JudikaturJustiz7Ob444/57

7Ob444/57 – OGH Entscheidung

Entscheidung
09. Oktober 1957

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Bernard als Vorsitzenden und durch die Räte des Obersten Gerichtshofs Dr. Kisser, Dr. Sabaditsch und Dr. Turba sowie den Rat des Oberlandesgerichts Dr. Lassmann als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A***** F*****, vertreten durch Dr. Engelbert Draxler, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagte Partei P***** F*****, vertreten durch Dr. Ludwig Freiberger, Rechtsanwalt in Bruck a.d. Mur, wegen Wiederaufnahme des Verfahrens 6 a Cg 64/49 des Kreisgerichts Leoben (Streitwert 100.000 S) infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 3. Juni 1957, GZ 3 R 80/57, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Kreisgerichts Leoben vom 16. April 1956, GZ 6 Cg 356/56 21, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.476,15 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Beklagte lebte mit ihrem im Jahr 1948 verstorbenen Gatten W***** F***** seit vielen Jahren in Bolivien. Die Klägerin war mit seinem im Jahr 1943 verstorbenen Neffen Dr. F***** F***** verheiratet. Als Treuhänder des W***** F***** und der Beklagten und mit deren Mitteln erwarben Dr. F***** F***** und die Klägerin im Jahr 1932 die Liegenschaft EZ ***** Grundbuch B*****, auf der sie in den Jahren 1932 1934 ein Haus bauten; dabei verwendeten sie auch Eigenmittel. Bis zum Tod des Dr. F***** F***** war das Eigentumsrecht ob EZ ***** je zur Hälfte für ihn und die Klägerin einverleibt, seither ist die Klägerin alleinige Eigentümerin.

Zu 6 a Cg 64/49 des Kreisgerichts Leoben wurde die Klägerin von der Beklagten auf Ausstellung einer Aufsandungserklärung belangt. Sie wendete damals ein, dass zwar sie und ihr Gatte der P***** F***** und deren Gatten bücherliches Eigentum zu verschaffen gehabt hätten, dass aber schon vor 1938 rechtliche Schwierigkeiten für die Anschreibung bestanden und außerdem Voraussetzung war, dass ihnen die Mehrausgaben ersetzt werden; mit Rücksicht auf diese Umstände hätten W***** F***** und P***** F***** im Jahre 1938 durch ihre Generalbevollmächtigten B***** und A***** F***** in Brünn mit mehreren Schreiben auf die bücherliche Einverleibung ihres Eigentumsrechts verzichtet, zugleich aber dem Dr. F***** F***** den Auftrag gegeben, die Liegenschaft anderweitig zu veräußern; die Befolgung dieses Auftrags hätte aber unter den seit 1938 herrschenden Verhältnissen die Gefahr von Vermögensnachteilen für W***** F***** und P***** F***** mit sich gebracht, weshalb er nicht ausgeführt wurde. P***** F***** habe den Verzicht wohl mit Schreiben vom 22. 6. 1949 widerrufen und auch zum Ausdruck gebracht, dass kein Veräußerungsauftrag mehr vorliege, doch sei ein solcher Widerruf unzulässig. Mit ihrem Hauptbegehren auf Klagsabweisung drang A***** F***** nicht durch, wohl aber mit ihrem Eventualbegehren, die Abgabe der Aufsandungserklärung vom Ersatz ihrer Aufwendungen abhängig zu machen. Am 26. 8. 1955 wurde auf Antrag der Beklagten Exekution bewilligt.

In ihrer kurz darauf eingebrachten Wiederaufnahmsklage machte die Klägerin geltend, sie könne durch zwei auf dem Dachboden gefundene Briefe der Ehegatten F***** vom März 1939 beweisen, dass W***** F***** auf das Haus verzichtet und es ihr und ihrem Gatten überlassen habe. Der Erstrichter wies die Klage mit der Begründung ab, dass diese Briefe nicht geeignet gewesen wären, eine für die Klägerin günstigere Entscheidung im Vorprozess herbeizuführen.

Die Berufung der Klägerin blieb erfolglos.

Das Berufungsgericht vertrat den Standpunkt, dass es sich nicht um ein neues Beweismittel für eine schon im Vorprozess behauptete Tatsache, sondern um die Behauptung einer neuen Tatsache handle, von deren Geltendmachung die Klägerin aber gemäß § 530 Abs 2 ZPO ausgeschlossen sei, weil sie von der angeblichen endgültigen Überlassung der Liegenschaft in ihr und ihres Gatten freies Eigentum bereits zur Zeit der Verhandlung erster Instanz im Vorprozess Kenntnis hatte; sie könne das Unterlassen entsprechenden Vorbringens nicht damit entschuldigen, dass sie die beiden Briefe damals nicht zur Verfügung hatte; zudem seien ihr auch andere Beweismöglichkeiten offen gestanden. Als Verschulden sei ihr ferner anzulasten, dass sie nicht früher auf dem Dachboden Nachschau gehalten habe. Falls die Klägerin durch die beiden Briefe nur beweisen wolle, dass W***** F***** zur Ersparung von Übertragungsgebühren im Hinblick auf den beabsichtigten Verkauf der Liegenschaft auf die Verbücherung seines Eigentumsrechts vor der Durchführung des Verkaufs verzichtet habe, seien diese Beweismittel nicht geeignet, eine günstigere Entscheidung zu bewirken, weil schon im Hauptprozess erkannt worden sei, dass ein derartiger Verzicht keine bindende Wirkung für alle Zukunft hatte.

