JudikaturJustiz9Ob154/04v

9Ob154/04v – OGH Entscheidung

Entscheidung
11. Mai 2005

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Rohrer als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling, Dr. Hradil, Dr. Hopf und Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Todeserklärungssache der Sarah L*****, geborene C*****, geboren am 9. April 1898, über den Revisionsrekurs des für die seinerzeitige Antragstellerin Rose L*****, geboren am 19. November 1921, zuletzt in *****, Passaic, New Jersey , USA, bestellten Abwesenheitskurators Mag.Peter F*****, Rechtsanwalt, *****, gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgericht vom 12. Oktober 2004, GZ 12 R 199/04d-17, womit infolge des Rekurses des Abwesenheitskurators der Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 4. Juni 2004, GZ 48 T 1691/57-13, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Entscheidungen der Vorinstanzen über die Bestellung eines Kurators werden aufgehoben, dem Erstgericht wird die neuerliche Zustellung des Beschlusses vom 6. 2. 2004, ON 11, an Rose L***** aufgetragen.

Text

Begründung:

Rose L*****, zuletzt wohnhaft in *****, Passaic, New Jersey, ist die Tochter der am 9. April 1898 geborenen Sarah L*****, welche am 1. Oktober 1942 von ihrer Wohnung in Wien 2., *****, in das Konzentrationslager Theresienstadt verbracht worden war. Rose L***** stellte am 26. November 1957, vertreten durch DI Carl J*****, den Antrag, ihre Mutter gemäß § 7 Todeserklärungsgesetz für tot zu erklären und als Todestag den 8. Mai 1945 festzustellen. Mit Beschluss vom 27. Oktober 1958, 48 T 1691/57-6, erklärte das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien Sarah L***** für tot, wobei der 8. Mai 1945 als jener Tag bestimmt wurde, den die Verschollene bestimmt nicht überlebt hat.

Am 14. Mai 2003 langte beim Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien eine beglaubigte Abschrift aus dem Sterbebuch des Sonderstandesamts Bad Arolsen, Abteilung I, Nr 424, vom 7. Mai 2003 ein. Aus dieser Urkunde geht hervor, dass Sarah L*****, bereits am 28. November 1943 in Theresienstadt verstorben ist.

Ohne Antragstellung iSd § 23 TEG fasste daraufhin das Erstgericht am 6. 2. 2004 den Beschluss (ON 11), mit welchem der Beschluss über die seinerzeitige Todeserklärung dahin berichtigt wurde, dass als Zeitpunkt des Todes der „28. 11. 1943“ festgestellt wurde. Zur Begründung verwies das Erstgericht auf die am 7. 5. 2003 vom Sonderstandesamt Bad Arolsen ausgestellten Sterbeurkunde. Dieser Beschluss wurde der Staatsanwaltschaft Wien zugestellt, welche dagegen kein Rechtsmittel erhob. Weiters veranlasste das Erstgericht die Zustellung mittels internationalen Rückscheins an Rose L***** an der Adresse „*****, Passaic“, wobei jedoch anstelle des Staates „ New Jersey “ der Staat „ New York “ angeführt war. Von einem offensichtlich in New York durchgeführten Zustellversuch gelangte das Poststück mit dem Vermerk „attempted not known“ zurück.

Darauf bestellte das Erstgericht mit Beschluss vom 4. Juni 2004 (ON 13) von Amts wegen Mag. Peter F*****, Rechtsanwalt in Wien, als Kurator gemäß § 116 ZPO für die (seinerzeitige) Antragstellerin Rose L*****.

Der Abwesenheitskurator erhob gegen seine Bestellung Rekurs. Er bestritt die Gesetzmäßigkeit der Vorgangsweise des Erstgerichts, weil kein Fall des § 116 ZPO gegeben sei.

Das Rekursgericht bestätigte den Beschluss des Erstgerichts und bejahte insbesondere die Zulässigkeit der Bestellung eines Kurators nach § 116 ZPO iVm § 6 AußStrG (alt). Es sprach aus, dass der Revisionsrekurs zulässig sei.

Dagegen richtet der Revisionsrekurs des bestellten Kurators mit dem Antrag, die Beschlüsse der Vorinstanzen ersatzlos aufzuheben.

