JudikaturJustiz8ObS228/99h

8ObS228/99h – OGH Entscheidung

Entscheidung
07. Oktober 1999

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Langer und Dr. Adamovic sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Gerhard Fuchs und Ulrike Legner als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Ewa R*****, Angestellte, *****, vertreten durch Dr. Georg Josef Reich, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Bundessozialamt Wien, Niederösterreich und Burgenland, Wien 5, Geigergasse 5-9, vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien 1, Singerstraße 17-19, wegen Insolvenzausfallgeld (S 2.668,20 netto sA), infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 28. Juni 1999, GZ 10 Rs 96/99g-13, womit infolge Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 11. Dezember 1998, GZ 23 Cgs 157/98s-7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Klägerin hat die Kosten ihrer Revision selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin brachte gegen ihre ehemalige Arbeitgeberin zu 18 Cga 321/97z des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien eine Klage auf Zahlung von S 253.445,20 sA ein; in der für den 16. 12. 1997 anberaumten mündlichen Streitverhandlung erging ein klagestattgebendes Versäumungsurteil. Dabei wurde der Klägerin ein Kostenbetrag von S 21.792,80 zugesprochen unter anderem der doppelte Einheitssatz von 100 % für die Klage. Gegen dieses Versäumungsurteil wurde von der beklagten Partei rechtzeitig Widerspruch erhoben. Über das Vermögen der beklagten Arbeitgeberin wurde am 9. Februar 1998 das Konkursverfahren eröffnet.

Mit Bescheid vom 17. 9. 1998 lehnte die beklagte Partei einen Kostenteilanspruch von S 2.668,20 mit der Begründung ab, für Klagen in Arbeitsrechtssachen gebühre nur der einfache Einheitssatz.

Mit der rechtzeitig erhobenen Klage begehrte die Klägerin Zuerkennung des Betrages von S 2.668,20 netto, in eventu die Feststellung, daß dieser Betrag gesichert und vom Insolvenzausfallgeldfonds zu liquidieren sei. Wenn die erste Tagsatzung aus welchem Grunde immer unterbleibe gebühre für die Klage der doppelte Einheitssatz.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens, da keiner der beiden im § 23 Abs 6 RATG taxativ aufgezählten Fälle vorliege. Da das Klagebegehren den Betrag von S 100.000,-- überstiegen habe, sei ein bedingter Zahlungsbefehl nicht zu erlassen gewesen; § 243 Abs 4 ZPO sei im Hinblick auf den in § 59 Abs 1 Z 2 ASGG vorgesehenen Entfall der ersten Tagsatzung und der Klagebeantwortung in Arbeitsrechtssachen nicht anzuwenden.

Das Erstgericht wies das Haupt- und das Eventualbegehren ab.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge.

Die Klägerin beantragt in ihrer gegen dieses Urteil gerichteten außerordentlichen Revision es im Sinne der Stattgebung des Klagebegehrens abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei beantragt in der ihr freigestellten Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Die Revision ist mangels oberstgerichtlicher Rechtsprechung zu § 23 Abs 6 RATG zulässig. Der Rechtsmittelausschluss gemäß § 528 Abs 2 Z 3 ZPO (Entscheidungen über den Kostenpunkt) schließt grundsätzlich eine höchstgerichtliche Rechtsprechung zu Kostensachen aus; hier ist jedoch ausnahmsweise diese Frage im Rahmen der Entscheidung über einen gemäß § 1 Abs 2 Z 4 IESG gesicherten Anspruch zu beurteilen.

Die Revision ist aber nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Schon vor dem Inkrafttreten der Zivilverfahrens-Novelle 1983, BGBl 1983/135, galt im bezirksgerichtlichen Verfahren der Grundsatz, dass in der Regel schon die erste Tagsatzung zur Vornahme der Streitverhandlung zu bestimmen ist (§ 440 Abs 1 1. Satz ZPO), jedoch die abgesonderte Abhaltung einer ersten Tagsatzung zur Vornahme der im § 239 ZPO bezeichneten Prozeßhandlungen angeordnet werden kann (2. Satz leg cit) und in diesem Falle bei der ersten Tagsatzung auch der Sachverhalt soweit erörtert werden kann, als es notwendig ist, um die für die Vorbereitung der mündlichen Streitverhandlung erforderlichen prozessleitenden Verfügungen zu treffen (3. Satz leg cit). Ebenso in Geltung stand bereits die Bestimmung des § 440 Abs 2 ZPO, wonach die im zweiten Teil enthaltenen Vorschriften über die Verpflichtung des Beklagten zur Beantwortung der Klage mittels vorbereitenden Schriftsatzes im Verfahren vor Bezirksgerichten nicht anzuwenden sind.

Nach § 17 Abs 1 des damals - bis zum Inkrafttreten des ASGG per 1. 1. 1987 - geltenden ArbGG richtete sich das Verfahren vor den Arbeitsgerichten, soweit nicht in den nachstehenden Bestimmungen des ArbGG besondere Bestimmungen getroffen wurden, nach den für das Verfahren vor den Bezirksgerichten geltenden Vorschriften der Zivilprozeßordnung. Durch diesen Verweis - auch - auf die Bestimmung des § 440 ZPO war klargestellt, dass im arbeitsgerichtlichen Verfahren ebenfalls nur die Möglichkeit der Anberaumung einer ersten Tagsatzung - § 19 ArbGG steckte den zeitlichen Rahmen ab, § 21 Abs 1 ArbGG bestimmte die Zuständigkeit des Vorsitzenden für die Abhaltung - bestand.

