JudikaturJustiz8Ob77/04p

8Ob77/04p – OGH Entscheidung

Entscheidung
08. September 2005

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofes Dr. Langer als Vorsitzende, den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Rohrer und den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Kuras sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Lovrek und Dr. Glawischnig als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R***** GmbH i.L., ***** vertreten durch Dr. Erich Puchmayr, Rechtsanwalt in Linz, wider die beklagte Partei Johann W*****, vertreten durch Dr. Heinz Buchmayr und Dr. Johannes Buchmayr, Rechtsanwälte in Linz, wegen EUR 255.081,65 sA, infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom 12. Mai 2004, GZ 1 R 7/04m 90, womit infolge Berufungen beider Parteien das Urteil des Landesgerichtes Linz vom 1. September 2003, GZ 5 Cg 22/97y 80, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision der beklagten Partei wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 2.000,52 (darin EUR 333,42 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Am 20. 5. 1995 stellte die Klägerin dem Beklagten als Bezogenem einen von diesem angenommenen Wechsel über eine Wechselsumme von ATS 520.000 mit der unbedingten Anweisung aus, die Wechselsumme am 16. 6. 1995 an die eigene Order zu bezahlen. Am 13. 6. 1995 stellte die Klägerin dem Beklagten als Bezogenem einen von diesem angenommenen Blankowechsel aus, welcher später von der Klägerin über eine Wechselsumme von ATS 2,990.000 mit der Zahlungsanweisung komplettiert wurde, am 27. 1. 1997 die Wechselsumme an eigene Order zu bezahlen. Mangels Zahlung wurde von der Klägerin jeweils notariell beurkundeter Protest erhoben.

Mit der am 7. 2. 1997 beim Erstgericht eingebrachten Wechselmandatsklage beantragte die Klägerin unter Vorlage der zur Zahlung präsentierten, aber nicht eingelösten Originalwechsel die Erlassung eines Wechselzahlungsauftrages, mit dem dem Beklagten aufgetragen werde, an die Klägerin ATS 520.000 sA und ATS 2,990.000 sA zu bezahlen. Das Erstgericht erließ am 10. 2. 1997 den Wechselzahlungsauftrag antragsgemäß.

Der Beklagte erhob fristgerecht Einwendungen, in denen er im Wesentlichen ausführte, die Wechselverbindlichkeit über ATS 520.000 sei infolge Zahlung erloschen und der am 13. 6. 1995 ausgestellte Blankowechsel sei vertragswidrig vervollständigt worden.

Die Klägerin erwiderte, Zahlung nicht erhalten zu haben, sowie dass die Gesamtverbindlichkeit des Beklagten ATS 4,086.002,38 betrage und mit dem Blankowechsel somit ohnedies nur ein Teilbetrag geltend gemacht werde.

Nach Durchführung eines umfangreichen Beweisverfahrens hielt das Erstgericht im zweiten Rechtsgang am 4. 9. 2001 in einem Amtsvermerk fest, dass der Rechtsstreit gemäß § 160 Abs 1 ZPO unterbrochen sei, weil dem damaligen Beklagtenvertreter mit Beschluss des Disziplinarrates vom 14. 5. 2001 die Ausübung der Rechtsanwaltschaft vorläufig untersagt worden sei (ON 53). Mit Schreiben der zuständigen Geschäftsabteilung des Erstgerichtes vom 10. 9. 2001 wurden dem Klagevertreter die vorgelegten Beilagen zurückgesandt, „da der Akt bereits erledigt ist" (Beilage ./Z). Aufgrund Antrages der Klägerin vom 27. 3. 2002 (ON 54) trug das Gericht dem Beklagten mit Beschluss vom 5. 4. 2002 auf, binnen vier Wochen einen anderen Rechtsanwalt mit seiner Vertretung zu betrauen und dies dem Gericht anzuzeigen (ON 55). Am 13. 5. 2002 gab der Beklagte die Bevollmächtigung seiner nunmehrigen Vertreter bekannt und erhob gleichzeitig die Einrede der Verjährung, weil das Verfahren nicht gehörig fortgesetzt worden sei (ON 56).