Das Urteil des Berufungsgerichts wird von der Klägerin aus dem Revisionsgrunde nach § 503 Z 4 ZPO mit dem Antrag angefochten, die Wiederaufnahme zu bewilligen.

Rechtliche Beurteilung

Die Beklagte beantragt der Revision keine Folge zu geben.

Die Revision ist nicht berechtigt. Ihr Versuch darzulegen, die Klägerin behaupte im Wiederaufnahmsprozess nichts anderes als im Vorprozess, geht fehl. Ihr Vorbringen ging seinerzeit lediglich dahin, dass die Treugeber darauf verzichteten bei der Veräußerung des Hauses, die sie den Treuhändern auftrugen, als Eigentümer aufzutreten. Mit dem verfehlten Argument, dieser mit dem Veräußerungsauftrag verbundene Verbücherungsverzicht sei unwiderruflich, versuchte die Klägerin im Vorprozess die Abweisung des Klagebegehrens zu erreichen. Sie musste damit scheitern, weil sie aus der Nichtbefolgung des Veräußerungsauftrags nicht ableiten konnte, aus der Treuhandverpflichtung entlassen zu sein. Das Vorbringen im Wiederaufnahmsprozess sollte diesen Rechtsstandpunkt nun begründen; denn nunmehr behauptete sie, die Treugeber hätten auf ihre Ansprüche aus der Treuhandvereinbarung zu ihren und ihres Gatten Gunsten verzichtet.

Die Frage, ob die von der Klägerin vorgelegte Korrespondenz die Bedeutung hatte, welche ihr die Klägerin beimisst, ist hier nicht näher zu untersuchen, weil das Berufungsgericht zutreffend die Zulässigkeit der neuen Behauptungen verneint hat. § 530 Abs 2 ZPO stellt die Sanktion für Verstöße gegen die prozessuale Diligenzpflicht dar (3 Ob 79/55). Die Klägerin war gemäß § 178 ZPO verpflichtet alle zur Begründung ihres Abweisungsbegehrens erforderlichen Umstände der Wahrheit gemäß vollständig und bestimmt vorzubringen und die zur Feststellung ihrer Angaben nötigen Beweise anzugeben. Dass sie die nachträglich gefundenen Briefe nicht zur Hand hatte, vermag den Verstoß gegen die Vorschrift des § 178 ZPO nicht zu entschuldigen. Zutreffend führte das Berufungsgericht aus, dass die Klägerin zumindest die Parteienvernehmung als sogleich verfügbares Beweismittel anbieten und wenigstens die Eheleute F***** als Zeugen namhaft machen konnte, mochte ihr deren Anschrift auch unbekannt sein. Die Revisionsbehauptung, sie seien schon vor Beginn des Prozesses gestorben, steht im Widerspruch zum Vorbringen der Klägerin im Schriftsatz ON 4. Zutreffend verwies das Berufungsgericht auch auf die Präkludierungsbestimmung des § 279 ZPO im Zusammenhang mit § 531 ZPO.Verschleppungsabsicht hätte der Klägerin im Vorprozess vorgeworfen werden können, wenn sie erst nach einem mehrjährigen kostspieligen Streit über ihr auf den gegenteiligen Rechtsstandpunkt nämlich den Weiterbestand des Treuhandverhältnisses gegründetes Eventualbegehren die jetzt geltend gemachten Umstände vorgebracht hätte (§ 179 Abs 1 ZPO). Aus diesem Grund für unstatthaft erklärtes Vorbringen ist auch zur Begründung einer Wiederaufnahmsklage ungeeignet (SZ VIII/45, EvBl 1947, Nr 468, Neumann , S 1416). Dagegen hätte bei unverzüglicher, vollständiger und wahrheitsgemäßer Geltendmachung des zur Begründung des Rechtsstandpunkts der Klägerin nötigen Sachverhalts der Vorwurf der Verschleppung keinesfalls erhoben werden können. Auch dieses Argument ist demnach nicht geeignet, die Annahme eines Verschuldens im Sinn des § 530 Abs 1 ZPO zu widerlegen. Daher war es entbehrlich noch auf die vom Berufungsgericht angenommene Saumseligkeit der Klägerin bei der Suche nach der jetzt vorgelegten Korrespondenz einzugehen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO.