JudikaturJustiz8Ob102/23t

8Ob102/23t – OGH Entscheidung

Entscheidung
13. Dezember 2023

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Tarmann-Prentner und Mag. Korn sowie die Hofräte Dr. Stefula und Dr. Thunhart als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei L*  AG, *, vertreten durch Gottgeisl Leinsmer Weber Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei A* D*, wegen 25.443,57 EUR sA, über den Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 14. September 2023, GZ 15 R 164/23g 6, mit dem der Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 20. August 2023, GZ 24 Cg 33/23h 2, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Klägerin hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Begründung:

[1] Die Klägerin macht als Inkassozessionarin Verluste aus Online Glücksspielen aus dem Rechtstitel des deliktischen Schadenersatzes gegen den Beklagten geltend, bei dem es sich um den „Director“ (Geschäftsführer) je ner maltesischen Glücksspielgesellschaft handle, bei der die Spieleinsätze getätigt wurden. In der Klage wird vorgebracht, der Beklagte habe mit seiner Entscheidung, von Malta ausgehend über das Internet in Österreich Online-Glücksspiel anzubieten, o bwohl die Gesellschaft über keine Konzession nach dem österreichischen Glücksspielgesetz verfüge, vorsätzlich eine Schutzgesetzverletzung begangen. Er hafte den Spielern daher auch unmittelbar persönlich. D as Erstgericht sei sachlich zuständig, weil der abgetretene Anspruch der Klägerin nicht auf der Verletzung von Pflichten aus einem unternehmensbezogenen Geschäft, sondern unmittelbar auf dem Gesetz beruhe.

[2] Das Erstgericht wies die Klage wegen sachlicher Unzuständigkeit a limine zurück. Nach § 51 Abs 1 Z 6 JN seien zur Inanspruchnahme von (ehemaligen) Organen einer Kapitalgesellschaft die Handelsgerichte zuständig.

[3] Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und erklärte den Revisionsrekurs für zulässig, weil die Klage deliktische Ansprüche gegen den Beklagten betreffe und zur sachlichen Zuständigkeit in diesen Fällen noch keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs vorliege . Da eine Vielzahl gleichgelagerter Klagen zu erwarten sei, diene eine abschließende Klärung der Zuständigkeitsfrage der Rechtssicherheit.

Rechtliche Beurteilung

[4] Der Revisionsrekurs des Klägers ist aus den vom Rekursgericht genannten Gründen zulässig, aber nicht berechtigt.

[5] 1. Festzuhalten ist, dass die Vorinstanzen über die internationale Zuständigkeit österreichischer Gerichte noch nicht entschieden haben, sondern hier nur die sachliche Zuständigkeit zu prüfen ist.

[6] 2. Nach § 51 Abs 1 Z 6 JN gehören, falls der Streitgegenstand an Geld oder Geldeswert den Betrag von 15.000 EUR übersteigt, Streitigkeiten aus dem Rechtsverhältnis zwischen den Mitgliedern einer Handelsgesellschaft oder zwischen dieser und ihren Mitgliedern, zwischen den Mitgliedern der Verwaltung und den Liquidatoren der Gesellschaft und der Gesellschaft oder deren Mitgliedern, zwischen dem stillen Gesellschafter und dem Inhaber des Unternehmens, zwischen den Teilnehmern einer Vereinigung zu einzelnen unternehmensbezogenen Geschäften für gemeinschaftliche Rechnung sowie Streitigkeiten aus Rechtsverhältnissen aller dieser Personen zu Dritten, denen sie sich in dieser Eigenschaft verantwortlich gemacht haben, und zwar in allen diesen Fällen sowohl während des Bestands als auch nach der Auflösung des gesellschaftlichen Verhältnisses, sofern es sich nicht um eine Arbeitsrechtssache handelt, vor die selbständigen Handelsgerichte.