In der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung am 29. 8. 2002 legte der Klagevertreter über Aufforderung des Gerichts die zurückgestellten Urkunden jedoch ohne die beiden Originalwechsel wieder vor. Er erklärte, die beiden Wechsel seien ihm nicht zurückgestellt worden und gab Kopien derselben zum Akt (ON 60). Gleichzeitig mit dem Widerruf eines in der Tagsatzung geschlossenen Vergleichs verwies der Beklagte darauf, dass nach den Bestimmungen des Wechselgesetzes nur der Inhaber des Wechsels forderungsberechtigt sei (ON 61). Eingangs der folgenden Tagsatzung wurde neuerlich der Verbleib der Wechsel erörtert und gab der Klagevertreter an, dass Nachforschungen in der Kanzlei ergeben haben, dass keinem Mitarbeiter die Rücksendung der Wechsel erinnerlich sei. Bei einer am 28. 2. 2001 durchgeführten Akteneinsicht seien sämtliche im Gerichtsakt erliegende Urkunden fotokopiert worden. Darunter auch die zu diesem Zeitpunkt noch im Akt befindlichen Wechsel. Der Klagevertreter erklärte nunmehr, seine Forderung eventualiter auch auf die jeweiligen Grundgeschäfte zu stützen. Gegen die Zulassung dieser Klageänderung sprach sich der Beklagtenvertreter aus.

Das Erstgericht hielt den Wechselzahlungsauftrag hinsichtlich der Wechselverbindlichkeiten von EUR 37.789,87 und von EUR 89.547,01 je sA aufrecht und hob ihn darüber hinaus auf. Es erkannte den Beklagten schuldig, der Klägerin die genannten Beträge binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen. Es traf umfangreiche Feststellungen zu den den beiden Wechselbegebungen zugrunde liegenden Sachverhalten und würdigte diese rechtlich. Zu der im Revisionsverfahren allein strittigen Frage des Verlustes der beiden Wechselurkunden führte es aus, die Tatsache, dass die Klägerin in dem über die Einwendungen anhängigen Prozess nach Verfahrensfortsetzung nicht mehr in der Lage gewesen sei, die Originalwechsel vorzulegen, sei unerheblich, weil urkundliche Einwendungen nicht erhoben worden seien. In Anbetracht der Abstraktheit der Wechselverbindlichkeit sei der Kläger nur genötigt, den nach Form und Inhalt unbedenklichen Wechsel vorzulegen, was im Wechselmandatsverfahren geschehen sei.

Das Gericht zweiter Instanz gab mit dem angefochtenen Urteil den dagegen erhobenen Berufungen beider Parteien nicht Folge und sprach aus, dass die ordentliche Revision jeweils nicht zulässig sei. Zu der im Revisionsverfahren allein strittigen Frage, ob der Zuspruch der Wechselschuld an die Klägerin erfolgen könne, obwohl diese nicht mehr Wechselinhaberin sei, führte es aus, dass davon auszugehen sei, es haben die Voraussetzungen für die Erlassung des Wechselzahlungsauftrages im Sinn des § 557 ZPO, also auch Gültigkeit und Echtheit der Wechsel, vorgelegen. Der Wechselzahlungsauftrag trete nicht schon durch die Erhebung von Einwendungen außer Kraft, sondern es sei gemäß § 553 ZPO erst im Urteil auszusprechen, inwieweit dieser aufgehoben oder aufrecht erhalten werde. Eingewendete Umstände, die erst nach Erlassung des Wechselzahlungsauftrages eingetreten seien und überdies nicht gegen das Vorhandensein der seinerzeitigen Voraussetzungen sprechen, seien daher nicht relevant. Allein der Verlust der Wechsel während des Verfahrens bewirke noch nicht die Aufhebung des schon vorher erlassenen Wechselzahlungsauftrages. Der Verlust des Wechsels, aufgrund dessen der Wechselzahlungsauftrag erlassen worden sei, während des über die Einwendungen anhängigen Prozesses sei unerheblich und deshalb das Verfahren zur Kraftloserklärung nicht einzuleiten.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen erhobene Revision des Beklagten, die ausschließlich die Frage des Fortbestandes der Legitimation der Klägerin trotz Verlustes der Originalwechsel behandelt, ist zulässig, weil dazu in Wahrheit - wie darzustellen sein wird - keine Rechtsprechung existiert. Es kommt ihr allerdings keine Berechtigung zu.

