JudikaturJustiz9ObA172/97b

9ObA172/97b – OGH Entscheidung

Entscheidung
09. Juli 1997

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Hradil und Dr.Steinbauer sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Eberhard Piso (AG) und Wolfgang Neumeier (AN) als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Mag.Klaus Tusch, Rechtsanwalt in 6800 Feldkirch, Mühletorplatz 12, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der Sp***** GmbH, der auf Seite der klagenden Partei einschreitenden Nebenintervenientin *****bank F*****, vertreten durch Dr.Gerold Hirn und Dr.Burkhard Hirn, Rechtsanwälte in Feldkirch, wider die beklagten Parteien 1. Franz E*****, Pensionist, L***** 2. Erika E*****, Direktrice, ebendort, 3. Dieter E*****, Textilkaufmann, ebendort, sämtliche vertreten durch Dr.Manfred De Bock und andere, Rechtsanwälte in Dornbirn, wegen Räumung und Zahlung (S 365.750 sA), infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 11.März 1997, GZ 15 Ra 23/97p-27, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Teilurteil des Landesgerichtes Feldkirch als Arbeits- und Sozialgericht vom 29.Mai 1996, GZ 35 Cga 147/95d-22, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Rekurs wird Folge gegeben, der angefochtene Beschluß aufgehoben und die Arbeitsrechtssache zur neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Über das Vermögen der Sp***** GmbH wurde mit Beschluß des Landesgerichtes Feldkirch vom 29.9.1994, S 94/94, das Konkursverfahren eröffnet und der Kläger zum Masseverwalter bestellt. Die Beklagten sind Gesellschafter der Gemeinschuldnerin, denen deren Geschäftsführung das Wohnhaus ***** überlassen hat, wobei Grund der Überlassung die Begründung des Arbeitsverhältnisses mit dem Erst- und der Zweitbeklagten war.

Da das gemeinschuldnerische Unternehmen mittlerweile geschlossen ist, begehrt der Kläger infolge der titellosen Benützung durch die beklagten Parteien die Räumung und Zahlung des Mietzinses im Gesamtbetrag von S 384.750 sA. Das Räumungsbegehren wird aber auch darauf gestützt, daß die Beklagten trotz geschehener Einmahnung mit der Zahlung des Mietzinses im Rückstand seien und daher die sofortige Aufhebung des gegenständlichen Rechtsverhältnisses begehrt werden könne.

Die Beklagten bestritten das Klagebegehren, behaupteten den Abschluß eines Mietvertrages und brachten noch vor, daß durch die widerspruchslose Entgegennahme des Mietzinses der Masseverwalter in den bestehenden Mietvertrag eingetreten sei.

Folgender wesentlicher Sachverhalt steht fest:

Die Gemeinschuldnerin ist Eigentümerin der Liegenschaft, auf dem sich das Wohnhaus ***** samt angebauten Garagen befindet. Gesellschafter waren stets die Beklagten. Der Unternehmensbetrieb wurde kurze Zeit nach Eröffnung des Konkurses rechtskräftig eingestellt. Mit dem Erstbeklagten und der Zweitbeklagten bestand ein Arbeitsverhältnis, wobei das der Zweitbeklagten kurze Zeit nach der Konkurseröffnung gemäß § 25 KO und das des Erstbeklagten einige Jahre vor Konkurseröffnung beendet wurde. Ob der Drittbeklagte zu irgendeinem Zeitpunkt zur Gemeinschuldnerin in einem Rechtsverhältnis, das im wesentlichen die essentiellen Merkmale eines Arbeitsverhältnisses aufgewiesen hat, gestanden ist, steht nicht als erwiesen fest. Alle Beklagten wohnen seit der Bezugsfertigstellung im erwähnten Wohnhaus und benützen seither auch die dazugehörigen Garagen. Grund der Überlassung war die Begründung der Arbeitsverhältnisse mit dem Erst- und der Zweitbeklagten. Nicht erwiesen ist, daß zwischen der Gemeinschuldnerin und den Beklagten vor Konkurseröffnung Einigung erzielt wurde, daß einer der Beklagten den Gebäudekomplex auch dann weiterbenützen könne, wenn das Vermögen der Gemeinschuldnerin zufolge Insolvenz liquidiert werden sollte oder wenn die genannten Arbeitsverhältnisse beendet sein sollten.

