JudikaturJustiz8Ob80/86

8Ob80/86 – OGH Entscheidung

Entscheidung
12. Februar 1987

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Stix als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Kropfitsch und Dr. Zehetner als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dipl.Vw. Heinz W***, Betriebsberater, Weiherburggasse 1 a, 6020 Innsbruck, vertreten durch Dr. Wolfgang Walser, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagten Parteien 1.) D*** A*** V***

A***, Schottenring 15, 1010 Wien,

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Beklagten sind zur ungeteilten Hand schuldig, dem Kläger die mit S 18.044,89 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin die Barauslagen von S 2.400,- und die Umsatzsteuer von S 1.422,26) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger wurde am 16.8.1979 als Lenker seines PKWs auf der Inntalautobahn in der Nähe von Wattens bei einem Verkehrsunfall schwer verletzt. Die Erstbeklagte haftet dem Kläger für die Unfallsfolgen als Haftpflichtversicherer, die Zweitbeklagte als Halterin und der Drittbeklagte als am Unfall schuldiger Lenker des unfallsbeteiligten Sattelfahrzeuges. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist nur mehr der vom Kläger geltend gemachte Verdienstentgang bis 31.8.1981 von S 405.928,41 s.A. Der Kläger sei als selbständiger Betriebsberater vor und nach dem Unfall tätig gewesen und sei aufgrund der ihm von den Wirtschaftsförderungsinstituten der T*** H*** und der B*** IN W*** übertragenen Arbeiten zu 100 % ausgelastet gewesen. Durch den Unfall habe er eine schwere und immer noch anhaltende Umsatzeinbuße erlitten, weil er ca. 2 Jahre lang nach dem Unfallsereignis vermindert erwerbsfähig war.

Die Beklagten beantragten die Abweisung dieses Begehrens und wendeten ein, daß der geltend gemachte Umsatzverlust nicht identisch sein könne mit einem Verdienstentgang. Der Kläger müsse sich anrechnen lassen, was er sich bei teilweiser Arbeitsunfähigkeit erspart habe; außerdem seien ihm Sozialversicherungsleistungen gewährt worden, die er sich ebenfalls anrechnen lassen müsse; er habe daher nichts mehr zu fordern.

Das Erstgericht sprach dem Kläger den geltend gemachten Verdienstentgangsbetrag s.A. zur Gänze zu. Es traf hiezu im wesentlichen nachstehende Feststellungen:

Der Kläger übt das Gewerbe der Betriebsberatung, Betriebsorganisation und Vermögensberatung aus. Sein Unternehmen ist ein Ein-Mann-Betrieb. Durch den Unfall war der Kläger 70 Tage lang zur Gänze erwerbsunfähig. 30 Tage lang betrug die Minderung seiner Erwerbsfähigkeit 70 %, 3 Monate lang 50 % und seit März 1980 ca. 1 1/2 Jahre lang 30 %. Bei dieser Erwerbsunfähigkeit bzw. Erwerbsminderung handelte es sich nicht um eine medizinisch-physiologische, sondern um eine speziell auf die beruflichen Anforderungen des Klägers abgestimmte wirtschaftliche Erwerbsminderung. Vor dem Unfall arbeitete der Kläger ca. 230 Tage im Jahre. Aufträge des Wirtschaftsförderungsinstitutes waren immer in ausreichendem Maße vorhanden. Vor dem Unfall war die Kapazität des Klägers voll ausgelastet. Auch nach dem Unfall waren die Kapazitäten des Klägers voll ausgenützt, allerdings kam er unfallsbedingt seinen Arbeiten nicht mehr zeitgerecht nach, weshalb er vom Wirtschaftsförderungsinstitut keine weiteren Aufträge mehr erhielt, solange seine Rückstände nicht aufgearbeitet waren. Dies dauerte etwa ein Jahr lang. Darüberhinaus mußte der Kläger, um dieselben Leistungsergebnisse wie vor dem Unfall zu erzielen, mehr Arbeit aufwenden, die er in anderen Aufträgen hätte unterbringen können. Er war zwar arbeitsmäßig voll ausgelastet, benötigte aber für diese Arbeiten mehr Zeit, die er anderweitig nützen hätte können. Andere Aufträge wären dem Kläger vom Wirtschaftsförderungsinstitut jederzeit erteilt worden, wenn er entsprechende freie Kapazitäten zur Verfügung stellen hätte können. Nach dem Honorartarif für Betriebs- und Organisationsberater gebührt eine Vergütung für die Beraterstunde von S 600,- bzw. für ein Tagewerk (8 Stunden) von S 4.000,-. Dem Wirtschaftsförderungsinstitut wurde im Jahr 1979 ein Tagessatz von S 3.150,-, im Jahr 1980 ein solcher von S 3.360,- verrechnet.