Rechtliche Beurteilung

Zur Zulässigkeit des Rechtsmittels:

Über einen Antrag auf Berichtigung der Todeserklärung ist gemäß § 23 Abs 2 iVm § 14 TEG im Außerstreitverfahren zu befinden. § 6 AußStrG (alt) verweist hinsichtlich Zustellungen auf die ZPO. Diese Regelung wird im übrigen auch in § 25 Abs 1 des mit 1. 1. 2005 in Kraft getretenen (neuen) Außerstreitgesetzes erhalten, auf welche Bestimmung gemäß § 199 AußStrG im fortgesetzten Verfahren abzustellen sein wird. Die Vorschriften der §§ 115 f ZPO sind daher im Verfahren Außerstreitsachen grundsätzlich anzuwenden (7 Ob 190/99p; s auch den ausdrücklichen Verweis in § 24 Abs 3 AußStrG auf § 117 ZPO). Rechtsprechung (RIS-Justiz RS0049230, insbesondere SZ 21/155; [T2]) und Lehre (Stumvoll in Fasching/Konecny 2 II/2 Rz 26, 28) zu § 116 ZPO räumen einem „prozessualen Abwesenheitskurator“ (7 Ob 190/99p; Rassi „Der prozessuale Abwesenheitskurator“ RZ 1996,217 f) auch dann ein Rechtsmittel ein, wenn sich dieses, wie hier, nur gegen die Bestellung an sich richtet.

Zur Berechtigung des Revisionsrekurses:

Ist gemäß § 23 Abs 1 TEG der Verschollene an einem anderen Tag als dem in der Todeserklärung angegebenen vermuteten Todestag (§ 19 TEG) gestorben, so kann, wer sonst an der Berichtigung der Todeserklärung ein rechtliches Interesse hat, ferner - uzw nur - in Wahrung öffentlicher Interessen der Staatsanwalt, bei dem Gericht, dass die Todeserklärung in erster Instanz ausgesprochen hat, die Berichtigung der Todeserklärung beantragen. Eine amtswegige Berichtigung sieht das Gesetz hingegen nicht vor. Diese „Berichtigung“ hat mit einer Berichtigung iSd §§ 419, 430 ZPO nichts gemeinsam. Vielmehr handelt es sich dabei um ein Verfahren, welches am ehesten einer Wiederaufnahme vergleichbar ist, zumal mit der Beschlussfassung in die Rechtskraft einer früheren Entscheidung, nämlich der eigentlichen Todeserklärung, eingegriffen wird. Es ist daher auch davon auszugehen, dass die Nichterwähnung amtswegigen Vorgehens keine planwidrige Lücke darstellt, sondern die Berichtigung iSd § 23 TEG bestimmten interessierten Personen (insbesondere dem seinerzeitigen Antragsteller) und - unter ganz engen Voraussetzungen - der Staatsanwaltschaft vorbehalten sein soll.

Die seinerzeitige Antragstellerin ist zweifelsohne als Beteiligte iSd § 9 AußStrG (alt) aufzufassen, welcher der Berichtigungsbeschluss iSd § 23 Abs 1 TEG zuzustellen ist, zumal dieser gemäß § 23 Abs 4 TEG für und gegen alle Beteiligten wirkt. Der seinerzeitigen Antragstellerin muss daher, zumal eine Beschwer nicht auszuschließen ist, grundsätzlich auch ein Rechtsmittel zustehen. Obwohl hier ein Antrag auf Berichtigung nicht gestellt wurde und das Erstgericht den Berichtigungsbeschluss ON 11 daher ohne rechtliche Grundlage fasste, kann dieser Umstand jedoch aus Anlass des Revisionsrekurses des Kurators, der sich nur gegen seine Bestellung richtet, nicht aufgegriffen werden.

Den weiteren Ausführungen ist zunächst voranzustellen, dass hier, selbst dann, wenn ein tauglicher Zustellversuch an der aktenkundigen Adresse der Rose L***** erfolglos bleiben sollte, kein Anwendungsfall des § 8 Abs 2 ZustG gegeben ist. Das Todeserklärungsverfahren war nämlich mit der rechtskräftigen Todeserklärung der verschollenen Sarah L***** beendet, sodass danach keine Pflicht der seinerzeitigen Antragstellerin zur Mitteilung einer allfälligen Adressänderung für das eigenständige, konkret gar nicht absehbare Berichtigungsverfahren nach § 23 Abs 1 TEG bestehen konnte.