Das Erstgericht gab dem Räumungsbegehren mit Teilurteil statt. Dem Erst- und der Zweitbeklagten sei das Wohnhaus einschließlich der Garagen im Zusammenhang mit dem Bestand eines Arbeitsverhältnisses überlassen worden. Gemäß § 1 Abs 2 Z 2 MRG sei die überlassene Dienstwohnung von den Schutzbestimmungen des MRG ausgenommen. Die Weiterbelassung nach Beendigung des Dienstverhältnisses lasse nicht auf den Willen des Arbeitgebers schließen, mit dem Arbeitnehmer einen nach dem MRG geschützten Mietvertrag abzuschließen. Die Annahme des Mietzinses ergebe nach dem objektiven Erklärungswert nicht zwingend den Willen zu der von den Beklagten angestrebten Rechtseinräumung. Das Räumungsbegehren bestehe daher zu Recht, zumal der Drittbeklagte überhaupt keinen Rechtstitel zur Benützung des Wohnhauses unter Beweis habe stellen können. Ein gültiger Rechtsgrund sei nicht bewiesen worden. Im Hinblick auf die rechtsgrundlose Benützung sei die Frage, ob ein qualifizierter Mietzinsrückstand bestanden habe, nicht relevant.

In Stattgebung der Berufung hob das Berufungsgericht das Teilurteil auf und wies die Arbeitsrechtssache zur neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht nach Verfahrensergänzung zurück. Es sprach aus, daß der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei.

Es führte aus, daß aus rechtlichen Gründen eine Behandlung der Beweisrüge nicht erforderlich sei. Das Fortbestehen des Mietvertrages nach dem Ende des Dienstvertrages und das Entgegennehmen eines Mietzinses durch den Vermieter ändere nichts am Inhalt des bisherigen Benützungsverhältnisses und am Vorliegen der gesetzlichen Ausnahmebestimmung des § 1 Abs 2 Z 2 MRG. Das Berufungsgericht vermisse aussagekräftige Feststellungen zum Verhalten des Masseverwalters nach Konkurseröffnung über das Vermögen der Gemeinschuldnerin als Vermieterin. Wenn auch nach der Rechtsprechung aus der Weiterbelassung der Dienstwohnung nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht ohne weiteres auf den Willen des Arbeitgebers geschlossen werden dürfe, mit dem Arbeitnehmer einen nach dem MRG geschützten Mietvertrag abschließen zu wollen, so sei dafür ein entsprechendes Verhalten des Arbeitgebers maßgeblich, durch das ein solches mögliche Vertrauen des Arbeitnehmers zerstört wird, beispielsweise die mehrfache Aufforderung zur Räumung der Wohnung. Auch wenn dem Masseverwalter zunächst nicht klar gewesen sei, welche Rechtsbeziehungen exakt der Benützung der gegenständlichen Villa samt Zubauten zugrundelagen, so sei das Verhalten des Masseverwalters insgesamt und ungeachtet eines entsprechenden Prozeßvorbringens beider Parteien noch näher zu prüfen. So sei das Schreiben des Masseverwalters vom 5.1.1995, in dem er mitgeteilt habe, daß er in einen allfälligen Bestandvertrag nicht eintrete und auch kein neues Bestandverhältnis eingehe und das Antwortschreiben der Beklagten vom 17.1.1995, in dem sie sich auf den vollen Schutz des MRG berufen hätten, nicht genügend beachtet worden. Der nächste Schritt des Masseverwalters sei die Einklagung des restlichen Mietzinses mit der ausdrücklichen Bezeichnung als Mietzins zuzüglich Umsatzsteuer für die Zeit nach Konkurseröffnung gewesen, wobei der Masseverwalter das Räumungsbegehren zunächst auf einen qualifizierten Mietzinsrückstand gestützt habe. Da das Unternehmen der Gemeinschuldnerin sogleich nach Konkurseröffnung geschlossen worden sei, hätte ein Weiterbelassen der Beklagten in der Wohnung ohne Arbeitsverhältnis auch im Sinne eines Weiterbestehens des Bestandvertrages oder eines Neuabschlusses von seiten der Beklagten gesehen werden können. Habe der Masseverwalter, nachdem er vom Rechtsstandpunkt der Beklagten als angeblich geschützte Mieter erfahren habe, sich zunächst nie eindeutig auf eine Räumungsverpflichtung wegen einer angeblichen Dienstwohnung gestützt, sondern im Gegenteil die Räumung ernstlich innerhalb angemessener Zeit nicht betrieben und, was unbestritten sei, den von den Beklagten unter der Voraussetzung des Schutzes nach dem MRG geleisteten Mietzins angenommen, könne im Sinne des § 863 ABGB kein anderer Schluß gezogen werden, als daß ein in dieser Richtung allenfalls weniger geschütztes Mietverhältnis nunmehr in ein voll geschütztes umgewandelt worden sei. Der Masseverwalter sei verpflichtet gewesen, seinen Standpunkt unverzüglich klarzustellen, wozu komme, daß die drei Beklagten laufend das in Frage stehende Gebäude benützten. Auch infolge des Umstandes, daß Bestandverträge durch die Konkurseröffnung grundsätzlich nicht berührt werden, sondern sich unverändert mit der Konkursmasse fortsetzten, sei das Weiterbelassen der Beklagten nicht in einem zeitlich unbeschränkten Belieben des Masseverwalters gestellt gewesen, sondern hätte er umgehend in die eine oder andere Richtung zu reagieren gehabt.

