JudikaturJustiz9ObA131/21m

9ObA131/21m – OGH Entscheidung

Entscheidung
25. November 2021

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Fichtenau und Mag. Korn sowie die fachkundigen Laienrichter Helmut Purker (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Angela Taschek (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei A*, vertreten durch Beneder Rechtsanwalts GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei P* GmbH, *, vertreten durch Bruckmüller RechtsanwaltsgmbH in Linz, wegen Kündigungsanfechtung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen vom 22. September 2021, GZ 11 Ra 55/21v 29, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

[1] 1. Wird eine Entscheidung im Instanzenzug aufgehoben, weil der Sachverhalt unvollständig festgestellt wurde, ist eine mündliche Verhandlung nur dann notwendig, wenn nicht schon ausreichend Beweisergebnisse vorliegen, um die fehlenden Feststellungen zu treffen. Dass eine neue Verhandlung vor dem Erstgericht erforderlich gewesen wäre, muss in der Berufung als Mangelhaftigkeit des Verfahrens gerügt werden (RS0041953 [T2, T4]).

[2] Ein vom Berufungsgericht verneinter Mangel des Verfahrens erster Instanz bildet aber nach ständiger Rechtsprechung keinen Revisionsgrund (RS0042963 ua).

[3] 2. Eine Kündigung kann bei Gericht angefochten werden, wenn sie wegen der offenbar nicht unberechtigten Geltendmachung vom Arbeitgeber in Frage gestellter Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis durch den Arbeitnehmer erfolgt ist (§ 105 Abs 3 Z 1 lit i ArbVG). Ziel der Bestimmung ist es, dem Arbeitnehmer die Rechtsdurchsetzung im aufrechten Arbeitsverhältnis zu ermöglichen. Unter „Anspruch aus dem Arbeitsverhältnis“ ist auch der Anspruch des Arbeitnehmers zu verstehen, zur Erfüllung seiner Hauptleistung nur in den durch Gesetz und Arbeitsvertrag gezogenen Grenzen herangezogen zu werden und Arbeitsleistungen, die unter Missachtung dieser Grenzen angeordnet werden, zu unterlassen (RS0104686).

[4] Macht der Arbeitnehmer glaubhaft, dass die Benachteiligung auf das verpönte Motiv zurückzuführen ist, dann ist eine unzulässige Benachteiligung anzunehmen, sofern nicht der Arbeitgeber seinerseits glaubhaft macht, dass ein anderes Motiv mit höherer Wahrscheinlichkeit ausschlaggebend war (§ 105 Abs 5 ArbVG).

[5] Für die Anfechtung von Kündigungen genügt es, dass das verpönte Motiv für die Kündigung wesentlich war; es ist nicht notwendig, dass das Motiv ausschließlicher Beweggrund war (RS0051661). Die Frage, welches Motiv für die Kündigung als bescheinigt angenommen werden kann, ist eine Frage der vom Obersten Gerichtshof unüberprüfbaren Beweiswürdigung (RS0052037 [T10]).

[6] 3. Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass der Beklagten der Nachweis gelungen ist, dass die Kündigung des Klägers mangels Einsatzmöglichkeit erfolgte, nicht weil er berechtigte Ansprüche geltend machte. Es kam dementsprechend zu dem Ergebnis, dass kein verpöntes Motiv vorliegt.

[7] Dem setzt der Kläger nur entgegen, dass keine ausreichenden Beweisergebnisse vorgelegen seien, um die Feststellungen zum Motiv der Beklagten zu tragen und das Berufungsgericht prüfen hätte müssen, ob tatsächlich kein anderer Arbeitsplatz für den Kläger gefunden hätte werden können. Es wäre konkreter festzustellen gewesen, um welche Einsatzmöglichkeiten die Beklagte sich bemüht habe, es bestünden Zweifel an der zeitlichen Abfolge und es fehlten Feststellungen dazu, dass die befasste Mitarbeiterin keine ausreichenden rechtlichen Kenntnisse zur Beurteilung der Situation gehabt habe. Damit wendet der Kläger sich jedoch ausschließlich gegen die – wie dargelegt unüberprüfbare – Beweiswürdigung der Vorinstanzen. Das Erstgericht hat ausdrücklich festgestellt: „Noch vor dem Ausspruch der Kündigung hatte man sich seitens der Beklagten bemüht, eine andere Einsatzmöglichkeit/Überlassung für den Kläger zu finden, was jedoch scheiterte. Ein anderer Einsatzort für den Kläger konnte also faktisch nicht gefunden werden. Deswegen wurde die Kündigung ausgesprochen.“ Motiv der Beklagten für die Kündigung war nur die fehlende Beschäftigungsmöglichkeit für den Kläger.

[8] Ob der Kläger demgegenüber im Vorfeld berechtigte Ansprüche geltend machte bzw ob die Ablehnung durch die Beklagte oder den Beschäftiger auf einer richtigen Rechtsauslegung oder einer verfassungsmäßigen Grundlage beruhte, ist aufgrund dieser Feststellung in Bezug auf das Kündigungsmotiv der Beklagten nicht relevant.

[9] 4. Nach § 502 Abs 1 ZPO ist es für die Zulässigkeit der Revision erforderlich, dass die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage des materiellen oder des Verfahrensrechts abhängt, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt. Eine Revision ist aber nur dann zulässig, wenn der Revisionswerber die für die Entscheidung maßgeblichen erheblichen Rechtsfragen auch in seinen Rechtsmittelausführungen aufgreift (RS0102059 [T13]). Nur dann muss die rechtliche Beurteilung durch das Berufungsgericht in jeder Richtung überprüft werden (RS0048272 [T7]). Da dem Kläger nicht gelingt eine solche Rechtsfrage aufzuzeigen, ist die außerordentliche Revision zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf diese Zurückweisung nicht (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).