JudikaturJustiz9Ob228/98i

9Ob228/98i – OGH Entscheidung

Entscheidung
07. Oktober 1998

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr, Dr. Danzl, Dr. Spenling, und Dr. Hopf als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach dem am 11. Juni 1965 verstorbenen Bruno B*****, zuletzt wohnhaft in *****, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der aufgrund des Gesetzes erbserklärten Erben nach der am 24. Dezember 1995 verstorbenen Hildegard B*****(3 A 35/96g des Bezirksgerichtes Hietzing) 1) Eduard C*****, *****, 2) Stefanie (Hanna) B**********, 3) Hertha S*****, *****, 4) Elke W*****, *****,

5) Wolfgang C*****, *****, 6) Horst C*****, *****, 7) Brunhilde A*****, *****, 8) Marie Luise T*****, *****, 9) Steffi B*****, *****,

10) Mag. Evita Desiree S*****, *****, alle vertreten durch Dr. Michael Datzik, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 15. April 1998, GZ 45 R 262/98g, 45 R 263/98d-51, womit infolge Rekurses der erbserklärten Erben nach Hildegard B***** der Mantelbeschluß und die Einantwortungsurkunde des Bezirksgerichtes Hietzing vom 10. Oktober 1997, 3 A 513/65-42 und 43, bestätigt wurden, den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem außerordentlichen Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Der Erblasser verstarb am 11. 6. 1965 (!). Er hinterließ das Testament vom 28. 7. 1961, in dem er seine Tochter (aus erster Ehe) Gertrude R*****und seine (damalige) Braut (und spätere Ehegattin) Hildegard C***** je zur Hälfte zu Erben seines Vermögens einsetzte. Ferner substituierte er der Hildegard C***** fideikommissarisch seine Tochter Gertrude R*****; für den Fall, daß letztere vor Hildegard C***** versterben sollte oder aus einem anderen Grund nicht Erbin sein könne oder wolle, substituierte er der Hildegard C***** gleichteilig fideikommissarisch seine Enkelkinder, die minderjährigen Maximilian und Michael R*****. Hildegard C***** sollte über das ihr zugefallene Nachlaßvermögen weder zu Lebzeiten noch von Todes wegen verfügen können.

Im nach dem Tod des Erblassers durchgeführten Verlassenschaftsverfahren gaben Gertrude R*****und Hildegard C***** (mittlerweile verehelichte B*****) unbedingte Erbserklärungen je zur Hälfte des Nachlasses ab. Sie erklärten, daß der Erblasser sein Testament iS des Wegfalles der Substitution geändert habe wissen wollen; die erblasserische Tochter erklärte, "ausdrücklich und unwiderruflich auf die zu ihren Gunsten angeordnete Substitution" zu verzichten. Am 1. 9. 1965 erstatteten die beiden Erbinnen ein eidesstättiges Vermögensbekenntnis und schlossen ein Erbübereinkommen, worauf das Erstgericht den Mantelbeschluß ON 7 vom 29. 9. 1965 und die Einantwortungsurkunde ON 8 vom 1. 10. 1965 erließ, mit der ihnen der Nachlaß je zur Hälfte eingeantwortet wurde. Die damals minderjährigen erblasserischen Enkel waren dem Verfahren bis dahin nicht beigezogen worden.

Nach dem Tod der Hildegard B*****(24. 12. 1995) gaben die beiden erblasserischen Enkel am 23. 4. 1996 unter Hinweis auf den Eintritt des Substitutionsfalles unbedingte Erbserklärungen zu je einer Hälfte des Substitutionsnachlasses ab, worauf das Erstgericht - nach Erstattung des eidesstättigen Vermögensbekenntnisses vom 29. 7. 1996 - am 26. 8. 1996 den Mantelbeschluß ON 20 und die Einantwortungsurkunde ON 21 erließ, mit der ihnen der Substitutionsnachlaß je zur Hälfte eingeantwortet wurde. Diese zuletzt genannten Beschlüsse wurden vom Rekursgericht mit Beschluß vom 23. 10. 1996 über Rekurs der nunmehrigen Rechtsmittelwerber - den erbserklärten Erben nach Hildegard B*****- als nichtig aufgehoben, weil ihnen im Substitutionsnachlaßverfahren keine Möglichkeit zur Stellungnahme gegeben wurde. Gleichzeitig erteilte das Rekursgericht dem Erstgericht den Auftrag, sämtliche die Rechte der erblasserischen Enkel betreffenden Beschlüsse diesen zuzustellen, worauf es nach Bewirkung dieser Zustellungen mit Beschluß vom 29. 1. 1997 den Mantelbeschluß vom 29. 9. 1965, die Einantwortungsurkunde vom 1. 10. 1965 sowie die weiteren damals im Verlassenschaftsverfahren ergangenen Beschlüsse des Erstgerichtes ON 5, 7, 8 und 12 als nichtig aufhob und dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auftrug. Dies wurde damit begründet, daß die erblasserischen Enkel zur Zeit der Durchführung der Verlassenschaft noch minderjährig und nicht ordnungsgemäß vertreten gewesen seien.