Gegen diesen Beschluß des Berufungsgerichtes richtet sich der Rekurs der klagenden Partei wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache und dem Antrag, in Stattgebung des Rekurses den angefochtenen Beschluß aufzuheben und zu erkennen, daß der Berufung der beklagten Parteien gegen das Teilurteil keine Folge gegeben werde.

Die beklagten Parteien stellen den Antrag, dem Rekurs der klagenden Partei nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist berechtigt.

Liegt eine Dienstwohnung im Sinne des § 1 Abs 2 Z 2 MRG vor, ist das Fortbestehen des Mietvertrages nach dem Ende des Dienstverhältnisses bzw das Belassen des bisherigen Dienstnehmers in der Wohnungsbenützung und die Annahme eines Mietzinses nach dem Ende des Dienstverhältnisses kraft der Nachwirkung des Dienstverhältnisses für die Ausnahmebestimmung unschädlich. Daraus kann nicht ohne weiteres auf den Willen des Arbeitgebers geschlossen werden, nunmehr mit dem Arbeitnehmer einen nach dem MRG geschützten Mietvertrag abzuschließen (Würth/Zingher, Miet- und Wohnrecht19 Rz 38 zu § 1; Hofmann-Wellenhof in Korinek/Krejci, Handbuch zum Mietrechtsgesetz 139 mwN; SozM VIII B 90; ImmZ 1962, 269; EvBl 1967/269 = MietSlg 19.088; MietSlg 20.101/15; MietSlg 40.219 = EvBl 1989/3; MietSlg 42.180; 9 ObA 336/89 = ecolex 1990, 303; WoBl 1994, 147; 9 ObA 50/95).

Das bedeutet, daß die Umwandlung eines von den Bestimmungen des MRG ausgenommenen Benützungsverhältnisses an einer Dienstwohnung in einen nunmehr nach dem MRG geschützten Mietvertrag zwar auch konkludent erfolgen kann, daß aber dafür sehr strenge Maßstäbe anzusetzen sind (EvBl 1989/3). Die bloße Weiterbelassung der aufgrund des Dienstvertrages Benützungsberechtigten zu den bisherigen Bedingungen, sohin auch unter Einforderung des bisherigen Mietzinses, ändert grundsätzlich am Inhalt des bisherigen Benützungsverhältnisses nichts (MietSlg 20.101/15; 42.180; WoBl 1994, 147 ua).

