JudikaturJustiz8Ob2244/96z

8Ob2244/96z – OGH Entscheidung

Entscheidung
27. November 1997

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Petrag als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Langer, Dr.Rohrer, Dr.Adamovic und Dr.Spenling als weitere Richter in der Konkurssache der Gemeinschuldnerin Franz S*****gesellschaft mbH, ***** wegen Feststellung, infolge Revisionsrekurses des Masseverwalters DDr.Manfred W*****, Rechtsanwalt in Salzburg, und der Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Rekursgericht vom 16.Juli 1996, GZ 2 R 146/96w-62, mit dem der Beschluß des Landesgerichtes Salzburg vom 6.Mai 1996, GZ 23 S 626/95w-55, abgeändert wurde, den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Mit Beschluß vom 21.4.1995 wurde der Konkurs über das Vermögen der im Spruch genannten Gemeinschuldnerin, einer GmbH, eröffnet und DDr.Manfred W*****, zum Masseverwalter bestellt.

Die Gemeinschuldnerin war Eigentümerin eines mit Hypotheken belasteten Grundstückes. Im ersten Geldlastenrang ist zu Gunsten der B***** AG ein Pfandrecht im Betrag von S 5,600.000,- einverleibt. Zur Hereinbringung ihrer vollstreckbaren Forderung wurde dieser die Zwangsversteigerung der Liegenschaft bewilligt. Am 12.1.1996 fand die Zwangsversteigerung statt. Die Liegenschaft wurde um das Meistbot von S 3,050.000,- zugeschlagen.

Vor Durchführung der vom Exekutionsgericht am 10.5.1996 anberaumten Verteilungstagsatzung teilte der Masseverwalter, der dem Zwangsversteigerungsverfahren beigetreten war, dem Konkursgericht mit, daß er "den Vorsteuerberichtigungsbetrag gemäß § 12 Abs 10 UStG zur Verteilung angemeldet" habe. Unter einem stellte er den Antrag auszusprechen, daß die versteigerte Liegenschaft eine Sondermasse sei und die Verwaltungs- bzw Verwertungskosten (Vorsteuerberichtigung) Sondermassekosten darstellten.

Das Erstgericht faßte am 6.5.1996 ohne nähere Begründung einen diesem Antrag entsprechenden Beschluß.

Dagegen erhob die Absonderungsgläubigerin B***** AG Rekurs, indem sie sich in der Sache nur gegen die Feststellung wendet, daß die Vorsteuerberichtigung gemäß § 12 Abs 10 UStG Sondermassekosten darstellten; sie begehrte eine Abänderung dahin, daß ein gegenteiliger Ausspruch getroffen werde.

Das Rekursgericht gab diesem Rekurs Folge und änderte den Beschluß dahingehend ab, daß es feststellte, daß die vom Masseverwalter gemäß § 12 Abs 10 UStG abzuführende Umsatzsteuer hinsichtlich der versteigerten Liegenschaft keine Sondermassekosten darstellten, sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000,-

übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil das Rekursgericht von der oberstgerichtlichen Rechtsprechung, nämlich der Entscheidung vom 3.2.1993, 3 Ob 102/92 abgewichen sei.

