JudikaturJustiz7Ob583/94

7Ob583/94 – OGH Entscheidung

Entscheidung
13. Juli 1994

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter, Dr.Schalich, Dr.Tittel und Dr.I.Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R***** reg.Genossenschaft mbH, ***** vertreten durch Dr.Michael Vallender, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Mag.Peter K*****, vormals *****, vertreten durch Dr.Susanne Michalek, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 798.850,-- s.A. infolge Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgerichtes vom 14. Dezember 1993, GZ 45 R 672/93-11, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Bruck/Leitha vom 6.Juli 1993, GZ 1 C 673/93p-4, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird,

a) soweit er sich gegen Punkt 1. des angefochtenen Beschlusses richtet, nicht Folge gegeben;

b) soweit er sich gegen Punkt 2. und gegen den Kostenpunkt des angefochtenen Beschlusses richtet, Folge gegeben. Der Beschluß der zweiten Intanz wird in diesem Umfang aufgehoben und dem Erstgericht aufgetragen, über den Überweisungsantrag der klagenden Partei zu entscheiden.

Die Rekurskosten und Revisionsrekurskosten bilden weitere Kosten des Unzuständigkeitsstreites.

Text

Begründung:

Die Klägerin begehrt von dem nach den Klagsbehauptungen in Wien wohnhaften Beklagten, dessen Beruf sie mit "Geschäftsführer" angibt, mit ihrer beim Bezirksgericht B***** eingebrachten Klage S 798.850,-- und bringt vor, der Beklagte habe für einen von der Peter Sch***** GesmbH aufgenommenen Kredit gebürgt. Zur Zuständigkeit des von ihr angerufenen Gerichts beruft sie sich auf eine Gerichtsstandsvereinbarung nach § 104 JN.

Der Beklagte wandte in der ersten Tagsatzung die örtliche und sachliche Unzuständigkeit des Bezirksgerichtes B***** ein. Er verwies auf die JN und das Konsumentenschutzgesetz und brachte vor, daß er die Bürgschaftserklärung, wenn überhaupt, so nicht als Geschäftsführer einer GesmbH, sondern als Privatmann abgegeben habe.

Das Erstgericht verwarf nach Einsicht in die von der klagenden Partei in der ersten Tagsatzung vorgelegte Bürgschaftserklärung die Unzuständigkeitseinrede. Der Beklagte sei Geschäftsführer der Hauptschuldnerin gewesen.

Das Rekursgericht gab über Rekurs des Beklagten der Unzuständigkeitseinrede statt (Punkt 1) und wies die Klage zurück (Punkt 2 des angefochtenen Beschlusses). Der Bürgschaftserklärung könne nicht entnommen werden, daß der Beklagte als Geschäftsführer der Hauptschuldnerin tätig ist. Auch aus den Klagsangaben lasse sich nicht ableiten, daß der Beklagte als Unternehmer in Anspruch genommen werde. Die Berufsbezeichnung "Geschäftsführer" reiche für eine solche Annahme nicht aus, weil daraus keine Kaufmannseigenschaft abgeleitet werden könne. Sei aber der Beklagte als Verbraucher im Sinne des § 1 Abs.2 KSchG zu qualifizieren, so stehe § 14 KSchG der gegenständlichen Gerichtsstandsvereinbarung entgegen.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diese Entscheidung von der Klägerin erhobene Revisionsrekurs - mit dem die Klägerin den Antrag verbindet, für den Fall, daß dem Revisionsrekurs keine Folge gegeben werden sollte, die Klage an das nicht offenbar unzuständige Landesgericht für ZRS Wien zu überweisen - ist zulässig und zum Teil berechtigt.

In zutreffender Weise hat zwar das Rekursgericht das Erstgericht als unzuständig angesehen, sodaß Punkt 1 des angefochtenen Beschlusses zu bestätigen war (§ 528a, § 510 Abs 3 ZPO).

Gerechtfertigt dagegen erweisen sich die Rechtsmittelausführungen zu Punkt 2 des Beschlusses der zweiten Instanz.

Zwar kann mit Rücksicht auf den Inhalt der 1.Tagsatzung vom 6.7.1993 nach dem hierüber vollen Beweis machenden Protokoll (§ 215 ZPO) nicht gesagt werden, die Entscheidung des Erstgerichtes sei ohne vorgängige mündliche Verhandlung ergangen, sodaß auch die behauptete Nichtigkeit nicht vorliegt. Die Klägerin hätte daher Gelegenheit gehabt, den Antrag zu stellen, daß das Gericht für den Fall, daß es seine Unzuständigkeit ausspricht, die Klage an ein von ihr namhaft zu machendes, nicht offenbar unzuständiges Gericht überweist.

Die geltend gemachte Mangelhaftigkeit liegt allerdings vor. Nach dem Inhalt des Protokolls über die 1.Tagsatzung vom 6.7.1993 (und dem anläßlich der Vorlage des gegenständlichen Rechtsmittels angefertigten Amtsvermerk des Erstrichters vom 4.3.1994) ist die in § 182 Abs 2, letzter Satz, ZPO vorgesehene Belehrung des Klagevertreters über die Möglichkeit einer Antragstellung iS des § 261 Abs 6 ZPO in der genannten Tagsatzung unterblieben.

Gemäß § 182 Abs.2 letzter Satz ZPO (idF der ZVN 1983) hat das Gericht bei Bedenken gegen seine Zuständigkeit vor einer Entscheidung hierüber den Parteien die Gelegenheit zu einer Heilung der Unzuständigkeit (§ 104 Abs.3 JN) bzw. zu einem Antrag auf Überweisung der Rechtssache an das zuständige Gericht (§ 261 Z 6 ZPO) zu geben. Nach den Gesetzesmaterialien (669 BlgNR 15.GP 50) soll (auch) diese Bestimmung dem Anliegen dienen, Unzuständigkeitsstreitigkeiten und die Frustrierung von Verfahrensaufwand zu vermeiden. Die Vorschrift des § 182 Abs.2 letzter Satz ZPO beinhaltet eine Erweiterung der Prozeßleitungspflicht des Richters und ist auch dann anzuwenden, wenn der Kläger rechtsanwaltlich vertreten ist. Sie führt dazu, daß der Richter allfällige Bedenken gegen seine Zuständigkeit immer zu erörtern und auch rechtskundig vertretene Parteien auf die Heilungsmöglichkeit oder die Möglichkeit eines Überweisungantrages hinzuweisen hat (vgl. Fasching JBl. 1982, 77; derselbe in LB Rz 226 und 782; Fucik, RZ 1985, 261). Die Verletzung der Vorschrift des § 182 Abs.2 letzter Satz ZPO durch den Erstrichter begründet einen Verfahrensverstoß, der im Rekurs gegen einen Beschluß, mit dem die Klage zurückgewiesen wurde, geltend gemacht werden kann und zur Aufhebung der klagszurückweisenden Entscheidung durch das Rekursgericht führt (vgl. Fasching aaO, Fucik aaO). Entgegen der Lehrmeinung der Letztzitierten vertritt die Rechtsprechung nicht die Auffassung, daß in einem derartigen Fall dem Kläger noch die Möglichkeit nach § 230a ZPO zusteht (vgl. JBl. 1986, 530 = RZ 1986/61).

Die klagende Partei hat es zwar unterlassen, in ihrer Rekursbeantwortung auf den dem Erstgericht unterlaufenen Verfahrensmangel hinzuweisen. Aufgrund der vorliegenden Ausführungen kommt aber dem Versehen des Erstgerichtes die Qualität eines Gesetzesverstoßes zu (vgl MGA ZPO14 § 503/29). Die Klägerin konnte daher diesen Verstoß als erhebliche Rechtsfrage des Verfahrensrechtes noch in ihrem außerordentlichen Rechtsmittel geltend machen (§ 528 Abs 1 ZPO). Eine Heranziehung der Rechtsprechung, wonach bei sonstigem Ausschluß in einem außerordentlichen Revisionsrekurs Verfahrensmängel der ersten Instanz in der Rechtsmittelschrift an die zweite Instanz zu rügen sind (vgl. JBl. 1986, 121 = MietSlg. 37.760 und 37.774) ist daher nicht gerechtfertigt. Obwohl die Voraussetzungen dem Grunde nach vorliegen, war es dem Obersten Gerichtshof verwehrt, über den von der Klägerin gestellten Antrag auf Überweisung nach § 261 Abs 6 ZPO an das nicht offenbar unzuständige Landesgericht für ZRS Wien zu entscheiden, weil dabei gleichzeitig auch über die Kosten des Unzuständigkeitsstreites abzusprechen gewesen wäre, wodurch der Rechtsmittelzug der Parteien unzulässigerweise verkürzt worden wäre. Der Kostenvorbehalt stützt sich daher auf die §§ 50 und 52 ZPO.

Rechtssätze
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