JudikaturJustiz9ObA113/22s

9ObA113/22s – OGH Entscheidung

Entscheidung
24. November 2022

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat in Arbeits und Sozialrechtssachen durch die Senatspräsidentin Dr. Fichtenau als Vorsitzende und die Hofräte Mag. Ziegelbauer und Dr. Hargassner (Senat gemäß § 11a Abs 3 ASGG) als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der Antragstellerin A* AG, *, vertreten durch E + H Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen den Antragsgegner Ing. S*, vertreten durch Dr. Peter Buchbauer, Rechtsanwalt in Graz, wegen Antrags auf prätorischen Vergleichsversuch, über den Revisionsrekurs des Antragsgegners gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz als Rekursgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen vom 20. September 2022, GZ 7 Ra 48/22s, 7 Ra 49/22p 20, mit dem die Beschlüsse des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits und Sozialgericht vom 9. Juni 2022, GZ 38 Nc 1/22p 11, und vom 10. Juni 2022, GZ 38 Nc 1/22p 12, bestätigt wurden, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

[1] Die Antragstellerin beantragte beim Erstgericht am 28. 2. 2022, den Antragsgegner als ihren Arbeitnehmer zu einem Vergleichsversuch über die von diesem beabsichtigte Teilzeitbeschäftigung nach dem Väter Karenzgesetz (VKG) zu laden (§ 8c Abs 2 VKG iVm § 433 Abs 1 ZPO).

[2] In der Tagsatzung vom 6. 4. 2022 führten Vergleichsgespräche zu keiner Einigung der Parteien. Der Vorsitzende hielt im Protokoll fest: „[…] Sohin wird mit den Streitteilen der nächste Termin vereinbart. Die Tagsatzung zur gütlichen Einigung wird auf den Mittwoch, 27. 4. 2022 […] erstreckt. Es werden Ladungen ausgesendet.“ Der Antragsgegner unterfertigte das Protokoll nicht. Der Vorsitzende hielt in einem Aktenvermerk im Anschluss an das Protokoll vom 6. 4. 2022 fest: „Der Antragsgegner [Name] verweigert die Unterschrift auf dem Formular der 'Öffentlichen mündlichen Verhandlung' mit der Begründung, dass ihm seitens der Gewerkschaft angeraten wurde, nichts zu unterfertigen.“

[3] Der Antragsgegner beantragte am 19. 4. 2022 mit dem Schriftsatz „Widerspruch/Berichtigung“ ua die Berichtigung des ihm am 19. 4. 2022 zugestellten Protokolls dahin, dass „dem Antragsgegner durch die Gewerkschaft geraten wurde jegliche Unterschrift zu verweigern“. Inhaltlich führte er aus, dass er eine Einigung abgelehnt habe. Eine erneute Ladung für einen weiteren Vergleichsversuch sei nach § 8c Abs 3 VKG nicht vorgesehen, vielmehr habe der Arbeitgeber die befristete Möglichkeit der Einbringung einer Klage auf Einwilligung in die von ihm vorgeschlagenen Bedingungen der Teilzeitbeschäftigung.

[4] Zur Tagsatzung am 27. 4. 2022 erschien der Antragsgegner nicht.

[5] Mit einem weiteren Schriftsatz „Widerspruch/Berichtigung“ vom 6. 5. 2022 beantragte der Antragsgegner ua erkennbar, das Erstgericht möge feststellen, dass der „zusätzlich anberaumte Vergleichsversuch vom 27. 4. 2022 nach § 433 Abs 1 ZPO gemäß Widerspruch Berichtigungsantrag vom 19. 4. 2022 ohne Rechtsgrund erfolgte, da dieser bereits am 6. 4. 2022 scheiterte“.

[6] Das Erstgericht wies

1. mit Beschluss vom 9. 6. 2022 (ON 11) den Widerspruch des Antragsgegners gegen die Übertragung der Tondatei zum Protokoll vom 6. 4. 2022 dahingehend, dass die Protokollierung richtig lauten müsse, … dass der Antragsgegner die Unterfertigung des Protokolls verweigert, weil ihm seitens der Gewerkschaft geraten wurde nicht zu unterfertigen, und

2. mit Beschluss vom 10. 6. 2022 (ON 12, Pkt 2.) den Antrag, das Erstgericht möge aussprechen, dass „der zusätzlich anberaumte Vergleichsversuch vom 27. 4. 2022 nach § 433 Abs 1 ZPO gemäß Widerspruch Berichtigungsantrag vom 19. 4. 2022 ohne Rechtsgrund erfolgte, da dieser bereits am 6. 4. 2022 scheiterte“ ab.

[7] Das Rekursgericht wies die Rekurse des Antragsgegners,

1. soweit die Feststellungen begehrt werden, dass

- § 213 Abs 2 ZPO (aF) „in der Vergleichstagsatzung am 6. 4. 2022 und Übertragung der Tondatei zum Protokoll vom 6. 4. 2022 anzuwenden ist“;

- § 213 Abs 2 ZPO (aF) „betreffend Übertragung der Tondatei zum Protokoll vom 6. 4. 2022 durch den Richter * missachtet ist“;

- die zur Fristerstreckung notwendige Unterschrift des Antragsgegners auf dem Protokollformular vom 6. 4. 2022 fehlt;

- daher der gütliche Einigungsversuch gemäß § 433 Abs 1 ZPO am 6. 4. 2022 scheiterte;

- „der zusätzlich anberaumte Vergleichsversuch vom 27. 4. 2022 nach § 433 Abs 1 ZPO gemäß Widerspruch Berichtigungsantrag vom 19. 4. 2022 ohne Rechtsgrund erfolgte“, (da dieser bereits am 6. 4. 2022 scheiterte), zurück. In diesem Umfang sei der Revisionsrekurs mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig.