Es ging in rechtlicher Hinsicht zusammengefaßt davon aus, daß eine allseitige rechtliche Überprüfung, die auf Grund der ordnungsgemäß ausgeführten Rechtsrüge geboten sei, ergebe, daß die auf § 12 Abs 10 UStG gestützte Forderung des Finanzamts keine Masseforderung, sondern eine Konkursforderung darstelle. Nach ständiger oberst- gerichtlicher Rechtsprechung komme es für die insolvenz- rechtliche Qualifikation der Abgabenforderung nicht auf das Entstehen der Steuerschuld - und schon gar nicht auf deren Fälligkeit - auf der Grundlage eines abgabenrechtlich relevanten Sachverhalts, sondern auf die Verwirklichung des Sachverhaltes an. Dieser könne auch vor dem Entstehen der Steuerschuld liegen. Im vorliegenden Fall liege er - entgegen der in der zitierten Entscheidung des 3.Senates vertretenen Ansicht - nicht in der kridamäßigen Verwertung der mit Absonderungsrechten belasteten Liegenschaft; der Rechtsgrund der - im Insolvenzverfahren als Vorsteuerrückforderung geltend gemachten - Steuerforderung liege in Wirklichkeit allein in dem vor Insolvenzeröffnung getätigten Umsatz des nunmehrigen Gemein- bzw Ausgleichsschuldners. Hierin verwirkliche sich der die Umsatzsteuer auslösende Sachverhalt, während Anlaß der Vorsteuerberichtigung bloß der Wegfall einer Bedingung für die Beibehaltung des Vorsteuerabzug sei. Bis zum Ablauf der Fristen des § 12 Abs 10 UStG handle es sich um eine (aufschiebend) bedingte Forderung des Fiskus. Daher bestehe die späterhin als Vorsteuerrückforderung fällig werdende Umsatzsteuer- forderung schon bedingt im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung und sei daher als Konkursforderung zu klassifizieren.

Dagegen richten sich die Revisionsrekurse des Masseverwalters und der Finanzprokuratur, jeweils mit dem Antrag, den erstgerichtlichen Beschluß wieder herzustellen.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zwar zulässig, weil die angefochtene

Entscheidung von der einzigen oberstgerichtlichen Entscheidung, die

einen gleichartigen Sachverhalt betrifft, nämlich der bereits

erwähnten Entscheidung vom 3.2.1993, 3 Ob 102/92, (SZ 66/15 = JBl

1993, 795 = EvBl 1993/102) abweicht, ist aber nach Meinung des

erkennenden Konkurssenates nicht berechtigt.

Die genannte Entscheidung des 3.Senates (deren Schwerpunkt im übrigen eine andere Frage betraf, nämlich ob die Entscheidung, ob Kosten aus der allgemeinen Konkursmasse oder aus einer Sondermasse zu befriedigen seien, eine Entscheidung im Kostenpunkt iSd § 528 Abs 2 Z 3 ZPO ist) läßt sich nämlich von steuerrechtlichen Erwägungen leiten und schenkt den konkursrechtlichen Grundprinzipien zu wenig Augenmerk. Für die konkursrechtliche Einordnung des Anspruches, sind aber nicht steuerrechtliche, sondern ausschließlich konkursrechtliche Prinzipien heranzuziehen, die sich mit den steuerrechtlichen keineswegs decken müssen (zu den unterschiedlichen Zielsetzungen von Insolvenz und Abgabenrecht Beiser/Fink ÖJZ 1997, 131 ff [134]; vgl für den deutschen Rechtsbereich Frotscher, Steuern im Konkurs 230; Kuhn-Uhlenbruck KO11 Rz 10p Abs 2 zu § 58 dKO).

Gemäß § 12 Abs 10 UStG findet eine Vorsteuerberichtigung ua statt, wenn ein Unternehmer ein Grundstück (Gebäude) in den auf das Jahr der Anschaffung oder Herstellung folgenden neun Jahren veräußert; die Veräußerung ist ein unecht befreiter Umsatz, durch den die Voraussetzung für den Vorsteuerabzug wegfällt; nach der zitierten Gesetzesstelle ist in einem solchen Fall der Vorsteuerabzug anteilsmäßig zu korrigieren (näheres siehe Doralt/Ruppe, Grundriß des österreichischen Steuerrechts I5 399 f, 417 f sowie Doralt, RdW 1989, 108). Unter den Voraussetzungen des § 12 Abs 14 kann es auch zu einer Vorsteuerweiterleitung kommen: Der veräußernde Unter- nehmer ist danach berechtigt, dem Empfänger den auf Grund der Berichtigung geschuldeten Betrag gesondert in Rechnung zu stellen (Doralt/Ruppe aaO 417 f). Letztere Bestimmung hat aber für die hier zu lösende Frage der Einordnung des geschuldeten Betrages aus der Vorsteuerberichtigung als Konkurs- oder Masseforderung keine Bedeutung (Chalupsky/ Ennöckl/Holzapfel, Handbuch des österreichischen Insolvenz- rechts 362 f mit eingehender Darstellung der sich in einem solchen Fall ergebenden Problematik an Hand der Entscheidung EvBl 1980/12), sodaß sich ein näheres Eingehen auf die mit dieser Bestimmung zusammenhängenden Fragen erübrigt.

