JudikaturJustiz8ObA184/98m

8ObA184/98m – OGH Entscheidung

Entscheidung
10. Dezember 1998

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Langer und Dr. Adamovic sowie die fachkundigen Laienrichter MR Dr. Walter Kraft und Brigitte Haumer in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei B***** AG, ***** vertreten durch Dr. Gerda Kostelka-Reimer, Rechtsanwältin in Wien, wider die beklagte Partei T***** GesmbH, ***** vertreten durch Dr. Alexander Milavec, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 9.000,-- sA (Revisionsinteresse S 5.400,--), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 26. März 1998, GZ 9 Ra 414/97m-17, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 11. September 1997, GZ 19 Cga 606/96t-13, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 2.436,48 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 406,08 USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Verpflichtete Martina F***** schuldet der klagenden Partei aufgrund des Versäumungsurteils vom 29. 4. 1993, 19 Cg 105/93p des LG für ZRS Wien, S 375.896,44 sA. Zu 11 E 1588/95y des BG Hernals beantragte die klagende Partei als betreibende Partei die Lohnexekution gemäß § 294a EO. Vom Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger wurde als Dienstgeber der Verpflichteten die beklagte Partei - eine GmbH, jedoch ohne Nennung eines Geschäftsführers - bekanntgegeben (ON 12 des beim Bezirksgerichtes Floridsdorf zur Zahl 20 E 5459/95k fortgeführten Aktes). Eine vertretungsbefugte Person war auf dem der Beklagten eigenhändig zuzustellenden Schriftstück über die Pfändung und Überweisung der pfändbaren Forderungen aus dem Arbeitsverhältnis nicht angeführt. Seit 2. 8. 1996 vertritt ein anderer als der bisherige Geschäftsführer die Beklagte; die Anmeldung der Änderung langte am 27. 8. 1996 beim Firmenbuchgericht ein. Die Eintragung erfolgte am 7. 9. 1996. Der Exekutionsbewilligungsbeschluß sowie die Aufforderung zur Drittschuldneräußerung wurden nach zwei vergeblichen Zustellversuchen an die Beklagte am 29. und 30. 8. 1996 beim Postamt mit Beginn der Abholfrist 2. 9. 1996 hinterlegt. Noch vor dem 4. 9. 1996 versuchte der neue Geschäftsführer beim Postamt die Postsendung zu beheben, jedoch wurde dazu vom Postbeamten ein Firmenbuchauszug verlangt. In dem weiteren Gespräch über die Möglichkeit, die Postsendung zu erhalten, machte der Postbeamte den Vorschlag, daß er die Sendung dem Gericht mit dem Ersuchen, sie als RSb-Brief zu schicken, rückübermitteln werde. Damit war der Geschäftsführer der Beklagten einverstanden. Ein Aktenzeichen des Schriftstückes wurde ihm nicht genannt. Bereits am 4. 9. 1996 langte dann die Sendung mit dem Vermerk "Bitte als RSb-Brief schicken. Noch kein Handelsregisterauszug" samt den auf dem Rückschein beurkundenden Zustellversuchen beim Exekutionsgericht ein (RSa-Brief mit handschriftlichen Zusätzen AS 28 des Exekutionsaktes). Nicht festgestellt werden konnte, daß auf der Hinterlegungsanzeige die Behörde und das Aktenzeichen des Schriftstückes vermerkt waren. In einem Schreiben vom 16. 10. 1996, in dem die Klägerin die Beklagte zur Drittschuldnererklärung aufforderte und gerichtliche Schritte androhte, sind sowohl der Name der Verpflichteten, der Name der Klägerin als betreibende Partei sowie das Exekutionsgericht und das Aktenzeichen genannt.

Über Antrag der klagenden Partei als betreibende Partei im Exekutionsverfahren wurden die genannten Schriftstücke der beklagten Partei am 26. 3. 1997 (neuerlich) zugestellt.

