JudikaturJustiz8Ob141/03y

8Ob141/03y – OGH Entscheidung

Entscheidung
12. März 2004

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rohrer, Dr. Spenling, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Dr. Lovrek und den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Jensik als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Florian H*****, vertreten durch Mag. Erich Rebasso, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Dr. Paul W*****, vertreten durch Steiner Steiner, Rechtsanwälte OEG in Wien, wegen 36.336,42 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 2. September 2003, GZ 2 R 83/03w 19, womit über Berufung der klagenden Partei das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 13. Februar 2003, GZ 40 Cg 265/01y 14, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben und die Rechtssache an das Erstgericht zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Mit Wechselzahlungsauftrag vom 7. 1. 2002 trug das Erstgericht dem Beklagten als Akzeptanten die Zahlung der Wechselsumme von 500.000 S (36.336,42 EUR) sA auf.

Der Beklagte erhob Einwendungen und brachte vor, dass der Wechsel dem Aussteller, Khosro S*****, am 2. 5. 2000 zur Besicherung für sämtliche Aufwendungen, die diesem durch die bevorstehende Insolvenz der E***** GmbH entstehen würden, jedoch limitiert mit einem Gesamtbetrag von S 500.000, blanko übergeben worden sei. Das sei in der Wechselwidmungserklärung ausdrücklich festgehalten worden. Der Kläger habe diesen Wechsel zum Nachteil des Beklagten vervollständigt, ohne die dem Blankoakzept zugrunde liegende Wechselwidmungserklärung zu beachten. Dabei habe der Kläger den Zweck verfolgt, dem Beklagten seine berechtigten Einwendungen gegen den Wechsel abzuschneiden. Die Vernachlässigung der Wechselwidmungserklärung stelle ein grob fahrlässiges Handeln des Klägers dar. Dem Wechsel liege keine berechtigte Forderung zugrunde. Khosro S***** sei durch die Insolvenz der E***** kein Schaden entstanden. Dem Kläger sei bei Wechselerwerb bekannt gewesen, dass dem Wechsel keine berechtigte Forderung zugrunde liege. Das Blankoakzept sei bewusst zum Nachteil des Beklagten ausgefüllt worden. Dem Beklagten stünde daher nach Art 17 WG die Einrede gegenüber dem Kläger zu. Nach Eröffnung des Konkurses (über das Vermögen der E*****) habe der Beklagte persönlich den Subunternehmer Kurt N***** (Baumeister des Bauprojektes) mit der Baufertigstellung beauftragt.

Der Kläger replizierte, dass er bei Übernahme des Wechsels zwar in Kenntnis der wirtschaftlichen Hintergründe der Wechselbegebung gewesen sei, er sei jedoch von S***** dahin informiert worden, dass die volle Wechselsumme gegenüber dem Beklagten ausständig sei.

Das Erstgericht hob den Wechselzahlungsauftrag auf und wies das Zahlungsbegehren des Klägers ab. Es traf folgende Sachverhaltsfeststellungen:

Die E***** GmbH (in der Folge: E*****), deren Geschäftsführer der Beklagte war, wurde von Khosro S***** als Generalunternehmer mit der Sanierung des ihm gehörenden Hauses in ***** W*****, beauftragt. S***** hatte in die Sanierung des Hauses 13 Millionen S investiert. Zur Abfederung der möglichen Folgen einer Insolvenz vereinbarten der Baumeister Kurt N***** und der Beklagte, dass bei wirtschaftlichen Problemen der E***** oder physischen Problemen des Beklagten der Subunternehmer N***** den Auftrag als Auftragnehmer zu den gleichen Konditionen wie die E***** fertigstellen werde, wenn S***** auch die Vereinbarungen mit der E***** hinsichtlich der Zahlungen einhalte. Ca. vier Monate nach Baubeginn teilte der Beklage S***** mit, dass die E***** voraussichtlich in Konkurs gehen müsse. Der Beklagte machte den Vorschlag, dass er persönlich im Konkursfall der E***** ohne Entgelt die Sanierung fertig stelle. S***** war mit dieser Lösung nicht einverstanden. Er befürchtete durch den Konkurs großen Schaden zu erleiden, weil die Baustelle ungefähr zwei Monate zum Stillstand kommen würde. So wurde nach einer anderen Möglichkeit gesucht. Der Beklagte fühlte sich für das Schicksal der E***** verantwortlich. Er übergab daher einen Blankowechsel an Khosro S***** und unterfertigte am 2. 5. 2000 eine Wechselwidmungserklärung. In dieser wurde festgehalten: "...Dieser Wechsel ist am 30. 1. 2001 zur Zahlung fällig.

