JudikaturJustiz8Ob590/91

8Ob590/91 – OGH Entscheidung

Entscheidung
10. Dezember 1992

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr.Griehsler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Huber, Dr.Graf, Dr.Jelinek und Dr.Schinko als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Karl O*****, vertreten durch Dr.Peter Wilhelm und Dr.Christoph Brenner, Rechtsanwälte in Krems, wider die beklagte Partei Josef H*****, vertreten durch Dr.Harald A. Schmidt, Rechtsanwalt in Wien, wegen restlicher S 101.778,-- sA infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 7.Mai 1991, GZ 4 R 6/91-40, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Zwischenurteil des Kreisgerichtes Wels vom 23.Oktober 1990, GZ 8 Cg 17/89-34, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Der Antrag des Klägers auf Zuspruch von Kosten für seine Revisionsbeantwortung wird abgewiesen.

Text

Begründung:

Der Kläger, ein Angestellter und Hobby-Hundezüchter, wollte zu Zuchtzwecken eine große Dogge kaufen. Er wandte sich zu diesem Zweck an den beklagten Hundezüchter, der zwei weibliche Welpen im Alter von ca 8 Monaten anzubieten hatte, und erklärte ihm, daß er einen sehr großen Hund haben will und zur Zucht verwenden möchte. Der Beklagte zeigte ihm hierauf die Mutterhündin des zum Verkauf in Aussicht genommenen Welpen "Wally von der Birkenheide" und versicherte, daß dieser Welpe zumindest die Größe der den Größenvorstellungen des Klägers entsprechenden Mutterhündin erreichen werde. Zu der vom Kläger an dem Welpen bemerkten Entzündung eines Auges meinte der Beklagte, es handle sich um eine leichte Augenentzündung, die nach einigen Tagen Behandlung mit Augentropfen weg sein werde. Die Parteien einigten sich auf den vom Beklagten geforterten Kaufpreis von S 13.000,-- und am 6.4.1988 übernahm der Kläger den Hund gegen Barzahlung.

Trotz mehrmaliger Behandlung mit Augentropfen blieb das Augenleiden des Hundes bestehen und am 25.9.1988 stellte der vom Kläger konsultierte Tierarzt, der dem Hund schon vorher drei wachstumsfördernde Injektionen verabreicht hatte, als Ursache für das Augenleiden das Bestehen eines Roll-Lides an beiden Augen des Tieres fest: bei diesem Leiden wachsen die Wimpern des Lides in den Augapfel, so daß es zu einer Augenentzündung kommt. Der Tierarzt empfahl die operative Behebung des Leidens. Doggen mit einem derartigen Leiden dürfen nicht zu Zuchtzwecken verwendet werden, weil es sich dabei um eine Erbkrankheit handelt.

Vermutlich im November 1988 wandte sich der Kläger mit dem Hinweis auf das Leiden des Hundes und den der Zusage nicht entsprechenden Wuchs des Tieres an den Beklagten und wollte die Aufhebung des Kaufvertrages erreichen. Es wurde ein Größenvergleich zwischen dem gekauften Hund und seiner Mutterhündin vorgenommen und dabei festgestellt, daß das gekaufte Tier kleiner war als seine Mutter. Da sich der Beklagte weigerte, den Kaufvertrag aufzulösen und den Hund gegen Rückerstattung des Kaufpreises zurückzunehmen, brachte der Kläger am 11.1.1989 beim Erstgericht die Klage auf Zurückzahlung des Kaufpreises von S 13.000,-- und Ersatz der frustrierten Fütterungs- und Tierarztkosten sowie verschiedener weiterer Aufwendungen im Gesamtbetrag von - nach mehrmaliger Klageausdehnung - insgesamt S 101.778,-- s.A. ein; er begehrte einen weiteren Betrag von S 75.000,-- als Schadenersatz für "Zuchtentgang" als Mangelfolgeschaden. Das Gewährleistungs-Wandlungsbegehren begründete der Kläger damit, daß der Beklagte für die von ihm zugesicherte Zuchttauglichkeit und Größe des Hundes einzustehen habe.

Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens, bestritt, dem Kläger eine bestimmte Größe des Tieres zugesagt zu haben, und wendete Verfristung der Gewährleistungsansprüche ein; das Augenleiden des Tieres sei für den Kläger bereits beim Kauf zumindest kurze Zeit danach erkennbar gewesen.

Das Erstgericht wies das Klageteilbegehren auf Zahlung von S 75.000,-- für "Zuchtentgang" ab - dieser Ausspruch wurde rechtskräftig - und stellte fest, daß das Klagebegehren auf Zahlung von S 101.778,-- (Kaufpreis des Hundes, Fütterungskosten, Tierarzt- und Fahrtkosten) Zug um Zug gegen Herausgabe des Tieres dem Grunde nach zu Recht bestehe.

Es traf die eingangs dargestellten Sachverhaltsfeststellungen und führte in rechtlicher Hinsicht im wesentlichen folgendes aus:

Der Hund habe zwei wesentliche Mängel aufgewiesen, die dem Kläger einen Wandlungsanspruch gewährten: a) seine Größe, denn er habe nicht die vom Beklagten ausdrücklich zugesagte Größe der Mutterhündin erreicht; gerade diese Eigenschaft habe für den Kläger beim Erwerb ausschlaggebende Bedeutung gehabt; b) seine Zuchtuntauglichkeit infolge des Roll-Lides an beiden Augen; diese Eigenschaft des Tieres sei stillschweigend bedungen gewesen. Beide Mängel seien unbehebbar, in beiden Fällen habe die Gewährleistungsfallfrist von 6 Monaten erst mit dem Zeitpunkt der Erkennbarkeit des Mangels zu laufen begonnen:

dies sei bezüglich des Wuchses des Tieres nach dem kynologischen Gutachten erst nach 12-15 Monaten, berechnet vom Wurftag (31.8.1987), möglich gewesen; das Roll-Lid habe vom Kläger nicht erkannt werden können, denn es sei auch dem Tierarzt erst beim vierten Besuch des Tieres aufgefallen, dies sei am 25.9.1988 gewesen. Die am 11.1.1989 eingebrachte Gewährleistungsklage sei demnach nicht verfristet.

Die Ansprüche des Klägers auf Ersatz der Fütterungs-, Tierarzt- und Fahrtkosten beträfen frustrierte Aufwendungen, für die der Beklagte nach § 932 ABGB iVm §§ 1293 ff ABGB schadenersatzrechtlich hafte, weil er nicht bewiesen habe (§ 1298 ABGB), daß die Vertragserfüllung auch einem objektiv sorgfältigen Schuldner unmöglich gewesen wäre oder daß der Schadenseintritt trotz aller ihm möglichen Sorgfalt nicht hätte verhindert werden können. Der Beklagte habe sich insofern sorgfaltswidrig verhalten, als er es nicht unterließ, eine bestimmte Größe des Tieres und seine Zuchttauglichkeit zuzusichern.

Das nur vom Beklagten angerufene Gericht zweiter Instanz bestätigte das Urteil des Erstgerichtes und ließ die ordentliche Revision dagegen mit der Begründung zu, daß es zu den über den gegenständlichen Fall in ihrer Bedeutung hinausgehenden Fragen, ob es sich bei Erklärungen des Verkäufers über die künftige Entwicklung eines Hundes um die Zusicherung von Eigenschaften iS des § 923 ABGB handelt, wann dann die Gewährleistungsfristen zu laufen beginnen und welche Auswirkungen § 285 a ABGB auf die Tiere als Kaufgegenstände bezüglich der Gewährleistungs- und Schadenersatzansprüche hat, keine gesicherte oberstgerichtliche Rechtsprechung gebe.