Die klagende Partei begehrte den eingeschränkten Klagsbetrag von S 9.000,-- sA mit dem Vorbringen, die Verpflichtete verdiene monatlich S 15.000,--; in den Monaten Dezember 1996 bis April 1997 hätte ein Betrag von S 1.800,-- monatlich gepfändet und überwiesen werden können. Der Beschluß über die Bewilligung der Gehaltsexekution sei der Beklagten zugestellt worden. Im Firmenbuch sei damals ein Geschäftsführer ausgewiesen gewesen und daher die Hinterlegung wirksam. Hilfsweise werde für den Fall einer unwirksamen Zustellung das Begehren auf den Titel des Schadenersatzes gestützt, da die Beklagte gegen ihre Verpflichtung zur unverzüglichen Anmeldung des neuen Geschäftsführers beim Firmenbuch verstoßen und es unterlassen habe, zumindest einen Zustellbevollmächtigten zu bestellen oder die Drittschuldnererklärung im Prozeß abzugeben.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wandte ein, daß eine wirksame Zustellung des Beschlusses (Bewilligung der Gehaltsexekution, Zahlungsverbot und Auftrag zur Abgabe einer Drittschuldnererklärung) nicht erfolgt sei. Der Beschluß sei am 30. 8. 1996 beim Postamt hinterlegt, jedoch der neue Geschäftsführer erst am 7. 9. 1996 im Firmenbuch eingetragen worden. Ihm sei am 2. 9. 1996 beim Postamt über sein Ersuchen um Ausfolgung der hinterlegten Sendung mitgeteilt worden, daß dies mangels Eintragung im Firmenbuch nicht möglich wäre und das Postamt die Sendung dem Bezirksgericht mit dem Ersuchen um neuerliche Übermittelung als RSb-Sendung zurückschicken werde. Der frühere Geschäftsführer sei bereits ausgeschieden und nicht mehr zeichnungsberechtigt gewesen. Das Einkommen der Verpflichteten zum Zeitpunkt des Zustellversuches habe netto S 10.500,-- betragen; Vorpfandrechte oder Unterhaltsverpflichtungen hätten nicht bestanden.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren mit einem Teilbetrag von S 3.600,-- statt und wies das Mehrbegehren ab. Ausgehend von den eingangs wiedergegebenen - und aufgrund des angeschlossenen Exekutionsaktes ergänzten - Feststellungen führte es in rechtlicher Hinsicht aus, die Beklagte habe gegen ihre Verpflichtung zur unverzüglichen Bekanntgabe des Geschäftsführerwechsels an das Firmenbuchgericht verstoßen. Der neue Geschäftsführer sei zwar zur Vertretung befugt gewesen, jedoch sei die Zustellung unwirksam, da entgegen der Bestimmung des § 17 ZustellG die Sendung nicht zumindest zwei Wochen zur Abholung bereit gehalten worden sei. In dieser Zeit hätte der neue Geschäftsführer nach Eintragung im Firmenbuch die Postsendung beheben können. Die Verpflichtung zur Abgabe der Drittschuldneräußerung habe daher erst innerhalb der Vier-Wochenfrist nach der wirksamen Zustellung am 26. 3. 1997 bestanden, ebenso sei die Pfändung des Arbeitseinkommens erst dann wirksam geworden. Es seien daher nur die für März und April 1997 geltend gemachten Beträge zuzusprechen. ein darüber hinausgehender Schadenersatzanspruch bestehe nicht, da die Zustellung nicht wegen der fehlenden Eintragung im Firmenbuch, sondern wegen der verfrühten Rückübermittlung der Postsendung unwirksam sei. Ein Kostenersatzanspruch könne auch nicht auf § 301 EO gestützt werden, da die nach der wirksamen Pfändung im März 1997 geltend gemachten, der Klägerin zustehenden Beträge ohnehin zugesprochen worden seien. Im übrigen sei die klagenden Partei unterlegen.

