JudikaturJustiz9ObA19/16h

9ObA19/16h – OGH Entscheidung

Entscheidung
18. März 2016

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Dehn, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Hargassner sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Andreas Mörk und Peter Schleinbach als weitere Richter in den verbundenen Arbeitsrechtssachen der klagenden Partei H***** AG, *****, vertreten durch Dr. Heinz Stöger, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei G*****, vertreten durch Binder Grösswang Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 389.307,09 EUR sA und Feststellung (Streitwert: 1.000 EUR), über die außerordentlichen Revisionen beider Parteien (Revisionsinteresse der klagenden Partei: 259.538,06 EUR; Revisionsinteresse der beklagten Partei: 129.769,03 EUR), gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen vom 22. Dezember 2015, GZ 8 Ra 45/15v 73, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentlichen Revisionen der klagenden und der beklagten Partei werden jeweils gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung:

Die Klägerin, Haftpflichtversicherin eines beim beklagten Krankenhausträger angestellten Primararztes und Leiters der gynäkologischen Abteilung, begehrte vom beklagten Krankenhausträger zuletzt 389.307,09 EUR sA und die Feststellung seiner Haftung für alle künftigen Schäden aus dem Geburtszwischenfall vom 3. 4. 1991 des seither schwerst behinderten A. Durch ihre Zahlung seien die Regressansprüche des Primararztes nach § 3 DHG auf sie übergegangen.

Die Vorinstanzen verpflichteten den Beklagten zur Zahlung eines Drittels des Klagsbetrags, stellten seine Haftung für ein Drittel aller zukünftigen Schäden aus dem Geburtszwischenfall fest und wiesen das Mehrbegehren ab.

Rechtliche Beurteilung

In ihren dagegen gerichteten außerordentlichen Revisionen zeigen die Streitteile jeweils keine Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO auf.

1. Beide Revisionen richten sich gegen die Höhe des Regressanspruchs. Nach Ansicht der Klägerin sei der Umstand, dass der Primararzt den Ausbildungsstand der diensthabenden Hebamme nicht konkret überprüft habe, angesichts des Organisationsverschuldens der Krankenhausabteilung eine entschuldbare Fehlleistung gewesen. Dagegen sieht der Beklagte darin ein schwerwiegendes, eine Mäßigung der Haftung nicht zu rechtfertigendes Fehlverhalten des Primararztes, weil er sich nicht vor Ort, sondern wenngleich mit Billigung des Beklagten und in nächster Nähe in seiner Privatordination befunden habe.

Ob und wie weit ein Ersatzanspruch zu mäßigen ist, ist eine Frage des Einzelfalls (RIS Justiz RS0111013 [T1]). Auch die Beurteilung des Verschuldensgrades unter Anwendung der richtig dargestellten Grundsätze, ohne dass ein wesentlicher Verstoß gegen maßgebliche Abgrenzungskriterien vorläge, kann wegen ihrer Einzelfallbezogenheit nicht als erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO gewertet werden (RIS Justiz RS0105331 [T2, T5]).

Im vorliegenden Fall hat sich das Berufungsgericht ausführlich mit der Rechtsprechung zum Sorgfaltsmaßstab der groben Fahrlässigkeit wie auch zu den im Rahmen einer Mäßigung zu berücksichtigenden Kriterien des § 2 Abs 2 DHG auseinandergesetzt. Für den Umfang seiner Haftung verwies es darauf, dass die Tätigkeit eines Arztes, insbesondere auf einer Geburtenstation eines Krankenhauses, und auch als Primararzt mit einer erheblichen Schadens und Gefahrengeneigtheit verbunden ist und der einzelne Dienstnehmer regelmäßig eine hohe Verantwortung trägt, die im Einkommen keinen oder nur geringen Niederschlag findet. Zu berücksichtigen war aber, dass er den Ausbildungsstand der diensthabenden Hebamme und der Turnusärztin trotz des fachärztlichen Personalmangels nicht konkret (Interpretation der Aufzeichnungen des Wehenschreibers) überprüft hatte, dass sich gerade dadurch die Gefahr und das Risiko der unzureichenden Ausbildung im Zusammentreffen mit seiner Abwesenheit vor Ort verwirklicht hatte und dass das die Haftung des Beklagten maßgeblich begründende Organisationsverschulden auch durch sein Verhalten, bezogen auf die Abteilungsleitung, (mit )verursacht war. Wenn die Vorinstanzen die Ersatzpflicht des Beklagten hier im Rahmen des Regressanspruchs nach § 3 Abs 2 DHG insgesamt mit einem Drittel der Schuld der Klägerin bemaßen, so ist dies vertretbar und nicht weiter korrekturbedürftig.

2. Der Beklagte ist der Ansicht, dass aufgrund der vorrangigen Anwendung des § 59 VersVG zur Doppelversicherung deren Vorliegen festzustellen gewesen wäre die §§ 2 ff DHG nicht anzuwenden seien, wofür sie auf die Entscheidung 7 Ob 52/02a verweist.

Wie bereits die Vorinstanzen ausführten, verkennt diese Argumentation jedoch, dass es sich im vorliegenden Fall nicht um einen Ausgleichsanspruch zwischen zwei Versicherungen iSd § 59 Abs 2 VersVG handelt, sondern um den gemäß § 67 VersVG auf die Klägerin übergegangenen Regressanspruch des Arztes gegen den Beklagten selbst (§ 3 Abs 2 DHG). Nach dem unbestrittenen erstinstanzlichen Vorbringen des Beklagten war die Versicherungssumme seiner Haftpflichtversicherung auch bereits zur Gänze ausgeschöpft.

3. Mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO sind die außerordentlichen Revisionen der Streitteile daher zurückzuweisen.