JudikaturJustiz8ObS17/08w

8ObS17/08w – OGH Entscheidung

Entscheidung
13. November 2008

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden, den Hofrat Dr. Spenling, die Hofrätin Dr. Glawischnig und die fachkundigen Laienrichter o. Univ. Prof. DI Hans Lechner und Mag. Johann Ellersdorfer als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Andrea R*****, vertreten durch Dr. Alexander Burkowski, Rechtsanwalt in Linz, gegen die beklagte Partei IEF Service GmbH, *****, wegen Insolvenz Entgelt (13.705,40 EUR sA), über die außerordentliche Revision der Klägerin gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 13. August 2008, GZ 11 Rs 79/08d 9, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Die Klägerin ging drei Monate nach Beendigung ihres ersten Dienstverhältnisses zur nunmehrigen Gemeinschuldnerin, aus dem sie das Entgelt für zwei Monate mit erheblicher Verspätung, das Entgelt für die letzten sieben Monate ihrer Beschäftigung überhaupt nicht erhalten hatte, im Juli 2007 ein neues vorerst „geringfügiges" Beschäftigungsverhältnis mit der Vereinbarung ein, dass sie ab Oktober 2007 Arbeitsleistungen von 20 Stunden wöchentlich erbringen sollte.

Mit ihren Ausführungen, dass „eindeutige Rechtsprechung zur Frage des Sicherungszeitraums gemäß § 3a Abs 1 IESG, wenn ein atypisches Arbeitsverhältnis auf ein typisches Arbeitsverhältnis folgt" fehle, zeigt die Rechtsmittelwerberin keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung auf.

Die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts, dass die Ansprüche aus dem ersten Dienstverhältnis keinesfalls gesichert sind, steht im Einklang mit der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, wonach die Sechsmonatsfrist des § 3a Abs 1 IESG sich nur auf das letzte, nicht aber auf frühere Arbeitsverhältnisse zum selben Dienstgeber bezieht und es daher bei einer Aneinanderreihung mehrerer Arbeitsverhältnisse zum selben Dienstgeber nicht zu einer mehrfachen Sicherung kommt (RIS Justiz RS0115885).

Auch der rechtlichen Beurteilung des Berufungsgerichts, dass im vorliegenden Einzelfall Umstände vorliegen, aus denen zu schließen sei, dass die Klägerin bei Eingehen des neuen (2.) Arbeitsverhältnisses das Finanzierungsrisiko auf den Fonds habe überwälzen wollen, haftet keine, das korrigierende Eingreifen des Obersten Gerichtshofs erfordernde Fehlbeurteilung an, sondern hält sich diese ebenfalls im Rahmen der ständigen Rechtsprechung (8 ObS 154/01g; 8 ObS 9/06s).

Das von der Rechtsmittelwerberin gebrauchte Argument, die Entscheidung 8 ObS 154/01g sei nicht anwendbar, weil dort die Ansprüche aus dem zweiten Arbeitsverhältnis bereits bescheidmäßig zugesprochen worden seien, vorliegend aber nicht einmal eine einfache Sicherung erfolge, was zu einer Ungleichbehandlung mit durchgehend beschäftigten Arbeitnehmern führe, ist ebenso wenig geeignet, eine Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen: Ob ein Arbeitsverhältnis - sei es durchgehend, sei es neu begründet - als atypisch im Sinn der ständigen Rechtsprechung zu beurteilen ist, kann nur aufgrund der jeweiligen Umstände des besonderen Einzelfalls beurteilt werden. Berücksichtigt man, dass das erste Dienstverhältnis mit 31. 3. 2007 beendet wurde, weil die Klägerin Entgelt für insgesamt sieben Monate nicht erhalten hatte, der Klägerin überdies bekannt war, dass von Gläubigern Exekutionsverfahren gegen die Arbeitgeberin geführt wurden und sie wenige Monate später trotzdem ein (zunächst) „geringfügiges" neues Dienstverhältnis zur nunmehrigen Gemeinschuldnerin begründete, kann jedenfalls die Vertretbarkeit der rechtlichen Beurteilung des Berufungsgerichts nicht ernsthaft in Zweifel gezogen werden. Soweit die Rechtsmittelwerberin die Entscheidung 8 ObS 305/01p für ihren Standpunkt ins Treffen führt, ist ihr entgegenzuhalten, dass die von ihr behauptete Reduzierung des Arbeitsausmaßes (geringfügige Beschäftigung) offensichtlich darauf zurückzuführen ist, dass sie - was sie in ihrem Rechtsmittel selbst ausführt - weiterhin Arbeitslosengeld bezog. Im Übrigen unterscheidet sich der der zitierten Entscheidung zugrundeliegende Sachverhalt vom vorliegenden schon dadurch wesentlich, dass nach Anpassung des Arbeitsausmaßes an die Leistungsfähigkeit des Arbeitgebers erhebliche Nachzahlungen auf offene Rückstände durch deutliche Überzahlungen der monatlichen Entgeltbeträge geleistet wurden. Vorliegend bezahlte die Gemeinschuldnerin (mit Ausnahme eines Monats) nicht einmal das Entgelt für die geringfügige Beschäftigung der Rechtsmittelwerberin, geschweige denn, dass Zahlungen auf offene Rückstände erfolgten. Letztlich übergeht die Rechtsmittelwerberin auch den Umstand, dass trotz Vereinbarung einer Arbeitsleistung von 20 Wochenstunden ab Oktober 2007 die Klägerin in diesem Monat eine tatsächliche Arbeitsleistung erbracht hat, die mehr als dem doppelten einer Vollzeitbeschäftigung entsprach (352 Stunden).

Auch aus den weiteren, von der Rechtsmittelwerberin zitierten Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs, ist das Vorliegen einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO nicht abzuleiten. Der Entscheidung 8 ObS 109/02s lag ein Sachverhalt zugrunde, bei dem es zu einem sehr langsamen Anwachsen eines in Summe erheblichen Rückstands kam, wobei aber im Wesentlichen regelmäßige Entgeltzahlungen geleistet wurden. In 8 ObS 12/07h war ein Sachverhalt zu beurteilen, in dem ebenfalls ein hoher, über lange Zeit angewachsener Gesamtrückstand vorlag, in den letzten zwei Jahren aber regelmäßige Teilzahlungen geleistet wurden, die in den letzten Monaten den Gehältern entsprachen. Der Entscheidung 8 ObS 16/07x liegt überhaupt ein gänzlich anders gelagerter, mit dem vorliegenden in keiner Weise vergleichbarer Sachverhalt zugrunde.

Soweit die Rechtsmittelwerberin letztlich damit argumentiert, dass das zweite Arbeitsverhältnis, wenn man es als atypisch qualifiziere, auch nicht als Arbeitsverhältnis zu beurteilen sei und damit in Wahrheit nur ein einziges Arbeitsverhältnis zur Gemeinschuldnerin bestanden habe, zeigt sie damit ebensowenig eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung auf. Die Beurteilung, ob ein Arbeitsverhältnis vorliegt, richtet sich nach § 1151 ABGB und ist unabhängig davon, ob für die Ansprüche daraus eine Sicherung nach dem IESG zusteht.

Auf den Einwand, wonach ein allfälliger Verfall nicht habe eintreten können, ist schon mangels Relevanz nicht einzugehen.

Mangels Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen (§ 502 Abs 1 ZPO) ist daher die außerordentliche Revision insgesamt zurückzuweisen, einer weitergehenden Begründung bedarf diese Entscheidung nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

Rechtssätze
4