Das Berufungsgericht änderte infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil dahin ab, daß es der Klage auch hinsichtlich des Mehrbegehrens von S 5.400,-- sA, stattgab. Weiters erklärte es die Revision an den Obersten Gerichtshof für zulässig. In rechtlicher Hinsicht führte das Berufungsgericht zur Wirksamkeit der Zustellung an die Beklagte als Drittschuldnerin im Exekutionsverfahren aus, die Zustellung sei der an eine gesetzliche Form geknüpfte Vorgang, durch den dem als "Empfänger" des Schriftstückes bezeichneten Adressaten Gelegenheit geboten werde, von einem im Auftrag des Gerichtes an ihn gerichteten Schriftstück Kenntnis zu nehmen. Eine Heilung einer unrichtig verfügten und dann fehlerhaft durchgeführten Zustellung könne nicht eintreten, wenn weder in der Zustellverfügung, noch auf dem Zustellstück der nach dem jeweiligen Verfahrensrecht richtige Empfänger (als solcher) genannt werde. Aus den Feststellungen und aus dem Zustellnachweis ergebe sich, daß die Zustellung unmittelbar an die Beklagte, eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, beantragt und auch vom Gericht verfügt wurde.

Dies werde nach der jüngeren Rechtsprechung als zulässig angesehen. Die ältere, vor dem Zustellgesetz BGBl 200/1982 ergangene Rechtsprechung verneine dies.

Nach § 13 Abs 3 ZustellG habe dann, wenn der "Empfänger" im Sinne des Zustellgesetzes keine natürliche Person sei, die Zustellung der Sendungen eine zur Empfangnahme befugten Vertreter zu erfolgen. Die frühere Regelung des § 105 ZPO sei damit nicht vergleichbar, da sie nicht klar festgehalten habe, daß der "Empfänger" die juristische Person sei. Für Gesellschaften sei im übrigen auch gerade zur Vermeidung von Zustellproblemen im § 3 Z 4 FBG die für Zustellungen maßgebliche Geschäftsanschrift als eintragungspflichtige Tatsache genannt worden. Allgemein solle durch die der Gesellschaft im Rahmen ihrer Organisationsvorschriften zurechenbare Verhaltensweise keine Benachteiligung von gegenüber der Gesellschaft Berechtigten eintreten. Die Behörde könne also ihre Zustellung an die Gesellschaft selbst adressieren. Dies ergebe sich überdies aus § 17 Abs 3 ZustellG, wo ausdrücklich zwischen dem Empfänger und der gemäß § 13 Abs 3 ZustellG zur Vertretung berechtigten Person unterschieden werde.

Bei Gesellschaften mit beschränkter Haftung seien als zur Vertretung befugte Personen jedenfalls die Geschäftsführer anzusehen. An diese Personen richte sich die an die GmbH adressierte Aufforderung, das Schriftstück anzunehmen. Zwar sei es dann, wenn das Gericht selbst die zur Empfangnahme berechtigte Person unrichtig bezeichne, dem Gericht vorbehalten, dies zu ändern, jedoch gelte dies nur dann, wenn das Gericht eine solche Person bezeichne. Dort wo dies aber nicht erfolge, sei primärer Empfänger die juristische Person und es habe die Ausfolgung an die zur Empfangnahme nach den Organisationsvorschriften der GmbH verantwortlichen Geschäftsführer oder sonst zur Übernahme Berechtigte zu erfolgen (§§ 9, 13 Abs 3 ZustellG; § 143 Postordnung). Die Zustellung sei also unter diesem Gesichtspunkt rechtswirksam erfolgt. Damit sei die Frage zu prüfen, ob die nach der Hinterlegung vorgenommene verfrühte Rückstellung des Schriftstückes die Wirksamkeit der Zustellung beeinträchtige, wozu noch komme, daß diese Vorgangsweise zwischen dem Postbeamten und der Beklagten "vereinbart" wurde.

Nur auf den Vorgang der Hinterlegung beschränke sich die Zuständigkeit des Postbeamten; es stehe ihm nicht frei, über die Wirksamkeit einer Zustellung durch eine "Zurücknahme" oder "Vereinbarung" zu entscheiden. Dahingehende Äußerungen seien dem Gericht nicht zurechenbar und daher wirkungslos. Nach der wirksamen Zustellung sich ereignende Vorgänge könnten die Wirksamkeit der Zustellung nicht rückwirkend aufheben. Im übrigen wäre es der Beklagten freigestanden, durch einen entsprechend legitimierten Vertreter bei der Post die Aktenzahl des betreffenden Verfahrens zu ermitteln, die regelmäßig - wenngleich hier nicht feststellbar - auch auf der Verständigung von der Hinterlegung angegeben werde.

