JudikaturJustiz8Ob657/88

8Ob657/88 – OGH Entscheidung

Entscheidung
27. Oktober 1988

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr. Griehsler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kropfitsch, Dr. Huber, Dr. Schwarz und Dr. Graf als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach Rupert M***, verstorben am 30. Dezember 1986, infolge der Rekurse der Christine M***, Hotelbesitzerin in St. Johann i.T., der Herma M***, Angestellte, Schubertstraße 10, Innsbruck, des Arnold M***, Pensionist, Barwies Nr. 291, alle vertreten durch Dr. Hermann Graus, Rechtsanwalt in Innsbruck, sowie der Mathilde K***, Wildermieming 49, vertreten durch Dr. Josef Heis, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck als Rekursgerichtes vom 5. August 1988, GZ 3 b R 108/88- 10, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Telfs vom 10. Mai 1988, GZ A 9/87-5, teilweise abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Die Rekurse der Mathilde K*** und des Arnold M*** werden zurückgewiesen.

Den Rekursen der Christine M*** und der Herma M*** wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Der am 30. Dezember 1986 verstorbene Rupert M*** hinterließ ein Testament vom 10. Jänner 1962, in welchem er seine Geschwister Johann, Arnold und Mathilde M***, nunmehr verehelichte K***, zu je 1/3 seines Nachlasses zu Erben einsetzte. Johann M*** ist vorverstorben. Er hinterließ die beiden Töchter Christine und Herma M***. Am 6. September 1962 wurde dem Erblasser der außereheliche Sohn Christian H*** geboren.

Mit seinem Beschluß ON 5 hat das Erstgericht die von Christian H*** aus dem Titel des Gesetzes zum gesamten Nachlaß bedingt abgegebene Erbserklärung und die aus dem Titel des Testamentes von Mathilde K*** und Arnold M*** zu je 1/3 sowie von Christine M*** und Herma M*** zu je 1/6 bedingt abgegebenen Erbserklärungen zu Gericht angenommen. Dem Christian H*** wies es im Hinblick auf diese widersprechenden Erbserklärungen die Klägerrolle im Erbrechtsstreit zu.

Gegen den erstgerichtlichen Beschluß erhob Christian H*** Rekurs mit dem Antrage, die Erbserklärungen der Christine M*** und der Herma M*** zurückzuweisen und der Mathilde K*** und dem Arnold M*** die Klägerrolle zuzuteilen.

Mit dem angefochtenen Beschluß wies das Rekursgericht auf Grund der zulässigerweise (SZ 21/49, SZ 47/65; NZ 1981, 105) erfolgten Anfechtung die Erbserklärungen der Christine M*** und der Herma M*** zurück und gab dem Rekurs im übrigen nicht Folge.

Gegen den abändernden Teil der rekursgerichtlichen Entscheidung wenden sich die Rekurse der Mathilde K*** und des Arnold M*** sowie der Christine M*** und der Herma M*** mit dem sinngemäßen Antrag auf Wiederherstellung des erstgerichtlichen Beschlusses oder Aufhebung der angefochtenen Entscheidung.

Die Rekurse der Mathilde K*** und des Arnold M*** sind unzulässig, die Rekurse der Christine und der Herma M*** nicht gerechtfertigt. Die Rekurswerber Mathilde K*** und Arnold M*** wenden sich gegen die Zurückweisung der Erbserklärungen der Christine und der Herma M***. Ihre rechtlichen Interessen werden durch diese Zurückweisung jedoch nicht berührt, sodaß ihnen das Rechtsschutzinteresse an der Bekämpfung der rekursgerichtlichen Entscheidung fehlt. Beide Rechtsmittelwerber haben vor dem Verlassenschaftsgericht ausdrücklich auf das Testament gegründete Erbserklärungen zu je 1/3 des Nachlasses abgegeben. Hinsichtlich des von ihnen nicht beanspruchten Drittels des Nachlasses konkurrieren lediglich die Erbrechtsansprüche der Christine M*** und der Herma M*** mit jenem des Christian H***. Wer von diesen Erbansprechern zum Zuge kommt, ist für die beiden Geschwister des Erblassers rechtlich ohne Belang. Mathilde K*** und Arnold M***

erklären in ihrem Rekurs auch selbst, daß sie sich lediglich durch die in der rekursgerichtlichen Entscheidungsbegründung bei Behandlung des gesetzlichen Erbrechtes erfolgte Verneinung der Möglichkeit einer Akkreszenz des Erbteiles des vorverstorbenen Bruders Johann zu ihren Erbanteilen beschwert erachten. Dabei übersehen sie jedoch, daß es zu einem solchen von ihnen angestrebten Anwachsen ihrer Erbteile überhaupt nur bei Verneinung des auf das Testament gestützten Erbrechtes der Christine und der Herma M*** kommen kann. Durch die Zurückweisung der Erbserklärungen dieser beiden Erbansprecherinnen sind Mathilde K*** und Arnold M*** somit nicht beschwert.

Die Rekurswerberinnen Christine M*** und Herma M*** erklären in ihrem Rechtsmittel selbst, daß im Rahmen der testamentarischen Erbfolge ein Repräsentationsrecht grundsätzlich nicht stattfindet. Sie verweisen darauf, daß die Sonderbestimmung des § 779 ABGB, wonach dann, wenn ein Kind vor dem Erblasser stirbt und Abstämmlinge hinterläßt, diese mit Stillschweigen übergangenen Abstämmlinge in Ansehung des Erbrechtes an die Stelle des Kindes treten, zwar nicht auf sie als Nichten des Erblassers anwendbar sei, vermeinen jedoch, daß im Hinblick darauf, daß "die Sachverhalte nur geringfügig und zwar nur in einem Verwandtschaftsgrad voneinander abweichen, eine analoge Anwendung dieser Bestimmung auf sie angezeigt" erscheine. Aus diesem Grund könne eine Einantwortung zufolge der von ihnen abgegebenen Erbserklärungen auch nicht von vornherein mit Sicherheit ausgeschlossen werden.

Rechtliche Beurteilung

Dieser Rechtsansicht ist zu entgegnen, daß die Bestimmung des § 779 ABGB eine erbrechtliche Sonderregelung für die Deszendenz des Erblassers (Koziol-Welser, Grundriß8 II 321) darstellt, die nach ihrem klaren Wortlaut und offenkundigem, aus dem Zusammenhang mit den übrigen erbrechtlichen Bestimmungen des ABGB hervorgehenden Zweck keine analoge Anwendung auf andere Tatbestände zuläßt. Für die von den Rekurswerbern erwogene Annahme einer planwidrigen, durch Gesetzesanalogie auszufüllenden Gesetzeslücke besteht daher kein Raum (vgl. Koziol-Welser8 I 24, 26). Demgemäß können aber die Kinder eines vorverstorbenen Bruders des Erblassers bei der testamentarischen Erbfolge keinesfalls als dessen Repräsentanten gelten.

Somit fehlt diesen beiden Rechtsmittelwerbern ein testamentarischer Erbrechtstitel. Ihre ausdrücklich auf das Testament gegründeten Erbserklärungen können daher keinesfalls zu einer Einantwortung führen. Im Sinne der diesbezüglichen Rechtsprechung (6 Ob 246/68, 7 Ob 720/79, 6 Ob 502/80, 2 Ob 655/86

ua) hat das Rekursgericht demnach ihre Erbserklärungen zu Recht zurückgewiesen.

Ihrem Rekurs war somit ein Erfolg zu versagen.