Seit der Einführung des klassenlosen Konkurses durch den IRÄG 1982 wurden die Vorrechtsklassen für Forderungen der Abgabengläubiger abgeschafft. Nach der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (SZ 60/247; WBl 1989, 128, zuletzt WBl 1995, 203), zu der sich auch die oben genannte Entscheidung des 3.Senates bekennt, ist für die Abgrenzung zwischen Abgabenmasse- und Abgabenkonkursforderungen der Zeitpunkt der Verwirklichung des die Abgabenpflicht auslösenden Sachverhaltes maßgebend. Es kommt für die insolvenzrechtliche Qualifikation der Abgabenforderung nicht auf das Entstehen der Steuerschuld (hier § 19 Abs 2-5 UStG) - umso weniger auf deren Fälligkeit (hier § 21 Abs 1 UStG) - auf der Grundlage eines abgabenrechtlich relevanten Sachverhalts, sondern auf die Verwirklichung dieses Sachverhaltes an. Dieser kann, muß aber keineswegs mit dem Entstehen der Steuerschuld identisch sein. Der Sachverhalt kann vielmehr auch bereits früher verwirklicht sein. Das Abstellen auf einen möglichst frühen Zeitpunkt der Abgrenzung zwischen Konkurs- und Masseforderungen war erklärter Zweck des IRÄG 1982, sollte doch auch durch diese gezielte Einschränkung der Masseforderungen die sogenannte Massearmut bekämpft und der den Konkursgläubigern zur Verteilung zur Verfügung stehende Fonds vergrößert werden (JA 1147 BlgNR 15.GP 2; vgl auch Beiser/Fink aaO 133 f).

Berücksichtigt man diese konkursrechltichen Aspekte, kommt man zum Ergebnis, daß der die Abgabenpflicht auslösende Sachverhalt bereits vor Konkurseröffnung verwirktlicht wurde und daher die durch die Korrektur des Vorsteuerabzugs zur Vorschreibung gelangende Umsatzsteuer eine Konkursforderung darstellt:

Wie Schumacher in seiner kritischen Glosse zur zitierten Entscheidung des 3.Senates (JBl 1993, 797 f) überzeugend darlegt, liegt der die Abgabenpflicht auslösende Sachverhalt (§ 46 Abs 1 Z 2 KO) nicht in der "Änderung der Verhältnisse", die für den Vorsteuerabzug maßgebend waren, nämlich der Verwertung (Zwangsversteigerung) der mit Absonderungsrechten belasteten Liegenschaft des Gemeinschuldners - so der 3.Senat, Chalupsky/Ennöckl/Holzapfel aaO und dem deutschen BFH zu § 15a dUStG (ZIP 1987, 723) folgend -, sondern im vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens getätigten Vorsteuerabzug des nunmehrigen Gemeinschuldners.