Herr Dr. Paul W***** übernimmt eine Haftung als Bürge und Zahler für sämtliche Aufwendungen, die Herrn Khosro S***** durch die bevorstehende Insolvenz der E***** GmbH, FN 159.038f, entstehen werden, jedoch limitiert mit einem Gesamtbetrag von ATS 500.000,- (...).

Herr Dr. Paul W***** legt Wert auf die Feststellung, dass er Herrn S***** ausdrücklich auf den Umstand hingewiesen hat, dass er derzeit weder über Vermögen noch über pfändbares Einkommen verfügt. Der obige Wechsel wird in Kenntnis dieses Umstandes von Herrn Dr. W***** übergeben und von Herrn S***** übernommen. Eine Erfüllung dieses Wechsels ist daher nur dann möglich, wenn Herr Dr. W***** künftig zu Einkünften oder Vermögen kommen wird....."

In der Folge wurde über das Vermögen der E***** tatsächlich der Konkurs eröffnet. S***** sind dadurch keine Aufwendungen entstanden. Er meldete im Konkursverfahren gegen die E***** keine Forderung an.

Grundsätzlich wäre der Subunternehmer N***** bereit gewesen, die Baustelle zu den bisherigen Konditionen weiterzuführen. Die E***** schuldete ihm allerdings noch Geld. N***** verlangte diese Zahlungen von S***** als Voraussetzung für die Weiterführung der Baustelle. Damit war S***** nicht einverstanden. Er konnte sich mit N***** nicht einigen und musste sich ein anderes Unternehmen suchen. Für die an die E***** geleistete Akontozahlung von ca 1,3 Mio S hatte N***** bereits Leistungen erbracht.

Der Kläger ist ein Bekannter S*****. Er hatte S***** ein Privatdarlehen von 500.000 S gewährt. Anfang 2001 hatte S***** schon einige Wohnungen verkauft und dem Kläger 400.000 S zurückbezahlt. Der Kläger erließ S***** von dessen Schulden bei ihm 100.000 S und erhielt dafür den vom Beklagten unterzeichneten Blankowechsel.

Dieser wurde in der Kanzlei des Klagevertreters mit 500.000 S ausgefüllt, mit dem Datum der Wechselwidmungserklärung versehen und mit 30. 1. 2001 fällig gestellt.

Rechtlich vertrat das Erstgericht die Auffassung, dass der Kläger als Wechselerwerber verpflichtet gewesen wäre, den noch nicht vervollständigten Wechsel der Wechselwidmungserklärung entsprechend auszufüllen. Das sei nicht geschehen, weil der Eintritt eines Schadens nicht erwiesen worden sei.

Das Berufungsgericht gab der dagegen vom Kläger erhobenen Berufung nicht Folge, wobei es aussprach, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei, weil das Berufungsgericht in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung entschieden habe.

