JudikaturJustiz9Ob214/02i

9Ob214/02i – OGH Entscheidung

Entscheidung
02. Oktober 2002

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling, Dr. Hradil, Dr. Hopf und Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Herbert B*****, Geschäftsmann, *****, vertreten durch Dr. Kurt Konopatsch und Dr. Jutta Sturm-Wedenig, Rechtsanwälte in Leoben, gegen die beklagte Partei Andrea W*****, Hausfrau, *****, vertreten durch Dr. Ferdinand Bruckner, Rechtsanwalt in Korneuburg, wegen EUR 55.313,62 sA (Revisionsinteresse EUR 46.897,78), über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 28. Juni 2002, GZ 12 R 195/01m-101, den Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Die Auslegung des Prozessvorbringens ist eine Frage des Einzelfalls und begründet daher - von Fällen krasser Fehlinterpretationen durch die zweite Instanz abgesehen - keine iSd § 502 Abs 1 ZPO erhebliche Rechtsfrage (9 Ob 72/00d; 9 Ob 299/00m; 9 Ob 134/02z uva). Eine krasse Fehlbeurteilung kann aber in der von der Beklagten bekämpften Auslegung des Vorbringens des Klägers in der Tagsatzung vom 28. 8. 1996 nicht erblickt werden. Zwar ist richtig, dass der Kläger sein damaliges Vorbringen "für den Fall, dass das Gericht .... eine Schenkung des Klagsbetrages annehmen sollte" erstattet hat. Betrachtet man dieses Vorbringen aber vor dem Hintergrund des gesamten Prozessgeschehens - der Klagebehauptung der Darlehensgewährung stand die Behauptung der Beklagten, der Klagebetrag sei ihr geschenkt worden, gegenüber - ist die Auffassung der zweiten Instanz, der Kläger habe dieses Vorbringens für den Fall der Erfolglosigkeit des primär geltend gemachten Rechtsgrundes der Darlehensgewährung erstattet, keineswegs unvertretbar. Gleiches gilt für die Annahme, dass der Kläger mit dem damals erstatteten Vorbringen auch einen Bereicherungsanspruch geltend gemacht hat. Richtig ist aber, dass mit diesem Vorbringen eine Änderung der Klage verbunden war, zumal das Klagebegehren damit auf einen anderen Rechtsgrund gestützt und die maßgebende Tatsachengrundlage (im Sinne der Behauptung der Voraussetzungen eines Bereicherungsanspruchs) geändert bzw. erweitert wurde. Ebenso trifft es zu, dass sich die Beklagte gegen die Zulässigkeit dieser Klageänderung ausgesprochen hat - durch den Gebrauch des Wortes "bestreiten" hatte sie ihr Widerspruchsrecht nicht verwirkt (SZ 69/21 uva) - und dass die daher notwendige Entscheidung über die Zulassung der Klageänderung (zunächst) unterblieb. Daraus ist aber für die Revisionswerberin nichts zu gewinnen. Das Erstgericht hat nämlich mit seinem Urteil vom 28. 6. 2001 über das geänderte Begehren entschieden und damit implicite die Zulässigkeit der Klageänderung bejaht (RZ 1977/42; 7 Ob 543/88; SZ 69/21; zuletzt 1 Ob 2226/96a). Die zweite Instanz hat diese Vorgangsweise des Erstgerichtes trotz der dagegen von der Beklagten in der Berufung vorgebrachten Argumente gebilligt. Dabei ist es - obwohl eine formelle Beschlussfassung abermals unterblieb - funktionell als Rekursgericht tätig geworden, sodass insofern eine iSd § 528 Abs 2 Z 2 ZPO unanfechtbare bestätigende Entscheidungen der zweiten Instanz über die Klageänderung vorliegt, deren Richtigkeit vom Obersten Gerichtshof nicht zu überprüfen ist (RZ 1977/42; 5 Ob 558/93).

Ob die Beziehung der Streitteile als Lebensgemeinschaft zu qualifizieren ist, ist eine Frage des Einzelfalls, die - von Fällen krasser Fehlbeurteilung durch die zweite Instanz abgesehen - die Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht verwirklicht. Die zweite Instanz bezieht sich dazu auf ihre ausführlichen Überlegungen im Aufhebungsbeschluss vom 18. 4. 2000, gegen deren Richtigkeit in der Revision keine substantiellen Einwände erhoben werden. Von einer krassen, die Zulässigkeit der Revision rechtfertigenden Fehlbeurteilung kann insofern nicht die Rede sein. Dass die in Rede stehenden Kosten teilweise bereits zu einem Zeitpunkt aufgewendet wurden, als die Streitteile noch nicht zusammenlebten, ist ohne Relevanz, weil dieser Umstand nichts daran ändert, dass sie in Erwartung des gemeinsamen Wohnens aufgewendet wurden (Honsell/Mader in Schwimann VII² Rz 12 zu § 1435).

Dass die (vom Gericht nicht als erwiesen angenommene!!) Behauptung eines Darlehensvertrages durch den Kläger das Bestehen des von ihm hilfsweise behaupteten Bereicherungsanspruchs ausschließe, trifft nicht zu.