[7] Die Bestimmung wurde mit der Zivilverfahrens-Novelle 1983 (BGBl Nr 135/1983) eingeführt und soll die Zuständigkeit für Streitigkeiten, die aus der Geschäftstätigkeit einer Handelsgesellschaft entstehen, vor dem Kausalgericht konzentrieren (6 Ob 175/19g; 1 Ob 1669/93; 7 Ob 532/92; Simotta in Fasching/Konecny ³ § 51 JN Rz 106; Mayr in Rechberger/Klicka , ZPO 5 § 51 JN Rz 9; vgl auch RIS Justiz RS0133042). Vorbild der Bestimmung war § 51 Abs 1 Z 3 JN, wonach Angestellte einer Gesellschaft, die sich deren Vertragspartnern, also Dritten, durch rechtswidriges Verhalten im Rahmen ihrer Tätigkeit für die Gesellschaft verantwortlich gemacht haben, so wie die Gesellschaft selbst vor dem Handelsgericht geklagt werden können. Für Vorstandsmitglieder, Geschäftsführer und sonstige Funktionäre oder Mitglieder einer Gesellschaft, die sich im Rahmen ihrer Tätigkeit Dritten gegenüber verantwortlich gemacht haben, fehlte nach herrschender Rechtsprechung eine solche Bestimmung; sie konnten wegen dieser deliktischen Schädigung nur vor dem allgemeinen Gericht geklagt werden. Auch das Rechtsverhältnis der genannten Personen zu Dritten sollte daher in die Handelsgerichtsbarkeit einbezogen werden (AB 1337 BlgNR 15. GP 4).

[8] Die Rechtsprechung stellt zur Auslegung des Zuständigkeitstatbestands des § 51 Abs 1 Z 6 JN maßgeblich auf die deliktische Haftung der genannten Personen ab (4 Ob 169/02k; RS0046431 [T2]), nicht darunter fallen rein vertragliche Ansprüche aus ihren persönlich eingegangenen Verpflichtungen (RS0046405).

[9] 3. Der Kläger stützt – wie der Revisionsrekurs auch betont – seinen Anspruch nur auf deliktische Ansprüche gegen den Beklagten. Dieser habe in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer einer Gesellschaft, mit der der Kläger in Vertragsbeziehung stand, gegen das österreichische Glücksspielgesetz verstoßen. Eine unmittelbare vertragliche Verbindung der Streitteile ist dem Klagsvorbringen nicht zu entnehmen.

[10] Der Revisionsrekurs argumentiert jedoch, die höchstgerichtliche Rechtsprechung zur sachlichen Zuständigkeit für Klagen aus deliktischem Verhalten gegen Unternehmen, die konzessionslos Glücksspiel anbieten, müsste auch für Klagen gegen Organe solcher Gesellschaften maßgeblich sein.

[11] Hinsichtlich der Unternehmen bestimmt sich die Zuständigkeit der Handelsgerichte nach der Z 1 des § 51 Abs 1 JN. Danach fallen nur Streitigkeiten aus unternehmensbezogenen Geschäften , wenn die Klage gegen einen im Firmenbuch eingetragenen Unternehmer gerichtet ist und das Geschäft auf Seiten des Beklagten ein unternehmensbezogenes Geschäft ist, unter die Handelssachen. Im Unterschied zu den Fällen des § 51 Abs 1 Z 6 JN sind rein deliktische Ansprüche Dritter hier nicht umfasst. Die im Revisionsrekurs zitierte Rechtsprechung (7 Ob 173/19w; RS0113977) ist insoweit nicht einschlägig. Daher ist auch nicht weiter darauf einzugehen, inwieweit es sich nicht auch gegenüber der Glücksspielunternehmer um „unternehmensbezogene“ Ansprüche handelt (so aber die dies verneinende Rechtsprechung [7 Ob 173/19w]).

[12] 4. Jedenfalls ändert d er Umstand, dass eine einheitliche Zuständigkeit für Klagen Dritter aufgrund deliktischer Schädigung gegen eine Gesellschaft und deren Organe in bestimmten Fallkonstellationen aus verfahrensökonomischer Sicht wünschenswert ist, nichts an dem eindeutigen Gesetzeswortlaut.

[13] 5. Dem Revisionsrekurs war daher nicht Folge zu geben. Der Kostenausspruch gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

Rechtssätze
4