Das Berufungsgericht übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes und ging rechtlich davon aus, dass beim Wechselerwerb nur dann von grober Fahrlässigkeit im Sinne des Art 10 WG gesprochen werden könne, wenn der Blanketterwerber trotz vorhandener Bedenken die Einziehung von Erkundigungen beim Unterzeichner der Blankoerklärung unterlassen habe. Im vorliegenden Fall habe der Kläger den Wechsel gegen Erlass einer offenen Darlehensschuld von nur 100.000 S erhalten. Allein aufgrund dieses Umstandes habe der Kläger davon ausgehen müssen, dass S***** gegenüber dem Beklagten keine Forderung in voller Höhe gehabt habe. Unter diesen Umständen treffe den Kläger grobe Fahrlässigkeit, wenn er trotz vorhandener Bedenken Erkundigungen beim Unterzeichner der Blankoerklärung unterlassen habe.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen vom Kläger erhobene außerordentliche Revision ist zulässig, weil das Berufungsgericht von der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes abwich, wonach den Wechselschuldner die Behauptungs und Beweislast für die abredewidrige Ausfüllung des Blankoakzepts trifft. Die Revision ist im Sinne des Eventualantrages auf Aufhebung auch berechtigt.

Die gerügte Aktenwidrigkeit liegt allerdings ebensowenig vor wie der Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens (§ 510 Abs 3 ZPO). Der Revisionsgrund der Aktenwidrigkeit kann nicht als Ersatz für eine im Revisionsverfahren generell unzulässige Beweisrüge herangezogen werden (RIS Justiz RS0117019). Wird behauptet, die Feststellungen seien entgegen einem Punkt einer Parteienaussage (hier einer Zeugenaussage) getroffen worden, so wird mit diesem Vorbringen nicht der Revisionsgrund der Aktenwidrigkeit zur Darstellung gebracht, sondern die irreversible Beweiswürdigung angegriffen (RIS Justiz RS0043383). In der Übernahme der Feststellungen des Erstgerichtes durch das Berufungsgericht kann schon begrifflich keine Aktenwidrigkeit liegen (Kodek in Rechberger ² § 503 ZPO Rz 4; RIS Justiz RS0043240). Hat das Berufungsgericht - wie hier - aufgrund der vom Erstgericht aufgenommenen Beweise keine Bedenken gegen dessen Beweiswürdigung, ist es selbst unter Heranziehung neuer Argumente zu einer Beweiswiederholung nicht verpflichtet (RIS Justiz RS0043096). Mit der Rüge der Unterlassung der Beweiswiederholung wird kein Verfahrensmangel im Sinn des § 503 Z 2 ZPO geltend gemacht (RIS Justiz RS0043090). Eine mangelhafte und unzureichende Beweiswürdigung kann im Revisionsverfahren nicht angefochten werden. Nur wenn sich das Berufungsgericht mit der Beweisfrage überhaupt nicht befasst hat ist sein Verfahren mangelhaft (RIS Justiz RS0043371). Davon kann hier keine Rede sein.