Beide Vorinstanzen haben sich als im Wesentlichen einzige Belegstelle auf den in Pimmer, Wechselgesetz und Scheckgesetz9, zu Art 90 WG unter E 7. abgedruckten Rechtssatz berufen, wonach der Verlust des Wechsels aufgrund dessen Zahlungsauftrag erlassen worden war, während des über die Einwendungen anhängigen Prozesses unerheblich und die Amortisation daher nicht einzuleiten sei. Dem zugrunde liegenden in JBl 1899, 314 im Volltext veröffentlichten Urteil des Obersten Gerichtshofs vom 15. 3. 1899 ist im Wesentlichen zu entnehmen, dass das k.k. Kreisgericht in Teschen aufgrund des vorgelegten Originalwechsels am 9. 7. 1897 den Zahlungsauftrag erlassen hat. In den Einwendungen haben die „Belangten" die Echtheit des Wechsels und die Annahme desselben nicht bestritten, sondern lediglich in der Sache selbst vorgetragen. Weitere Einwendungen seien nicht erhoben und hätten auch - wie der Oberste Gerichtshof weiters ausführte - nachträglich mit Rücksicht auf die klare Bestimmung des § 7 der Verordnung vom 25. 1. 1850 nicht mit Erfolg erhoben werden können. Bei dieser Sachlage sei nur zu entscheiden gewesen, ob die rechtzeitig erhobenen Einwendungen begründet seien oder nicht, der Zahlungsauftrag mit Recht erlassen worden sei oder nicht. „Tathsachen", welche von den „Belangten" in der Verhandlung in erster Instanz gar nicht geltend gemacht, sondern erst in der „Appellationsbeschwerde", daher verspätet und als Neuerungen an sich in unzulänglicher Weise vorgebracht worden seien, seien nicht zu beachten und der Entscheidung nicht zugrunde zu legen. Übrigens berechtige der Umstand allein, dass der Kläger den Originalwechsel am Schluss der Verhandlung nicht auffinden und demzufolge dem „Actenverzeichnisse" nicht habe beilegen können, noch nicht zur Annahme, dass ihm dieser Wechsel in der „Tath" abhanden gekommen sei.

Der zitierten Entscheidung ist somit lediglich zu entnehmen, dass das erst im Rechtsmittel an die zweite Instanz erstattete Vorbringen über den Verlust der Wechselinnehabung einerseits der Eventualmaxime und andererseits dem Neuerungsverbot widerstreite und daher unzulässig sei. Den in der bereits zitierten Gesetzesausgabe wiedergegebenen Rechtssatz trägt dieses Erkenntnis nicht.

Das Wechselmandatsverfahren ist in der Zivilprozessordnung als besondere Verfahrensart vorgesehen, durch die eine zweckmäßigere und ökonomischere Rechtsdurchsetzung ermöglicht werden soll. Voraussetzung für die Einleitung des Wechselmandatsverfahrens ist zunächst das Vorliegen der allgemeinen Prozessvoraussetzungen bzw das Fehlen eines Prozesshindernisses, darüber hinaus aber auch das Vorliegen eines in Urschrift vorgelegten Wechsels, der alle Erfordernisse der Gültigkeit besitzt und gegen dessen Echtheit keine Bedenken bestehen. Nach Lehre und Rechtsprechung hat das Gericht bei Erlassung des Wechselzahlungsauftrages erst und letztmalig amtswegig die besonderen Prozessvoraussetzungen für das Mandatsverfahren zu prüfen. Wird ein Zahlungsauftrag unter Außerachtlassung dieser Voraussetzungen erlassen, etwa trotz Fehlens eines wesentlichen Wechselbestandteils oder trotz Ungültigkeit der Wechselerklärung wegen einer beigesetzten Bedingung, dann kann dieser Verstoß nur wahrgenommen werden, wenn er in den Einwendungen ausdrücklich gerügt wird. Nur im gewöhnlichen Wechselprozess ist auch ohne dahin abzielenden Antrag des Beklagten zu prüfen, ob der vorgelegte Wechsel sämtliche Gültigkeitserfordernisse des § 1 WG aufweist. Im Wechselmandatsprozess ist hingegen der Prozess über die erhobenen Einwendungen, die den Prozessgegenstand umreißen, abzuführen. Durch § 36 Z 15 KSchG wurde die Eventualmaxime im Wechselverfahren abgeschafft. Dem Beklagten steht es daher nunmehr frei, seine Einwendungen bis zum Schluss der mündlichen Streitverhandlung zu ändern oder zu ergänzen (SZ 55/164; RIS Justiz RS0044762; RS0044698).