Nunmehr erließ das Erstgericht den Mantelbeschluß vom 10. 10. 1997, mit dem es ua. die Erbserklärungen der erblasserischen Enkel zu je einem Viertel und der erblasserischen Tochter Gertrude R***** zur Hälfte des Nachlasses annahm und das Erbrecht der Genannten aufgrund des Testamentes vom 28. 7. 1961 für ausgewiesen erachtete, das eidesstättige Vermögensbekenntnis (Reinnachlaß S 589.399,20) der Abhandlung zugrunde legte, den Testamentserfüllungsausweis als erbracht ansah und das (von den nunmehrigen Beteiligten erneuerte) Erbübereinkommen zur Kenntnis nahm. Ferner erließ es die Einantwortungsurkunde vom 10. 10. 1997, mit der es den Nachlaß der erblasserischen Tochter zur Hälfte und den erblasserischen Enkelkindern je zu einem Viertel einantwortete.

Diese Beschlüsse wurden von den erbserklärten Erben nach Hildegard B*****bekämpft.

Mit dem angefochtenen Beschluß wies das Rekursgericht die Rekurse der Steffi B*****und der Mag. Evita Desiree S*****als verspätet zurück und gab den übrigen Rekursen nicht Folge; es sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 260.000,- übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Unter Hinweis auf § 1494 ABGB verneinte es den von den Rekurswerbern schon in erster Instanz erhobenen Einwand der Verjährung der Ansprüche der erblasserischen Enkel. Da diese damals noch minderjährig und nicht gesetzmäßig vertreten gewesen seien, habe nach der genannten Gesetzesstelle bezüglich ihrer Rechte keine Verjährungsfrist zu laufen begonnen. Zwischen der damals auf die Substitution verzichtenden Gertrude R***** und ihren nacherbberechtigten Söhnen habe eine Interessenkollision bestanden, die die Bestellung eines Kollisionskurators erforderlich gemacht hätte. Daß der Erblasser tatsächlich sein Testament im Sinne des Wegfalles der Substitution geändert hätte, habe niemand behauptet, sodaß die Anordnung der Nacherbschaft der erblasserischen Enkel aufrecht geblieben sei. Gertrude R*****habe darauf für ihre Kinder nicht verzichten können und tatsächlich auch keine derartige Verzichtserklärung abgegeben. Eine solche Erklärung wäre mangels pflegschaftsgerichtlicher Bewilligung auch nie wirksam geworden. Da der Nacherbfall mittlerweile eingetreten sei, sei daher der Substitutionsnachlaß direkt den Nacherben einzuantworten. Der ordentliche Revisionsrekurs sei mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 14 Abs 1 AußStrG nicht zulässig.

Gegen diesen Beschluß richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der erbserklärten Erben nach Hildegard B*****, mit dem die Rekurswerber die Aufhebung von Mantelbeschluß und Einantwortungsurkunde und die Neudurchführung der Verlassenschaftsabhandlung anstreben.

Rechtliche Beurteilung

Der außerordentliche Revisionsrekurs ist zulässig, weil der Oberste Gerichtshof - soweit überblickbar - zur Verjährbarkeit des Erbrechtes noch nicht Stellung genommen hat. Er ist aber nicht berechtigt.