Den Revisionsausführungen ist zunächst darin zu folgen, dass den Wechselschuldner die Behauptungs und Beweispflicht dafür trifft, dass eine abredewidrige Ausfüllung des Blankoakzepts, ein grob fahrlässiger Blanketterwerb oder ein böser Glaube des Blanketterwerbers vorliege (ÖBA 1993, 313; RIS Justiz RS0043472. Die Revision zeigt auch zutreffend auf, dass sich der behauptungs und beweispflichtige Beklagte in Beziehung auf die behauptete Schlechtgläubigkeit des Klägers beim Blanketterwerb nicht auf die Diskrepanz zwischen der Wechselsumme und jenem Betrag, um welchen der Kläger das Blankett erwarb (erlassene Darlehensschuld von 100.000 S) berief. Der Beklagte behauptete vielmehr ausschließlich, dass dem Kläger bekannt gewesen sei, dass dem Wechsel keine berechtigte Forderung zugrunde liege. Art 10 WG kommt sowohl zur Anwendung, wenn der Inhaber den Wechsel bereits ausgefüllt erworben hat, als auch dann, wenn der Inhaber den Blankowechsel erwirbt und selbst ausfüllt (RIS Justiz RS0084012). Dem gutgläubigen Wechselerwerb steht die gutgläubige Ausfüllung des erworbenen Wechselblanketts gleich (RIS Justiz RS0083634; RIS Justiz RS0083544). Es wird daher darauf ankommen, ob das Vorbringen des Beklagten zutrifft, dass der Kläger bereits zum maßgeblichen Zeitpunkt des Blanketterwerbs wusste oder aufgrund der Informationen des S***** zumindest wissen musste, dass dem Wechsel keine aufrechte Forderung zu Grunde liegt. Grobe Fahrlässigkeit beim Wechselerwerb liegt nur dann vor, wenn der Inhaber des Blanketts wissen musste, dass er den Blankowechsel vereinbarungswidrig ausfüllte. Das trifft nur dann zu, wenn der Blankettinhaber die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich grobem Maße verletzt und das unbeachtet gelassen hat, was im gegebenen Fall jedem Branchenangehörigen hätte einleuchten müssen (RIS Justiz RS0084028; RS0083597; ÖBA 1993, 313). Auch wenn gegenüber jenem Wechselinhaber, der den Wechsel nicht schon ausgefüllt erwirbt, sondern das erworbene Blankett erst selbst ausfüllt, ein strengerer Maßstab anzulegen (JBl 1982, 541), ändert das weder die Behauptungs und Beweispflicht des Wechselschuldners für die grobe Fahrlässigkeit des Erwerbers noch kann davon ausgegangen werden, dass in diesem Fall der Erwerber generell verpflichtet wäre, Erkundigungen einzuziehen. Grundsätzlich besteht keine Verpflichtung des Blanketterwerbers, Erkundigungen einzuziehen (RIS Justiz RS0084028). Eine solche Erkundigungspflicht wird allerdings dann anzunehmen sein, wenn aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls Bedenken des Blanketterwerbers bestanden oder bestehen mussten und er dennoch die Einziehung von Erkundigungen beim Unterzeichner der Blankoerklärung unterlässt (8 Ob 241/97t). Entgegen der in der Revisionsbeantwortung vertretenen Auffassung begründet allerdings die Summe, um welche der Kläger das Blankett erwarb, noch keine Erkundigungspflicht des Klägers: Abgesehen davon, dass der behauptungs und beweispflichtige Beklagte - wie bereits dargetan - sich auf die Diskrepanz zwischen der Wechselsumme und jenem Betrag, um welchen der Kläger das Blankett erwarb, bisher nie berief, darf nicht außer Acht gelassen werden, dass gerade die Wechselwidmungserklärung, auf die der Beklagte verweist, deutliche Hinweise auf die Zahlungsunfähigkeit des Beklagten enthielt, weshalb keine Bedenken des Klägers im Hinblick darauf bestehen mussten, dass S***** ihm das Blankett um bloß 100.000 S überließ.

Da das Erstgericht das Vorbringen des Beklagten, dass dem Kläger bei Blanketterwerb bekannt gewesen sei, dass dem Wechsel keine berechtigte Forderung zugrunde liege, ebenso ungeprüft ließ wie das gegenteilige Vorbringen des Klägers zu diesem Thema, liegen die bereits in der Berufung vom Kläger gerügten Feststellungsmängel vor. Das Erstgericht wird daher im Sinne der aufgezeigten Grundsätze der oberstgerichtlichen Judikatur zu prüfen haben, ob dem Kläger bei Blanketterwerb bekannt war, dass S***** durch die Insolvenz der E***** keinerlei Schaden entstand. Die bloße Unterlassung der Einholung von Erkundigungen des Klägers beim Beklagten reicht nach den dargestellten Grundsätzen jedenfalls nicht aus, die Schlechtgläubigkeit des Klägers beim Blanketterwerb zu begründen.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.

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