Eine Willenserklärung des auf die Verwertung der Masse bedachten Masseverwalters, einen nunmehr geschützten Mietvertrag unter Anwendung der Bestimmungen des § 863 ABGB abzuschließen, wäre daher nur dann gerechtfertigerweise anzunehmen, wenn besondere Umstände für die Annahme einer stillschweigenden Verpflichtungserklärung (in Abkehr zur bisherigen Benützungsberechtigung) sprechen (SozM VIII B 90). Gerade wenn ein bisher aus dem Dienstvertrag abgeleitetes Benützungs- oder Mietrecht in den Ausnahmebereich des § 1 Abs 2 Z 2 MRG fällt und nunmehr den Schutzvorschriften des MRG mit allen seinen einschneidenden Folgen unterworfen werden soll, bedarf es wirklich überzeugender Behauptungen und Nachweise, um die Rechtsfolgen des § 863 ABGB zweifelsfrei eintreten zu lassen (ImmZ 1962, 269).

Die Beklagten haben sich hiezu lediglich auf einen bestehenden Mietvertrag und den konkludenten Eintritt in den Mietvertrag durch widerspruchslose Entgegennahme des Mietzinses durch den Masseverwalter gestützt (AS 48b). Entgegen der Rechtsansicht des Berufungsgerichtes stellte die Annahme oder das Begehren des Mietzinses unter den bisherigen Bedingungen, nach der ausdrücklichen Erklärung des Masseverwalters weder in einen Bestandvertrag einzutreten noch einen solchen begründen zu wollen (Schreiben vom 5.1.1995) bei der primär auf titellose Benützung gestützten Klage vom 18.7.1995 selbst bei der im Antwortschreiben der Beklagten vom 17.1.1995 geäußerten Behauptung aufgrund eines Bestandvertrages berechtigt zu sein (Beilage ./Q), keine konkludente Mietvertragsbegründung oder einen Eintritt in einen bestehenden Mietvertrag dar. Das Verhalten des Masseverwalters begründete keinen Vertrauensschutz der Beklagten im Sinne des § 863 ABGB objektiv und zweifelsfrei. Selbst wenn der Masseverwalter seit seinem Schreiben vom 5.1.1995 bis zur Räumungsklage, sohin durch wenige Monate keine weitere Reaktion setzte, konnte unter Anlegung eines strengen Maßstabes die Annahme der Zinszahlungen der Beklagten, selbst wenn man unterstellt, daß sie redliche Erklärungsempfänger wären, noch nicht als Anerkenntnis ihrer Behauptung, Mieter zu sein, gewertet werden. Die Entgegennahme des Mietzinses bei Fehlen der ausdrücklicher Anerkennung der Mietereigenschaft der Beklagten stand nämlich mit der mit der Rechtsansicht der Beklagten widerstreitenden Erklärung des Masseverwalters vom 5.1.1995, keine Rechte begründen zu wollen, im Einklang. Der Weiterleistung des Mietzinses kam ohne weitere hinzutretende Umstände als Nachwirkung des Dienstvertrages keine selbständige rechtsbegründende Funktion zu.

Da die bloße Zinsannahme durch den Masseverwalter und das Zuwarten durch wenige Monate ohne Behauptung weiterer Umstände nicht auf eine konkludente Begründung eines voll geschützten Mietverhältnisses hinweist, erübrigt sich eine Ergänzung des Sachverhalts in der vom Berufungsgericht aufgezeigten Richtung.

Da das Berufungsgericht aber aufgrund seiner Rechtsansicht die Beweisrüge in der Berufung unerledigt ließ, wird es dies im fortzusetzenden Verfahren nachzutragen haben. Spruchreife liegt nicht vor, weil infolge Nichterledigung der Beweisrüge noch nicht bindend feststeht, ob Grund der Überlassung des Wohnhauses samt Garagen an die Beklagten die Begründung des Arbeitsverhältnisses war. Sollte das Dienstverhältnis nicht Geschäftsgrundlage des "Mieterverhältnisses" sein, werden auch die Voraussetzungen des auf § 1118 ABGB gestützten Räumungsbegehrens zu prüfen sein.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs1 ZPO.