Der Verdienstentgang des Klägers betrug unter Abzug der

Ersparnis an variablem Aufwand im Jahre

1979 S 180.660,--

im Jahr 1980 S 181.927,--

im Jahr 1981 S 91.873,--

Summe Sng5 .460,--.

In diesem Umfang hätte der Kläger seine, ohne Unfallsfolgen freien Kapazitäten in andere Aufträge investieren und zusätzliche Erträge in dieser Höhe erzielen können. Da er aber, um zur gleichen Leistung zu gelangen wie vor dem Unfall, entsprechend mehr Arbeit aufwenden mußte und ihm sohin keine freie Kapazität mehr übrig blieb, konnte er diese zusätzlichen Einnahmen nicht tätigen. Rechtlich verwies das Erstgericht darauf, daß entscheidend sei, welchen Ertrag die geschäftliche Tätigkeit des Klägers in dem in Frage kommenden Zeitraum erbracht hätte, wenn er nicht unfallsbedingt in seiner Tätigkeit behindert gewesen wäre und welcher Ertrag in dieser Zeitspanne tatsächlich erzielt worden wäre. Im Hinblick auf die dem Kläger anzurechnenden Rentenzahlungen der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt von S 48.531,59 ergebe sich ein zuzusprechender Betrag von S 405.128,41.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten nicht Folge, sondern bestätigte die erstgerichtliche Entscheidung. Es hielt den Beklagten entgegen, daß der Kläger unfallsbedingt seinen Arbeiten zeitgerecht nicht mehr nachkommen konnte, daß ihm das Wirtschaftsförderungsinstitut keine weiteren Aufträge mehr erteilte, solange seine Rückstände nicht aufgearbeitet waren, und daß der Kläger mehr Arbeit aufwenden mußte, die er in anderen Aufträgen hätte unterbringen können, um dieselben Leistungsergebnisse wie vorher zu erzielen. Damit sei festgestellt, daß der Kläger, wäre er voll einsatzfähig gewesen, seine Leistungen effizienter gestalten und daher auch höhere Einnahmen erzielen hätte können. Deshalb könne von einer ohnedies erreichten vollen Auslastung des Klägers vor und nach dem Unfall in dem Sinn, wie dies die Beklagten verstehen, nicht die Rede sein.

Bei der gegebenen Sachlage habe die Frage nach dem Verdienstentgang des Klägers in logisch einwandfreier Weise praktisch nur dadurch ermittelt werden können, daß der G ad der Minderung seiner Arbeitsfähigkeit zu dem im Durchschnitt erzielbaren Arbeitseinkommen (unter Berücksichtigung der im Unternehmen des Klägers anfallenden Aufwendungen - getrennt nach variablen und fixen Kosten -, sowie der durch den Ausfall an Arbeitskraft ersparten Eigenkosten) in Beziehung gesetzt wurde. Das Sachverständigengutachten habe diese Berechnungsmethode angewendet und, aufbauend auf dem unbezweifelbaren Befund, in rechnerisch einwandfreier Weise ein Ergebnis ermittelt, welches das Erstgericht mit Recht seiner Entscheidung zugrundegelegt habe. Es sei daher festzustellen gewesen, wieviel der Kläger bei gleichem Einsatz und gleicher Auslastung verdienen hätte können, wenn er den Unfall nicht erlitten hätte. Dies sei unter Zuhilfenahme eines gerichtlichen Sachverständigen in einwandfreier Weise erfolgt.