Zur rechtlichen Beurteilung der Sache führte das Berufungsgericht im wesentlichen aus:

Bezüglich der Größe des Tieres liege eine ausdrückliche Zusage des Beklagten vor. Da der Kläger erklärt habe, den Hund für Zuchtzwecke verwenden zu wollen, und der Beklagte dagegen keinen Einwand geäußert habe, gelte die Zuchttauglichkeit des Tieres als stillschweigend zugesagt (Verweisung auf Reischauer in Rummel2 Rz 5 zu §§ 922, 923 ABGB). Es handle sich in beiden Fällen um die Zusage von zwar erst künftig vorkommenden, aber im wesentlichen bereits zum Kaufzeitpunkt in den Erbanlagen festgelegten Eigenschaften, so daß ein Fall des § 923 ABGB vorliege. Werden aber vom Veräußerer bestimmte, erst nach geraumer Zeit feststellbare Eigenschaften des Kaufgegenstandes zugesichert, so beginne die Gewährleistungsfrist erst ab dem Moment zu laufen, zu dem der Mangel mit Sicherheit erkannt werden kann (Verweisung auf Binder in Schwimann, Rz 23 zu § 933 ABGB; P. Bydlinski in RdW 1986, 236 ff; im Ergebnis auch Kurschel-Welser, Die Gewährleistung beim Werkvertrag 97 ff). Hinsichtlich der Größe des Hundes habe das Erstgericht mit Recht einen unbehebbaren und angesichts der ausdrücklichen Zusage auch wesentlichen Mangel angenommen und die Geltendmachung des Wandelungsanspruches als rechtzeitig beurteilt.

Bezüglich des die Zuchtuntauglichkeit des Hundes bewirkenden Roll-Lides (vererbliches Entropium) handle es sich um einen Mangel, der dem Tier bereits bei Kaufvertragsabschluß anhaftete, so daß die Gewährleistungsfrist von 6 Monaten bei Klageeinbringung verstrichen wäre. Lege man aber angesichts der stillschweigenden Zusicherung der Zuchttauglichkeit des Tieres auch hier den Beginn des Fristlaufes mit dem Zeitpunkt fest, zu dem der Mangel mit Sicherheit erkannt werden kann, so sei der Anspruch nicht verfristet. Nach der neueren Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (Verweisung auf EvBl 1990/129 S 599; JBl 1990, 792 ua) könne wegen einer durch den Mangel bedingten Schlechterfüllung auch ein Schadenersatzanspruch innerhalb der Verjährungsfrist des § 1489 ABGB geltend gemacht werden, wobei angesichts des Vertragsverhältnisses (§ 1298 ABGB) der Verkäufer seine Schuldlosigkeit zu beweisen habe. Dieser Beweis sei dem Beklagten hier nicht gelungen. Eine Aufklärung des Käufers über die Möglichkeit eines Roll-Lides bei dem gekauften Hund wäre angesichts der Erwartung des Käufers betreffend die Zuchttauglichkeit des Tieres geboten gewesen.

Gegen das berufungsgerichtliche Urteil richtet sich die ordentliche Revision des Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache mit dem Antrag "das Ersturteil aufzuheben".

Der Kläger begehrte, diesem Rechtsmittel nicht Folge zu geben; er meint, die Revision sei bereits mangels eines geeigneten Revisionsantrages abzuweisen.

Rechtliche Beurteilung

Es ist zwar richtig, daß der Revisionsantrag des Beklagten nicht dem formalen Bestimmtheitserfordernis des § 506 Abs 1 Z 2 ZPO entspricht, weil er ohne Verweisung auf das in der Anfechtungserklärung bezeichnete Berufungsurteil direkt die "Aufhebung" des erstinstanzlichen Urteiles fordert. Dieser Mangel macht aber die Revision nicht unwirksam, weil der Antrag nicht isoliert von der ordentlich ausgeführten Anfechtungserklärung gesehen und beurteilt werden darf, und danach ist unzweideutig der Wille des Beklagten erkennbar, eine Abänderung der angefochtenen Berufungsentscheidung im Sinne einer Änderung der erstinstanzlichen Entscheidung zu bewirken. Darüberhinaus ist den gesamten Rechtsmittelausführungen in ihrem Zusammenhang aber auch unzweifelhaft zu entnehmen, daß in Wahrheit nicht die "Aufhebung" des erstgerichtlichen Urteiles, sondern seine Abänderung im Sinne der Abweisung des Klagebegehrens - soweit es nicht ohnedies bereits abgewiesen wurde - begehrt wird. Das Rechtsmittel ist demnach nicht als unwirksam zu verwerfen.

