JudikaturJustiz8ObA40/19v

8ObA40/19v – OGH Entscheidung

Entscheidung
24. Juli 2019

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Tarmann Prentner und Mag. Wessely-Kristöfel als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Thomas Stegmüller (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Mag. Herbert Böhm (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei J*****, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Manfred Buchmüller GmbH in Altenmarkt im Pongau, gegen die beklagten Parteien 1. I***** Baugesellschaft mbH Co KG, und 2. I***** Baugesellschaft mbH, beide *****, beide vertreten durch Vavrovsky Heine Marth Rechtsanwälte GmbH in Salzburg, wegen 73.670,28 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei (Revisionsinteresse 56.178,27 EUR) gegen das Teilurteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 4. April 2019, GZ 12 Ra 16/19p 24, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Der Kläger war vom 4. 2. 2013 bis zur Dienstgeberkündigung zum 30. 9. 2016 bei der Erstbeklagten angestellt. In seinem Dienstvertrag wurde handschriftlich vermerkt: „ 2. Abfertigungsanspruch wie Variante ehemalige F***** Beschäftigte “.

Strittig ist die Auslegung folgender Passage aus einer Aktennotiz vom 31. 5. 2012, die vom Geschäftsführer der Erstbeklagten und deren Mitarbeiter Josef B***** für die vom Unternehmen F***** übernommenen Arbeitnehmer der Erstbeklagten erstellt wurde:

7. Abfertigung

a) Wahlmöglichkeit durch Dienstnehmer:

I. Auszahlung nach 2 Jahren 4*25 % jährlich – stark besteuert

II. Einfrieren: Auszahlung steuerbegünstigt zB Pension oder Kündigung durch Arbeitgeber

Der Kläger begehrte von den Beklagten unter anderem eine Abfertigungsdifferenz von 56.178,27 EUR. Ihm sei in Bezug auf die vereinbarte Abfertigung ein Wahlrecht zwischen einer stark besteuerten und einer steuerbegünstigten Auszahlung eingeräumt worden, wovon er sich für die zweite, nur mit einem Abzug von 6 % Lohnsteuer belastete, Variante entschieden habe.

Mit dem bekämpften Teilurteil bestätigte das Berufungsgericht die Abweisung dieses letztlich auf eine Nettozahlung von 94 % der Bruttoabfertigungssumme gerichteten Klagebegehrens durch das Erstgericht.

Rechtliche Beurteilung

In seiner außerordentlichen Revision zeigt der Kläger keine Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO auf.

1. Den Arbeitnehmer trifft – wie das Berufungsgericht ausgeführt hat – die Behauptungs- und Beweislast für die Vereinbarung eines Nettoentgelts (vgl RIS Justiz RS0028026 [T3]; Rebhahn in Zellkomm 2 § 1152 ABGB Rz 25 mwN), also dafür, dass der Arbeitgeber sich zur Übernahme der sonst vom Arbeitnehmer zu tragenden Abgaben verpflichtete.

2.1 Das Berufungsgericht ist zu der Auffassung gelangt, dass es sich bei der Wortfolge „stark besteuert“ bei Variante I und „steuerbegünstigt“ bei Variante II der Aktennotiz um eine bloße Wissenserklärung des Arbeitgebers handle, weil die Besteuerung nicht der Disposition der Vertragsparteien unterliegt. Ein Wille des Arbeitgebers, unabhängig von der tatsächlichen Besteuerung jedenfalls den sich unter Zugrundelegung einer fiktiven Besteuerung mit 6 % ergebenden Nettobetrag auszahlen zu wollen, sei dem Wortlaut der Aktennotiz nicht zu entnehmen. Objektive Umstände, aus denen der Kläger hätte erschließen können, dass die Erstbeklagte ihm mehr als die zwölf Bruttomonatsentgelte an freiwilliger Abfertigung zu zahlen beabsichtigt habe, seien vom Kläger weder behauptet noch bewiesen worden.

2.2 Ob eine Wissens- oder eine Willenserklärung vorliegt, ist im Einzelfall durch Auslegung zu ermitteln (vgl RS0028641, RS0032666 ua). Auslegungsfragen entziehen sich in der Regel zufolge ihrer Einzelfallbezogenheit generellen Aussagen. Sie begründen daher keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO, sofern keine auffallende Fehlbeurteilung vorliegt, die vom Obersten Gerichtshof im Interesse der Rechtssicherheit wahrgenommen werden muss (RS0112106; RS0044358 ua). Von einem unvertretbaren Auslegungsergebnis des Berufungsgerichts kann hier keine Rede sein.

2.3 Entgegen dem Standpunkt des Klägers schließt allein die Anführung einer „Wahlmöglichkeit“ das Vorliegen einer Wissenserklärung nicht aus. Grundsätzlich bringt die Darstellung einer Wahlmöglichkeit in der Aktennotiz für einen redlichen Erklärungsempfänger nur die (irrige) Vorstellung der Erstbeklagten über das Bestehen zweier mit unterschiedlichen steuerrechtlichen Folgen verbundenen Auszahlungsvarianten zum Ausdruck und nicht ihren Willen, das Steuerrisiko zu übernehmen und dem Kläger jedenfalls 94 % der Bruttoabfertigungssumme auszuzahlen. Über den Erklärungsinhalt hinausgehende Anhaltspunkte für einen entsprechenden Rechtsfolgenwillen der Erstbeklagten zeigt der Kläger nicht auf. Ein solcher lässt sich auch nicht der bei Ausscheiden des Klägers aus ihrem Unternehmen erfolgten Anfrage der Erstbeklagten an das Finanzamt zur tatsächlichen Besteuerung der Abfertigung entnehmen.

2.4 Mit dem Hinweis auf die arbeitsrechtliche Rechtsprechung zum Vertrauensschutz auf Wissenserklärungen (vgl RS0014478) ist dem Kläger ebenfalls nicht geholfen. Bereits das Berufungsgericht hat dem Kläger entgegengehalten, dass er das Vorliegen einer – ein schützenswertes Vertrauen voraussetzenden – nachhaltigen „Vertrauensposition“ aufgrund der Erklärung der Erstbeklagten gar nicht behauptet hat, eine solche aber angesichts der Vorteilhaftigkeit des Angebots der Erstbeklagten („Auszahlung von 58.749,10 EUR ohne jeglichen Rechtsanspruch“) auch nicht ernsthaft anzunehmen wäre. Dazu enthält die Revision keine Ausführungen.

3. Der Kläger rügt als Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens, dass das Berufungsgericht die als Verfahrensfehler des Erstgerichts geltend gemachte Abweisung seines Beweisantrags auf Einvernahme des Zeugen Josef B***** nicht inhaltlich behandelt habe. Der Kläger hat diesen Zeugen allerdings nicht – wie er in der Revision behauptet – zur Auslegung des Punktes 7. der Aktennotiz vom 31. 5. 2012 beantragt, sondern (soweit hier wesentlich) „zur [anlässlich des Abschlusses des Dienstvertrags noch gegebenen] Wahlmöglichkeit und deren Ausübung“.

4. Die Revision ist daher zurückzuweisen.