Sowohl § 440 Abs 1 und 2 ZPO als auch § 17 Abs 1 ArbGG blieben - soweit hier wesentlich - in ihrem Inhalt von der ZVN 1983 unberührt bestehen. Zentrale Themen dieser Novelle waren - unter anderen - die Einführung des obligatorischen Mahnverfahrens (§ 448 Abs 1 ZPO) und die direkte schriftliche Klagebeantwortung im Gerichtshofsverfahren, wenn nach der Klage, besonders nach dem Inhalt ihr beigelegter Urkunden, anzunehmen ist, dass sich der Beklagte in den Rechtsstreit einlassen werde (§ 243 Abs 4 ZPO). Gleichzeitig wurde in § 23 Abs 6 RATG der Zuspruch eines doppelten Einheitssatzes für die Klage eingefügt, wenn ein bedingter Zahlungsbefehl (§ 448 ZPO) zu erlassen ist und keine erste Tagsatzung stattfindet oder die erste Tagsatzung nach § 243 Abs 4 ZPO entfällt. Durch diese Bestimmung sollte nach den Materialien (AB 1337 BlgNR 15. GP) im rechtsanwaltlichen Honorrarecht insgesamt ein gewisser Ausgleich für die Zurückdrängung der ersten Tagsatzung geschaffen werden. Für Mahnklagen sollte diese Neuregelung bereits früher als das obligatorische Mahnverfahren selbst, nämlich bereits ab 1. 5. 1983 gelten, um einen Anreiz für die Inanspruchsnahme des Mahnverfahrens zu schaffen. Aus diesen Erwägungen wird deutlich, dass es der Absicht des Gesetzgebers entsprach, nur für die zwei neuen Zurückdrängungsfälle, nicht aber auch für die schon bestehenden Einschränkungen bei der Anberaumung einer ersten Tagsatzung (§ 440 Abs 1 und 2 ZPO im bezirksgerichtlichen Verfahren bzw iVm § 17 Abs 1 ArbGG auch im arbeitsgerichtlichen Verfahren) einen finanziellen Ausgleich zu bewirken. Mangels Vorliegens einer Regelungslücke verbietet sich daher eine analoge Anwendung des § 23 Abs 6 RATG auf andere Fälle des Entfalls einer (ohnehin nur fakultativen) ersten Tagsatzung. Mit 1. 1. 1987 trat das ASGG in Kraft. Nach dessen § 59 (in der Regierungsvorlage noch "§ 53") Abs 1 Z 2 sind "die Bestimmungen über die abgesonderte Abhaltung einer ersten Tagsatzung und den Entfall einer Klagebeantwortung (§ 440 Abs 1 und 2 ZPO)" anzuwenden (1. Halbsatz) und soll keine abgesonderte erste Tagsatzung (§ 239 ZPO) abgehalten werden, wenn "nach der Klage, besonders nach dem Inhalt ihr beigelegter Urkunden anzunehmen ist, dass sich der Beklagte in die Rechtsstreitigkeit einlassen wird" (2. Halbsatz). Die Regierungsvorlage (7 BlgNR 16. GP) lässt hiezu verlauten, dass "der Abs 1 im Sinne einer möglichst raschen und einfachen Durchführung sozialgerichtlicher Verfahren vorsieht, dass an Stelle der für Sozialgerichtssachen (Anm: gemeint auch "Arbeitsgerichtssachen") grundsätzlich geltenden Bestimmungen des Gerichtshofverfahrens eine Reihe von Bestimmungen des bezirksgerichtlichen Verfahrens Anwendung finden sollen". Weiter heißt es lediglich: "Der zweite Halbsatz der Z 2 entspricht dem Gedanken des § 243 Abs 4 erster Satz ZPO (ZV-N)". Nun liegt zwar in dieser Formulierung der Grundsatz, erste Tagsatzungen nicht nur ausnahmsweise, sondern unter bestimmten Voraussetzungen überhaupt nicht anzuberaumen, doch kommt ihr im Hinblick auf die ohnedies geltenden Absätze 1 und 2 des § 440 ZPO nicht die - einen finanziellen Ausgleich für den Entfall der ersten Tagsatzung begründende - Zurückdrängungswirkung zu, wie dies seinerzeit durch die ZVN 1983 der Fall war. Auch die Einführung des ASGG brachte somit keine Regelungslücke mit sich, welche eine analoge Anwendung des § 23 Abs 6 RATG über den Fall des obligatorischen Mahnverfahrens hinaus auf jeden Entfall einer ersten Tagsatzung im arbeitsgerichtlichen Verfahren gebieten würde. Die hiezu bereits ergangene Rechtsprechung von Gerichten 2. Instanz(LGZ Wien vom 26. 2. 1991, 45 R 822/90 = WR 544; OLG Linz vom 27. 4. 1993, 12 Ra 19/93 = Arb 11.078; zuletzt OLG Wien vom 8. 2. 1999, 7 Ra 16/99w) ist daher als der Rechtslage entsprechend zu billigen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG; für einen Kostenzuspruch nach Billigkeit besteht kein Anlass.

Rechtssätze
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