Entgegen der offenbar von den Vorinstanzen vertretenen Ansicht ist daher dem Beklagten die Einrede, der Klägerin sei im Zuge des aufgrund der gegen den Wechselzahlungsauftrag erhobenen Einwendungen geführten Verfahrens die Innehabung der Wechsel verloren gegangen, keineswegs abgeschnitten, weil die Besonderheit des Wechselmandatsverfahrens lediglich darin besteht, dass auf diesen Umstand von Amts wegen nicht mehr hätte Bedacht genommen werden können.

Es ist in Lehre und Rechtsprechung unstrittig, dass die Existenz des im Wechsel verbrieften Rechts nicht von derjenigen des Papiers abhängt. Geht das Papier verloren, ist damit nicht auch zugleich das Recht untergegangen (Roth, Grundriss des österreichischen Wertpapierrechts², 13). Doch ist die Vorlage des Papiers zur Geltendmachung des Rechts erforderlich, d.h. der Schuldner braucht nur an den Inhaber des Papiers zu leisten und er kann alle Gläubiger abweisen, die das Papier nicht vorlegen können. Das Papier gibt dem Schuldner die zusätzliche Sicherheit, an den Richtigen zu zahlen (Roth aaO 8). Jacobi („Wechsel und Scheckrecht") führt auf Seite 149 f zu der hier interessierenden Frage aus, die Vorlegung des Wechsels müsse bei der Zahlung geschehen, damit der Schuldner bei dieser gesichert sei. Die Forderung bestehe auch ohne Vorlegung, sie könne daher ohne Vorlegung eingeklagt werden. Allerdings müsse der Gläubiger aus Wertpapieren bei der Einklagung, wie bei jeder Geltendmachung des Rechts, das Papier wenigstens besitzen, weil er auf Anfordern in der Lage sein müsse, sich bei der Vollstreckung durch Vorlegung des Papiers zu legitimieren. Dem Schuldner könne nicht ein Prozess zugemutet werden, der trotz seiner Verurteilung zu keinem Ergebnis für den das Papier entbehrenden Gläubiger führe, sodass, wenn auch nicht die Vorlegung, so doch der Besitz des Papiers, Bedingung für jede Rechtsausübung, auch im Prozess, sei. Der Mangel des Besitzes könne jederzeit gerügt werden. Auch wenn der Kläger es bei Klageerhebung besessen gehabt habe, bei der Rüge des Beklagten aber nicht mehr besitze, fehle ihm die nötige Aktivlegitimation. Werde der Besitz des Klägers nicht bestritten, so bedürfe es zur Verurteilung des Wechselschuldners keiner Vorlegung, anderenfalls müsse sich der Gläubiger im Prozess durch Vorlegung legitimieren. In diesem Sinne argumentieren auch Baumbach/Hefermehl („Wechselgesetz und Scheckgesetz²²", 318), wenn sie darlegen, der Wechselgläubiger, der den Wechsel nicht aushändigen könne, könne auch nicht im Wege der Klage Zahlung verlangen. Sein Gläubigerrecht bestehe, sei aber nicht durchsetzbar.