2. Im Übrigen, also soweit sie sich (erkennbar) gegen die mit den angefochtenen Beschlüssen abgelehnten Protokollberichtigungen betreffend die Protokolle vom 6. 4. 2022 und 27. 4. 2022 richten, ab.

[8] Begründend führte das Rekursgericht aus, dass die Rekurse zulässig seien, weil weder die Rechtsmittelbeschränkung des § 8c Abs 6 VKG noch jene des § 433 Abs 2 ZPO greife. Die die Protokollierung betreffenden Beschlüsse des Erstgerichts seien gesondert anfechtbar, weil eine weitere anfechtbare Entscheidung im Verfahren nicht mehr ergehen könne. Die in den Rekursen enthaltene Ablehnung des Vorsitzenden des Erstgerichts sei offenkundig rechtsmissbräuchlich und hindere die Entscheidung über die Rekurse nicht. Gemäß § 619 Abs 2 Z 8 ZPO seien hier noch die §§ 212, 212a ZPO in der bis 30. 4. 2022 geltenden Fassung anzuwenden. Ein Widerspruch gegen die Protokollierung vom 6. 4. 2022 wäre im Sinn dieser Bestimmungen verspätet. Auf einen Widerspruch gegen die fehlerhafte Übertragung des Protokolls komme für die hier relevanten Protokolle § 213 Abs 2 ZPO idF vor der ZVN 2022, BGBl I 2022/61, zur Anwendung. Die Vorgangsweise des Erstgerichts, in einem Aktenvermerk im letzten Teil des Protokolls vom 6. 4. 2022 festzuhalten, dass und aus welchen Gründen der Antragsgegner die Unterschrift auf dem Deckblatt des Protokolls verweigert habe, entspreche den Vorgaben des § 213 Abs 2 ZPO aF. Die Behauptung des Antragsgegners, er habe die Unterschrift deshalb verweigert, weil er mit der Erstreckung der Tagsatzung nicht einverstanden gewesen sei, sei eine unbeachtliche Neuerung. Mit dem das Protokoll vom 27. 4. 2022 betreffenden Berichtigungsbegehren strebe der Antragsgegner offenbar die Ergänzung der abschließend protokollierten Feststellung des Vorsitzenden über das Scheitern eines Vergleichs um den Zeitpunkt des erfolglosen Einigungsversuchs und eine Begründung dafür an. Nur so könne auch der Rekursantrag verstanden werden, dass der Vergleichsversuch schon am 6. 4. 2022 gescheitert sei. Damit zeige der Antragsgegner aber betreffend das Protokoll vom 27. 4. 2022 weder eine unrichtige Protokollierung noch eine unrichtige Übertragung des Protokolls auf. Die Rechtsfrage, wann die Wochenfrist des § 8c Abs 3 VKG im vorliegenden Fall zu laufen begonnen habe, sei im Verfahren über eine allenfalls vom Arbeitgeber nach dieser Bestimmung eingebrachte Klage zu prüfen.

Rechtliche Beurteilung

[9] Der gegen diese Entscheidung erhobene Revisionsrekurs des Antragsgegners ist unzulässig.

[10] Der Revisionsrekurs ist gemäß § 528 Abs 2 Z 2 ZPO jedenfalls unzulässig, wenn der angefochtene erstrichterliche Beschluss zur Gänze bestätigt worden ist. Der Ausnahmefall der Zurückweisung der Klage ohne Sachentscheidung aus formellen Gründen liegt hier nicht vor.

[11] Nach ständiger Rechtsprechung ist ein Beschluss, mit dem das Gericht zweiter Instanz den Rekurs zwar formell zurückweist, aber die angefochtene Entscheidung nicht nur formell, sondern auch in sachlicher Hinsicht überprüft, als Sachentscheidung anzusehen (RS0044456 [T10], RS0044232 [T3]; A. Kodek in Rechberger 5 § 528 ZPO Rz 30 mwN). Eine volle Bestätigung wegen Übereinstimmung der in beiden Vorinstanzen getroffenen Entscheidungen liegt in der Sache auch dann vor, wenn das Rekursgericht – neben einem Zurückweisungsgrund – einen für die Bestätigung maßgeblichen Grund erläutert. Ob die Gründe beider Instanzen übereinstimmen, ist nicht relevant. Es genügt auch, wenn die meritorische Überprüfung im Rahmen einer Hilfsbegründung erfolgt (RS0044232 [T16]; RS0044456 [T11]; Musger in Fasching/Konecny IV/1 3 § 528 ZPO Rz 46 mwH).

[12] Dies ist hier der Fall: Das Rekursgericht hat sich inhaltlich mit den angefochtenen Entscheidungen des Erstgerichts auseinandergesetzt und diese bestätigt. Das Rekursgericht wies zwar zutreffend darauf hin, dass das Treffen der vom Kläger begehrten „Feststellungen“ im Rekursverfahren nicht vorgesehen ist. Es setzte sich jedoch inhaltlich mit den in diesen „Feststellungen“ formulierten Rechtsfragen auseinander.

[13] Der Revisionsrekurs gegen die inhaltlich voll bestätigende Entscheidung ist daher – ungeachtet des den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruchs des Rekursgerichts (vgl RS0107959 [T1]) – gemäß § 528 Abs 2 Z 2 ZPO zurückzuweisen.