Die Meinung der Rekurswerber, die damals minderjährigen Enkel des Erblassers seien im nach dessen Tod abgeführten Verfahren ohnedies durch ihre Mutter vertreten worden, die wirksam auch für ihre Kinder auf die im Testament angeordnete Substitution verzichtet habe, ist unzutreffend. Abgesehen davon, daß nicht feststeht, ob Gertrude R***** gesetzliche Vertreterin ihrer Kinder war - angesichts der 1965 geltenden Rechtslage ist dies keineswegs selbstverständlich - hat sie im Verlassenschaftsverfahren in keiner Weise erklärt, auch in Vertretung ihrer Kinder aufzutreten. Entgegen der Meinung der Rekurswerber läßt der Wortlaut der von ihr abgegebenen Verzichtserklärung (mit der sie auf die "zu ihren Gunsten angeordnete fideikommissarische Substitution" verzichtet hat) die von den Rekurswerbern gewünschte Deutung, R***** habe auch namens ihrer Kinder verzichtet, nicht zu. Auf die weiteren Ausführungen des Rekursgerichtes über die Notwendigkeit der Beiziehung eines Kollisionskurators bzw der pflegschaftsbehördlichen Genehmigung eines solchen Verzichtes braucht daher nicht mehr näher eingegangen zu werden.

Mit ihrem Einwand, es fehle an für die Beurteilung ihres Verjährungseinwandes erforderlichen Feststellungen über den (ohnedies aktenkundigen Zeitpunkt) der Abgabe der Erbserklärungen der erblasserischen Enkel, bekämpfen die Rekurswerber in Wahrheit die Rechtsauffassung des Rekursgerichtes, das Erbrecht der erblasserischen Enkel sei nicht verjährt. Diese Rechtsauffassung des Rekursgerichtes ist aber im Ergebnis zutreffend, weil das Erbrecht als solches keiner Verjährung unterliegt. Dies ergibt sich aus seinem Zweck, die Rechtsstellung des Erblassers auf einen Gesamtrechtsnachfolger überzuleiten. Auch wenn der Tod einer Person erst nach mehr als 30 Jahren bekannt oder durch Todeserklärung und Beweis des Todes beweisbar wird oder erst nach dieser Zeit ein Nachlaßvermögen auftaucht, kann der zum Erben Berufene sein Erbrecht geltend machen und zB die Einantwortung des Nachlasses begehren. Sonst bliebe ja nach Ablauf der Verjährungsfrist entweder die hereditas iacens bestehen oder es würde jeder Nachlaß heimfällig (Kralik/Ehrenzweig3 60f; ebenso Eccher in Schwimann/Eccher, ABGB**2 III Rz 6 zu § 532 ABGB). Demgemäß können zwar eine Reihe von (hier nicht interessierenden) mit dem Erbrecht im Zusammenhang stehenden Ansprüchen verjähren (etwa die Erbschaftsklage [SZ 53/10]; oder die in § 1487 1. u. 2. Halbsatz ABGB genannten Ansprüche), nicht aber das Erbrecht selbst, sodaß der Einwand der Rekurswerber, das Erbrecht der Nacherben sei verjährt, von vornherein verfehlt ist.

Der Einwand, das erstinstanzliche Verfahren sei mangelhaft geblieben, weil das Erstgericht kein Inventar errichtet habe, wurde schon in zweiter Instanz geltend gemacht, vom Rekursgericht aber verneint. Von der zweiten Instanz verneinte Mängel des erstgerichtlichen Verfahrens können aber in dritter Instanz nicht mehr geltend gemacht werden (EFSlg 76.511 uva).

Daß das nach dem Erblasser bestehende Erbrecht der Nacherben die Ansprüche der Rekurswerber als Erben der Vorerbin auf deren nicht zum Substitutionsnachlaß gehörendes (freies) Vermögen nicht schmälert, ist richtig. Die angefochtene Einantwortungsurkunde steht damit nicht in Widerspruch; ein Eingriff in freies Vermögen der Vorerbin ist daraus nicht abzuleiten. Daß in das der Verlassenschaft zugrunde gelegte eidesstättige Vermögensbekenntnis freies Vermögen der Vorerbin aufgenommen worden sei, haben die Rekurswerber weder in erster noch in zweiter Instanz behauptet; auf ihre erstmals im Revisionsrekurs vorgebrachten Ausführungen, mit denen sie derartiges - allerdings völlig unkonkretisiert - andeuten, ist daher nicht einzugehen.

Die Ausführungen des Rekursgerichtes zur Begründung der Zurückweisung der Rekurse der Steffi B*****und der Mag. Evita Desiree S***** werden im Revisionsrekurs mit keinem Wort bekämpft. Insofern ist das Rechtsmittel daher nicht gesetzmäßig ausgeführt.