Die Pfändung und Überweisung sowie die Aufforderung zur Abgabe der Drittschuldnererklärung seien daher rechtswirksam am 2. 9. 1996 zugestellt worden.

Die Revision an den Obersten Gerichtshof sei zulässig, da eine Rechtsprechung zur Wirksamkeit von Zustellungen, bei denen die 14-tägige Hinterlegungsfrist nicht eingehalten worden sei, fehle.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der beklagten Partei aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, es abzuändern und die Berufung der klagenden Partei abzuweisen (dh das Urteil erster Instanz wiederherzustellen).

Die klagende Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, jedoch nicht berechtigt.

Gemäß § 294 Abs 2 zweiter Satz EO hat die Zustellung des Zahlungsverbotes an den Drittschuldner nach den Vorschriften über die Zustellung von Klagen zu erfolgen. Damit wird auf § 106 ZPO und § 21 ZustellG verwiesen. Am Beginn eines jeden Prozeßrechtsverhältnisses hat grundsätzlich eine fehlerfreie, qualifzierte Zustellung zu stehen.

Die Nichtanführung der vertretungsbefugten Personen einer juristischen Person, die als solche den Bescheidadressaten darstellt, stellt keinen die Rechtsunwirksamkeit der erfolgten Hinterlegung bewirkenden Zustellmangel dar (VwGH 25. 9. 1990, Zl 90/04/0073; iglS 17. 6. 1992, Zl 92/02/0068 ua).

Der Geschäftsführer der beklagten Partei behauptet gar nicht, zum Zeitpunkt der Hinterlegung ortsabwesend gewesen zu sein. Damit gilt die Sendung gemäß § 17 Abs 3 dritter Satz ZustellG als ordnungsgemäß zugestellt. Nach der Rechtsprechung des VwGH (VwSlg 13.568/A; iglS 24. 11. 1993, Zl 93/01/0950; 19. 1. 1995, Zl 94/09/0248 ua), der sich der erkennende Senat anschließt, hat die Verweigerung der Ausfolgung der hinterlegten Sendung keinen Einfluß auf die bereits vorher eingetretene Rechtswirksamkeit der Zustellung. Die Rechtswirksamkeit der Zustellung ist nicht davon abhängig, ob und wann eine gemäß § 17 Abs 3 dritter Satz ZustellG rechtswirksam hinterlegte Sendung vom Empfänger behoben wird und ob hiebei Hindernisse auftreten.

Der Geschäftsführer der beklagten Partei hätte sich daher nicht auf die Auskunft und den Vorschlag des Postbediensteten verlassen dürfen, sondern wäre verpflichtet gewesen sich an eine rechtskundige Person zu wenden um sich darüber zu informieren, wie er sich in der vorliegenden Situation, ohne Gefahr zu laufen, Rechtsnachteile zu erleiden, verhalten solle (VwGH 8. 11. 1995, Zl 95/01/0445). Denn die bereits eingetretene Zustellwirkung kann nicht dadurch in Wegfall gebracht werden, daß der Empfänger der Sendung mit dem Zustellorgan vereinbart, letzterer möge die Sendung beheben und in den für die Abgabestelle bestimmten Briefkasten einwerfen. Das Zustellgesetz sieht nämlich nicht vor, daß die Wirkung einer Zustellung durch zeitlich nachfolgende Handlungen wieder beseitigt werden kann (VwGH 16. 2. 1994, Zl 93/03/0128).

Ausgehend von einer wirksamen Zustellung, deren Wirkung durch nachfolgende Handlungen nicht wieder beseitigt werden konnte, erweist sich die Revision als nicht berechtigt.

Der Hilfsargumentation, die beklagte Partei habe sich durch nicht unverzügliche Anmeldung der (Änderung der) Vertretungsbefugnis zum Firmenbuch (§ 3 Z 8 FGB iVm § 17 Abs 1 GmbH) schadenersatzpflichtig gemacht, bedarf es daher nicht.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.