Gegen die Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz richtet sich die Revision der Beklagten aus dem Anfechtungsgrund des § 503 Abs 1 Z 4 ZPO mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, daß das Klagebegehren abgewiesen werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Kläger beantragt in der Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Wie schon im Berufungsverfahren wenden sich die Beklagten dagegen, daß die Vorinstanzen die oben dargestellte Einkommenseinbuße des Klägers feststellten. Der Kläger habe überhaupt keinen Verdienstentgang gehabt.

Schon das Berufungsgericht führte jedoch zutreffend aus, daß bei Beurteilung der Frage, ob ein Geschädigter einen Verdienstentgang im Sinne des § 1325 ABGB hatte, darauf Bedacht zu nehmen ist, welchen Verdienst der Geschädigte ohne Unfall bei gewöhnlichem Verlauf der Dinge voraussichtlich erzielt hätte (ZVR 1979/232; SZ 52/77; 8 Ob 197/79; 8 Ob 267/80; 8 Ob 139,188/81 ua). Welches Einkommen der Geschädigte bei Ausnützung seiner Erwerbsfähigkeit ohne die Unfallsfolgen erzielt hätte, kann nur aufgrund hypothetischer Feststellungen über einen nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge zu erwartenden Geschehensablauf beurteilt werden. Derartige Feststellungen betreffen aber trotz ihres hypothetischen Charakters ausschließlich den Tatsachenbereich (SZ 25/280; SZ 26/155; 8 Ob 248/80; 8 Ob 67/81; 2 Ob 275/82; 1 Ob 560/83 ua) und können daher im Revisionsverfahren nicht mit Erfolg bekämpft werden, es sei denn, sie beruhten auf Schlußfolgerungen, die mit den Denkgesetzen unvereinbar wären, in welchem Fall sie mit der Rechtsrüge angefochten werden könnten (RZ 1967, 105; 8 Ob 38/81; 8 Ob 183/81; 8 Ob 68/82; 8 Ob 116/83 uva).

Es wurde ausdrücklich festgestellt, daß der Kläger - wenn er nicht wegen der Unfallsfolgen in seiner Erwerbsfähigkeit ganz behindert bzw. nach Maßgabe seiner gesundheitlichen Wiederherstellung teilweise eingeschränkt gewesen wäre - über die erledigten Aufträge hinaus weitere bekommen hätte und auch übernehmen hätte können; diese hätten ihm den von den Vorinstanzen auf der Grundlage des Sachverständigen-Gutachtens ausgerechneten Verdienstentgang gebracht. Zutreffend gelangten die Untergerichte zur Ansicht, daß der Kläger damit sein Begehren auf Ersatz seines Verdienstentganges gemäß § 1325 ABGB einwandfrei begründet und auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen eindeutig nachgewiesen hat. Die gegenteilige Argumentation der Beklagten ist nicht stichhältig.

Soweit die Beklagten den bereits im Berufungsverfahren widerlegten Standpunkt wiederholen, daß der Kläger auch ohne Unfall keine Umsatzsteigerung erzielen hätte können, weil seine Kapazitäten ohnedies voll ausgelastet waren, übersehen sie die weiteren Feststellungen der Vorinstanzen, wonach seine Kapazität wegen der Unfallsfolgen zwar eine Zeit lang voll ausgelastet war, er aber ohne den Unfall weitere Kapazitäten frei gehabt hätte, um diese für zusätzliche Aufträge und damit für einen höheren Verdienst auszunützen. Die diese Umstände negierenden Ausführungen der Beklagten bringen die Revision insoweit nicht zur gesetzmäßigen Darstellung.

Ihrer Revision war somit der Erfolg zu versagen.

Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.