Entgegen der Auffassung des Revisionsrekurswerbers wären daher, wenn eine Zustellung wegen Unbekanntheit des Aufenthalts der Rose L***** nicht erfolgen könnte, nicht nur die Voraussetzungen des § 115 ZPO, sondern auch diejenigen nach § 116 ZPO gegeben:

Nach dieser Bestimmung ist ein Kurator dann zu bestellen, wenn Personen infolge der an sie zu bewirkenden Zustellung „eine Prozesshandlung vorzunehmen hätten“. Eine solche Handlung liegt typischerweise dann vor, wenn dem Abwesenden eine Klage, ein Zahlungsauftrag im Mandats- oder Wechselmandatsverfahren, eine Aufkündigung, ein Übergabs- oder Übernahmeauftrag im Bestandverfahren, ein Exekutionsantrag oder ein Antrag auf Erlassung einer Einstweiligen Verfügung (oder diese Verfügung selbst) zugestellt werden sollen. Diesen Fällen ist gemeinsam, dass die Unterlassung einer Prozesshandlung zwingend prozessuale Nachteile auslöst, gegen die der Empfänger geschützt werden soll. Inwieweit auch die Zustellung anfechtbarer Beschlüsse (bei unanfechtbaren reicht die Bekanntmachung nach § 115 ZPO aus) prozessuale Nachteile auslöst, wird aus dem Text des § 116 ZPO nicht klar (Stumvoll aaO Rz 21 zu § 116 ZPO).

Der Oberste Gerichtshof hat zu dieser Frage, soweit ersichtlich, erst einmal Stellung genommen (3 Ob 84/88 = JBl 1989, 187 = RiZ 1988/65). Dort verneinte der OGH im Zusammenhang mit der vergeblich versuchten Zustellung eines Meistbotsverteilungsbeschlusses an den Verpflichteten aber die Voraussetzungen für eine Kuratorbestellung schon deshalb, weil der nur urlaubsbedingt von der Abgabestelle abwesende Empfänger gar nicht unbekannten Aufenthalts iSd § 116 ZPO gewesen war. Lediglich als „obiter dictum“ fügte der OGH noch an, dass „auch die weitere Voraussetzung nicht gegeben war, dass der Empfänger eine Prozesshandlung zur Wahrung seiner Rechte vorzunehmen, insbesondere einer Ladung Folge zu leisten habe“. Diese nicht näher begründete Auffassung vermag jedoch nicht zu überzeugen und wird daher nicht aufrecht erhalten. Der erkennende Senat ist vielmehr in Anlehnung an die Anregung Stumvolls (aaO Rz 22 zu § 116 ZPO) der Rechtsauffassung, dass im Hinblick auf die Funktion des Kurators zur Wahrung des rechtlichen Gehörs des Empfängers iSd Art 6 EMRK - bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen des § 116 ZPO - eine Kuratorbestellung für eine unbekannt abwesende Partei immer dann zu erfolgen hat, wenn diese gegen die zuzustellende Entscheidung ein zulässiges Rechtsmittel ergreifen könnte.

Hingegen ist dem Revisionsrekurswerber darin beizupflichten, dass derzeit weder die Unbekanntheit des Aufenthaltes (§ 115 ZPO iVm § 25 Abs 1 ZustG) der seinerzeitigen Antragstellerin noch, wie vom Rekursgericht angenommen, die Erfolglosigkeit einer Zustellung im Ausland (§ 121 Abs 2 ZPO) definitiv feststehen.

Der Versuch einer Zustellung an die seinerzeitige Antragstellerin erfolgte nämlich - entsprechend der unrichtigen Zustellverfügung - offensichtlich im Staate „New York“ und nicht an der aktenkundigen Adresse der seinerzeitigen Antragstellerin in Passaic, „New Jersey “. Der - zu erwartende - Zustellfehlbericht „attempted not known“ reicht daher als Voraussetzung für eine Kuratorbestellung noch nicht aus.

Als nächsten Schritt wird daher das Erstgericht einen ordnungsgemäßen Zustellversuch an der aktenkundigen Adresse der seinerzeitigen Antragstellerin zu veranlassen haben. Für das weitere Vorgehen nach einem ordnungsgemäßen, jedoch erfolglosen Zustellversuch ist dem Rekursgericht grundsätzlich darin beizupflichten, dass im Hinblick auf das Fehlen eines Rechtshilfeabkommens mit den USA und das Fehlen einer dortigen Meldepflicht an die Abwesenheitsvermutung der seinerzeitigen Antragstellerin keine allzu großen Anforderungen gestellt werden dürfen, weshalb auch nicht auszuschließen ist, dass dann eine neuerliche Kuratorbestellung erforderlich wird.