Diesen Lehrmeinungen folgend sprach der erkennende Senat in seinem, offenbar einen „gewöhnlichen" Wechselprozess betreffenden Erkenntnis 8 Ob 17/88 aus, der Wechselgläubiger müsse, wenn er Zahlung beanspruche, im Besitz des Wechsels sein und bis zur Urteilsfällung imstande bleiben, den Wechsel vorzulegen. Der Gläubiger habe im Falle der Bestreitung seines Besitzes die anspruchsbegründende Tatsache im Prozess durch Vorlage des Wechsels zu beweisen (in diesem Sinne auch RIS Justiz RS0032811). In seinem Erkenntnis 8 Ob 22/93 erachtete der erkennende Senat einen vom Berufungsgericht erteilten Auftrag, das Erstgericht habe die Klägerin in Wahrnehmung des § 182 iVm § 84 Abs 2 ZPO darauf hinzuweisen, dass im „gewöhnlichen" Wechselprozess auch ohne einen dahin abzielenden Antrag die Vorlage des Originalwechsels erforderlich sei, als entbehrlich und begründete dies damit, dass der Wechsel als echt und richtig anerkannt worden sei. Die Beklagten haben nur mangelnde persönliche Verpflichtung eingewendet und genüge die Vorlage einer Ablichtung des Wechsels nur dann nicht, wenn dessen Echtheit bestritten, Fälschung oder Verfälschung behauptet oder Weitergabe des Wechsels eingewendet werde, sodass die Beklagten Gefahr liefen, aus dem Originalwechsel nochmals in Anspruch genommen zu werden. All dies liege hier nicht vor. Es ist in diesem Zusammenhang klarzustellen, dass die zuletzt zitierte Entscheidung kein erkennbares Abweichen von der vorherigen darstellt, sondern lediglich wie auch die bereits zitierten Literaturstellen zum Ausdruck bringt, die Pflicht zur Vorlage des Originalwechsels werde im Wechselprozess ohne Mandatsverfahren nur aufgrund entsprechender Einwendung des Beklagten ausgelöst.

Der Entscheidung 8 Ob 33/94 lag der Fall zugrunde, dass die Klägerin den ihre Forderung verbriefenden Wechsel irrtümlich an die beklagte Schuldnerin zurückgestellt und diese das Papier vernichtet hatte. Der erkennende Senat verwies eingangs darauf, dass der Bezogene gemäß Art 39 Abs 1 WG grundsätzlich nur gegen Aushändigung des quittierten Wechsels bezahlen müsse. Daraus folge umgekehrt, dass der die Zahlung beanspruchende Gläubiger grundsätzlich im Besitz des Wechsels sein und bis zur Erlassung des Urteiles imstande bleiben müsse, den Wechsel vorzulegen. Sei der Wechsel abhanden gekommen oder vernichtet worden, könne der Wechselgläubiger daher grundsätzlich nicht Zahlung verlangen; ihm sei nur mittels Kraftloserklärung des Papiers zu helfen. Der Kraftloserklärungsbeschluss trete an Stelle des Wechsels. Der Schuldner könne und müsse nun bezahlen, weil er nicht mehr der Gefahr ausgesetzt sei, gegen Vorlage des noch vorhandenen Wechsels ein zweites Mal zahlen zu müssen. Sei aber, wie hier, der Wechsel mit Willen des klagenden Gläubigers in die Hände des beklagten Schuldners gelangt und von diesem absichtlich vernichtet worden, könne der Kläger nicht auf das Kraftloserklärungsverfahren verwiesen werden. In einem solchen Fall bedürfe der Bezogene auch nicht des Schutzes vor einer nochmaligen Inanspruchnahme. Der Wechselgläubiger könne daher auch ohne Vorlage des Wechsels Zahlung begehren. Durch den Verlust oder die Vernichtung des Wechsels gehe nämlich dem Gläubiger nur das Beweismittel verloren, es werde aber nicht auch das ihm aus dem Wechsel zustehende Recht vernichtet. Brauche der Wechselschuldner nicht zu befürchten, dass er nochmals von einem gutgläubigen Erwerber des Wechsels in Anspruch genommen werde, bleibe dem Wechselgläubiger sein Recht aus dem Wechsel erhalten und er könne dieses auf andere Art und Weise als durch Vorlage der Wechselurkunde nachweisen.

Gemäß Art 90 WG gilt für das Verfahren zur Kraftloserklärung von Wechseln das Kraftloserklärungsgesetz 1951 (KEG), soweit nicht im Folgenden etwas anderes bestimmt wird. Gemäß § 1 Abs 1 KEG können abhanden gekommene oder vernichtete Urkunden für kraftlos erklärt werden. Gemäß § 3 Abs 1 KEG kann derjenige, der aus dem Wechsel berechtigt ist oder ein rechtliches Interesse an der Amortisation hat, beim zuständigen Gericht einen Antrag auf Kraftloserklärung des vernichteten oder abhanden gekommenen Wechsels stellen. Auch die Unkenntnis des Antragstellers, in wessen Händen sich der Wechsel befindet, ist dessen Verlust gleichzuhalten und berechtigt zur Einleitung des Kraftloserklärungsverfahrens (1 Ob 25/97a). Der Beschluss auf Kraftloserklärung beseitigt die Rechtsgeltung der betroffenen Urkunde (soweit sie noch existiert), auch ein gutgläubiger Rechtserwerb ist durch sie jetzt nicht mehr möglich. Gleichzeitig verleiht er dem Berechtigten dieselbe Rechtsstellung wie bei Innehabung des Papiers, auch kann dieser nun die Ausfertigung einer neuen Urkunde verlangen (§ 13 KEG). Der Inhaber der amortisierten Urkunde verliert sein Recht, selbst wenn er die Urkunde gutgläubig erworben hat (Roth aaO 13; 8 Ob 108/97h = WBl 1997, 351).

