen von der Geltendmachung als Konkursforderungen aus, unter anderem in Z 1 auch Kosten, die den einzelnen Gläubigern aus ihrer Teilnahme am Verfahren erwachsen. Durch diesen Ausschluss ändert sich für Parteien nichts. Der Kläger macht keine Konkursforderung geltend; über das Vermögen der Beklagten wurde auch nicht der Konkurs eröffnet.

2. Grundsätzlich richtig ist auch der zweite Hinweis der Beklagten, dass das Konkursgericht in der Abweisung des Konkursantrags darauf hingewiesen habe, dass ein Kostenersatz im Konkursverfahren nicht stattfinde. Auch daraus ergibt sich jedoch nichts für den Standpunkt der Beklagten. Die diesbezügliche Beurteilung des Konkursgerichts konnte sich auf § 173 Abs 1 Z 1 KO stützen, wonach im Konkursverfahren die Bestimmungen über die Prozesskosten nicht anzuwenden sind. Auch diese Regelung wurde nach dem IRÄG 2010 beibehalten; sie findet sich nunmehr in § 254 Abs 1 Z 1 IO. Aus § 173 Abs 1 Z 1 KO wird in Verbindung mit dem Fehlen einer sonstigen Regelung über den Kostenersatz im Konkursverfahren abgeleitet, dass es im Konkursverfahren keinen Kostenersatz gibt (vgl RIS Justiz RS0065227 ua). Dass „im Konkursverfahren“ die Geltendmachung von Kosten ausgeschlossen ist (§ 58 Z 1 KO), steht nach der Lehre der Geltendmachung der Kosten auf andere Weise nicht entgegen (vgl Kodek , Handbuch Privatkonkurs Rz 801; Dellinger/Oberhammer , Konkursrecht² Rz 274 ua). Dieser Auffassung schließt sich der erkennende Senat an. Der Aspekt der Restschuldbefreiung durch Zwangsausgleich etc stellt sich hier nicht. Prozesskosten können dann Gegenstand eines Schadenersatzprozesses sein, wenn zwischen den Prozessparteien nicht nach öffentlich rechtlichen Verfahrensvorschriften über die Prozesskosten zu erkennen ist (vgl RIS Justiz RS0022827 ua). Dies gilt insbesondere für Rechtsverfolgungskosten infolge Verletzung vertraglicher Pflichten.

3. In seinem dritten Einwand kam die Beklagte schließlich in erster Instanz nochmals auf § 58 KO zurück und meinte, dass es sich dabei um eine „lex specialis zu den allgemeinen Bestimmungen des Schadenersatzrechts des ABGB“ handle, weshalb sie für die Kosten des Klägers nicht hafte. Dem kann nicht beigepflichtet werden. Dass § 58 KO in Bezug auf jene Bestimmungen der KO, die in den §§ 51 ff regeln, welche Forderungen Konkursforderungen sind, eine „lex specialis“ ist, mag durchaus sein. Dies ist aber sichtlich nicht das, was die Revisionswerberin meint. Sie sieht die Spezialität des § 58 KO in Bezug auf die „allgemeinen Bestimmungen des Schadenersatzrechts des ABGB“. Dieser Einwand widerlegt sich aber von selbst, wenn man den vollständigen Wortlaut des § 58 KO in die Auslegung miteinbezieht, der inklusive Überschrift wie folgt lautet:

Ausgeschlossene Ansprüche

§ 58. Als Konkursforderungen können nicht geltend gemacht werden:

1. die seit der Konkurseröffnung laufenden Zinsen von Konkursforderungen sowie Kosten, die den einzelnen Gläubigern aus ihrer Teilnahme am Verfahren erwachsen;

2. Geldstrafen wegen strafbarer Handlungen jeder Art;

3. Ansprüche aus Schenkungen und im Verlassenschaftskonkurse auch Ansprüche aus Vermächtnissen.

Wie schon oben unter Punkt 1. erwähnt, listet § 58 KO jene ausgeschlossenen Ansprüche auf, die nicht als Konkursforderungen geltend gemacht werden können. Irgendein Anhaltspunkt, § 58 KO wolle in Bezug auf die von der Beklagten angesprochenen „allgemeinen Bestimmungen des Schadenersatzrechts des ABGB“ eine Art Sonder Schadenersatzrecht schaffen bzw das Schadenersatzrecht des ABGB einschränken, kann dieser Bestimmung nicht entnommen werden.

Damit erweisen sich die von der Beklagten in erster Instanz gegen die Klageforderung erhobenen Einwände als unbegründet, sodass in Bezug auf die gegenständliche Konstellation der Abweisung eines Konkurseröffnungsantrags zusammenfassend festgehalten werden kann, dass die § 58 Z 1, § 173 Abs 1 Z 1 KO einer gesonderten Geltendmachung von Verzugsschäden des Gläubigers nicht entgegenstehen. Zu diesen Verzugsschäden können auch die Kosten der Betreibung der Forderung gehören, soweit sie notwendig und zweckentsprechend waren (vgl dazu auch § 1333 Abs 2 ABGB). Dies gilt auch für die Kosten des Gläubigers im Zusammenhang mit der rechtsanwaltlichen Vertretung bei der Konkurseröffnungstagsatzung.

Da die grundsätzliche Bestreitung der Geltendmachung derartiger Kosten, auf die sich die Beklagte in erster Instanz beschränkte, unbegründet ist, ist der Revision ein Erfolg zu versagen. Soweit die Revisionswerberin versucht, in der Revision neue Einwände insbesondere gegen die Zurechnung des vom Kläger geltend gemachten Schadens bis hin zur missbräuchlichen Stellung eines Konkursantrags nachzuschieben, ist sie auf das im Revisionsverfahren geltende Neuerungsverbot zu verweisen (§ 504 Abs 2 ZPO). Eine Auseinandersetzung mit diesen neuen Argumenten hat daher zu unterbleiben.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.