Bei einer Vorsteuerkorrektur zufolge einer Änderung des Verwendungszwecks (hier Veräußerung in Form der Zwangsversteigerung), die der Regelung des § 12 Abs 10 UStG unterfällt, handelt es sich nicht um einen neuen, isoliert zu sehenden umsatzsteuerpflichtigen Vorgang. Hiefür spricht nicht nur die Formulierung des Gesetzgebers, der lediglich von einer "Berichtigung" des Vorsteuerabzugs spricht; dafür spricht vor allem auch die Überlegung, daß es sich bei dem vermögensrechtlichen Anspruch aus dem Titel der Vorsteuer nicht um etwas Endgültiges handelt, sondern bis zum Ablauf der Fristen des § 12 Abs 10 UStG stets um einen bedingten Anspruch, wobei als Bedingung die Einhaltung der vom Gesetzgeber vorgegebenen Auflagen gesehen werden muß. Fällt nun nachträglich eine dieser Bedingungen weg - die Liegenschaft wird veräußert - so fällt insofern auch die Berechtigung zum Vorsteuerabzug wieder weg. Durch die nunmehrige Rückforderung des seinerzeit vom Unternehmer und nunmehrigen Gemeinschuldner berechtigt - wenn auch bedingt, nämlich unter der Voraussetzung der Nichtveräußerung der Liegenschaft innerhalb der Frist des - § 12 Abs 10 UStG - vorgenommenen Abzugs ändert sich nichts an dem materiellen Entstehungsgrund der Abgabenforderung, nämlich dem damals getätigten Vorsteuerabzug des nunmehrigen Gemeinschuldners (in diesem Sinn bereits Werndl, Insolvenz und Umsatzsteuer, ÖStZ 1983, 86 ff [95] sowie die weit überwiegende deutsche insolvenzrechtliche Lehre:

Frotscher aaO; Kuhn/Uhlenbruck aaO, Gottwald/ Frotscher, InsR Hb § 116 Rz 7; Weiß, Insolvenz und Steuern 75 ff; Knobbe-Keuk, FS Einhundert Jahre KO 219 ff [233]; Kritisch zur Rsp des BFH auch Onusseit, BB 1988, 674 ua).

Insolvenzrechtlich betrachtet, handelt es sich bis zum Ablauf der Fristen des § 12 Abs 10 UStG, innerhalb derer sich steuerrechtlich eine "Änderung der Verhältnisse" als Auslöser der Vorsteuerberichtigung ergeben muß, um eine (aufschiebend) bedingte Umsatzsteuerforderung des Fiskus. Daher besteht die Vorsteuerrückforderung schon bedingt (§ 16 KO) im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung und ist als Konkursforderung zu qualifizieren. Der Eintritt der steuerrechtlichen Bedingung (Verwertung der Liegenschaft) führt zu einer nachträglichen Einschränkung der vor Insolvenzeröffnung gegebenen Verrechnungsbefugnis des Steuerschuldners. Der Wegfall der Aufrechnungsbefugnis nach Konkurseröffnung bewirkt aber grundsätzlich nicht, daß dadurch die Forderung des Gläubigers (hier des Fiskus) zu einer Masseforderung würde (Schumacher aaO 798).

Wenn auch die hier vorliegende Konstruktion des § 12 Abs 10 UStG von der des § 4 GrEStG 1955 (Entstehen der vorläufig aufgeschobenen Grunderwerbssteuerpflicht wegen Nichterfüllung des begünstigten Zwecks innerhalb des dem Begünstigten zur Errichtung des Wohnbaus eingeräumten Zeitraums) etwas abweicht, liegt doch auch der hier geltend gemachten Berichtigung des Vorsteuerabzugs eine aufschiebend bedingte Steuerforderung des Fiskus zugrunde, deren Rechtsgrund noch vom nunmehrigen Gemeinschuldner gesetzt wurde, sodaß die in der Entscheidung des erkennenden Senats vom 26.1.1995, 8 Ob 11/94, WBl 1995, 203 aufgezeigten grundsätzlichen insolvenzrechtlichen Erwägungen für die Abgrenzung von Konkurs- und Masseforderungen - gezielte Einschränkung der Masseforderungen zur Bekämpfung der sogenannten Massearmut - auch hier zu gelten haben. Eine Auslegung im Sinne des berufungsgerichtlichen Beschlusses ist schließlich auch deshalb geboten, weil eine Auslegung im Sinne des 3.Senates zu einer nicht unbeträchtlichen Aushöhlung der Deckung der Pfandgläubiger führen würde, sodaß diese an einer möglichst noch vor Eröffnung eines Insolvenzverfahrens durchzuführenden Verwertung der Liegenschaft interessiert sein könnten, was allfällige Fortführungs- und Sanierungschancen eines Betriebes wesentlich beeinträchtigen würde und somit den insolvenzrechtlichen Zielsetzungen der letzten Novellen gänzlich zuwiderliefe.

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