Der Beklagte hat im Verfahren ausschließlich den Fortbestand der Legitimation der Klägerin bestritten, nicht jedoch, dass diese durch Kraftloserklärung jederzeit ihre ursprüngliche Rechtsstellung wieder erlangen könnte. Es kann daher mangels entgegenstehender Anhaltspunkte ohne weiteres davon ausgegangen, dass die Klägerin ein Kraftloserklärungsverfahren erfolgreich führen könnte, sodass der Einwand Jacobis (aaO 115) dem Schuldner könne nicht ein Prozess zugemutet werden, der trotz seiner Verurteilung zu keinem Ergebnis für den das Papier entbehrenden Gläubiger führe, hier nicht durchzuschlagen vermag. Auch ist zu bedenken, dass gemäß Art 20 Abs 1 WG ein Indossament nach Erhebung des Protestes mangels Zahlung grundsätzlich nur die Wirkung einer gewöhnlichen Abtretung haben könnte, sodass die in 8 Ob 33/94 als wesentliches Kriterium für die Schutzbedürftigkeit des Schuldners betonte Gefahr der Inanspruchnahme durch einen gutgläubigen Erwerber im Sinn des Art 16 WG nicht mehr besteht.

Gemäß Art 39 Abs 1 WG kann der Bezogene vom Inhaber gegen Zahlung die Aushändigung des quittierten Wechsels verlangen. Gemäß Abs 3 kann er im Fall der Teilzahlung begehren, dass diese auf dem Wechsel vermerkt und ihm eine Quittung erteilt werde. Es ist daher der Schuldner zur Vollzahlung nur gegen Aushändigung des Wechsels verpflichtet. Die Klausel „gegen Aushändigung des quittierten Wechsels" braucht nicht von Amts wegen in ein Zahlungsurteil aufgenommen zu werden. Enthält das Zahlungsurteil die Klausel nicht ausdrücklich, so ist es doch in diesem Sinn auszulegen (Baumbach/Hefermehl aaO, 319; Jacobi aaO, 154). Ist aus dem Urteil wie hier ersichtlich ist, dass eine Wechselschuld zugesprochen wurde, liegt daher ein Fall des § 8 EO, nämlich der Bewilligung der Exekution wegen eines Anspruches, den der Verpflichtet nur gegen eine ihm Zug um Zug zu gewährende Gegenleistung zu erfüllen hat, vor. Macht der Verpflichtete die Zahlung von der Ausfolgung des Wechsels abhängig, hat ihm das Vollstreckungsorgan die ihm vom betreibenden Gläubiger eingehändigte Schuldurkunde auszuliefern (§ 25 Abs 2 EO). Ist der Wechsel in der Zwischenzeit für kraftlos erklärt worden, tritt an seine Stelle der Beschluss über die Kraftloserklärung (Jakusch in Angst EO § 8 Rz 15).

Der Verlust des Wechsels während des Prozesses hindert somit die Urteilsfällung dann nicht, wenn wie hier weder behauptet noch ersichtlich ist, der Kläger könnte Kraftloserklärung des Wertpapiers nicht erlangen. Ebenso wie bei einer sonst Zug um Zug zu erbringenden Leistung muss der Kläger die Kraftloserklärung nicht vor Urteilsfällung erwirken, sondern reicht es aus, wenn er den Kraftloserklärungsbeschluss dem Verpflichteten auf dessen Verlangen hin bei Vollzahlung durch das Vollstreckungsorgan aushändigen lässt.

Da die Vorinstanzen somit im Ergebnis zu Recht meritorisch über den Wechselzahlungsauftrag entschieden haben, ist der Revision ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet auf §§ 50, 41 ZPO.

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