Indessen ist die Revision nicht zulässig, weil entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes keine erhebliche Rechtsfrage iS des § 502 Abs 1 ZPO vorliegt.

Die vom Berufungsgericht aufgeworfene Frage, welche Auswirkungen § 285 a ABGB auf Tiere als Kaufgegenstände bezüglich des Gewährleistungs- und Schadenersatzrechtes hat, ist vom Gesetz klar beantwortet, so daß im vorliegenden Fall keine Veranlassung besteht, irgend eine hier beachtliche Zweifelsfrage zu beantworten: Für den Bereich des hier zunächst bedeutungsvollen Gewährleistungsrechtes ist ein Hund in Ermangelung einer abweichenden Sonderregelung von den Gewährleistungsregeln voll betroffen (§ 285 a Satz 2 ABGB). Diese Aussage ist so unmittelbar dem Gesetz zu entnehmen, daß es keiner Rechtsprechung des Höchstgerichtes im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO und auch keines Verweises auf anerkannte Literatur (Reischauer in Rummel Rz 2 zu §§ 922, 923 ABGB Rz 1 und 2 zu § 285 a ABGB; Koziol-Welser, Grundriß II 6 mwN in FN 4) bedarf. Die einzige Sonderregelung für den Ersatz der Heilungskosten eines verletzten Tieres (§ 1332 a ABGB) hat hier jedoch keinen Anwendungsgrund, sodaß darauf gar nicht einzugehen ist.

Gilt aber, wie dargelegt, im Bereich des Gewährleistungsrechtes und des hier in Betracht kommenden Schadenersatzrechtes ohnedies die Regel, daß Tiere ungeachtet der bloß programmatischen Deklaration, Tiere sind keine Sachen (§ 285 a ABGB), weiterhin wie jede andere Sache als Objekte der Rechtsordnung behandelt werden, so finden auf sie auch die bisher allgemein anerkannten Grund- und Leitsätze der Rechtsprechung und Rechtslehre im Bereich des Gewährleistungs- und allgemeinen Schadenersatzrechtes weiterhin volle Anwendung.

Der Oberste Gerichtshof ist der Ansicht, daß im vorliegenden Fall demnach kein Grund besteht, die von den Vorinstanzen bezüglich des nicht der Zusage des Hundeverkäufers entsprechenden Wuchses (Größe) des Tieres in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung angewendeten Grundsätze des Gewährleistungsrechtes als verletzt anzusehen. Da aber schon wegen dieses Mangels das Wandlungsrecht des Klägers zutreffend bejaht wurde, braucht auf die Ausführungen des Beklagten zur Frage, ob auch der weitere festgestellte Tiermangel (Zuchtuntauglichkeit zufolge der Erbkrankheit Roll-Lid) den Wandlungsanspruch begründen kann und ob diesbezüglich die Fallfrist zur Geltendmachung gewahrt wurde, wegen des bloß akademischen Interesses an einer Aussage des Höchstgerichtes nicht beantwortet werden.

In Beziehung auf die Mängelfolgeschäden ist die Revision nicht ausgeführt worden, so daß darauf im Hinblick auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels in der Gewährleistungsfrage nicht eingegangen werden kann.

Da der Kläger in seiner Rechtsmittelgegenschrift nicht auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen hat, kann ihm auch kein Anspruch auf Kostenersatz zuerkannt werden.