JudikaturJustiz7Ob28/16t

7Ob28/16t – OGH Entscheidung

Entscheidung
16. März 2016

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Höllwerth, Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Malesich und Dr. Singer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dipl. Bw. P***** P*****, MBA, *****, vertreten durch Dr. Karl Heinz Plankel und andere, Rechtsanwälte in Dornbirn, gegen die beklagte Partei A***** SE *****, vertreten durch Mag. Martin Paar und Mag. Hermann Zwanzger, Rechtsanwälte in Wien, wegen Feststellung, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Handelsgerichts Wien als Berufungsgericht vom 13. November 2015, GZ 50 R 47/15s 14, womit das Urteil des Bezirksgerichts für Handelssachen Wien vom 31. März 2015, GZ 20 C 563/14m 10, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 626,52 EUR (darin enthalten 104,42 EUR an USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Der Kläger begehrt vom beklagten Rechtsschutzversicherer Deckung für die Erhebung einer Stufenklage gemäß Art XLII ff EGZPO wegen rückständiger Leistungsvergütungen gegen die Gesellschaft, bei der er als arbeitnehmerähnlicher Handelsvertreter tätig gewesen sei.

Dem Versicherungsvertrag liegen die Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutz-Versicherung (ARB 2003) zugrunde. Diese lauten auszugsweise:

Gemeinsame Bestimmungen

...

Artikel 7

Was ist vom Versicherungsschutz ausgeschlossen?

1. Kein Versicherungsschutz besteht für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen

...

1.5. aus Anstellungsverträgen gesetzlicher Vertreter juristischer Personen und aus dem Bereich des Handelsvertreterrechtes;

Besondere Bestimmungen

...

Artikel 23

Rechtsschutz in Arbeits- und Dienstrechtssachen

Der Versicherungsschutz erstreckt sich je nach Vereinbarung auf den Berufs- und/oder Betriebsbereich.

1. Wer ist in welcher Eigenschaft versichert?

Versicherungsschutz haben

1.1. im Berufsbereich

der Versicherungsnehmer und … in ihrer Eigenschaft als Arbeitnehmer im Sinne des § 51 ASGG für Versicherungsfälle, die mit der Berufsausübung unmittelbar zusammenhängen oder auf dem direkten Weg von und zur Arbeitsstätte eintreten;

Das Berufungsgericht verneinte die Deckungspflicht. Es ließ die ordentliche Revision zu, weil keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Anwendung von Art 7.1.5. ARB 2003 auf arbeitnehmerähnliche Handelsvertreter vorliege.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig.

1. Das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage ist nach dem Zeitpunkt der Entscheidung über das Rechtsmittel durch den Obersten Gerichtshof zu beurteilen. Eine im Zeitpunkt der Einbringung tatsächlich aufgeworfene erhebliche Rechtsfrage fällt somit weg, wenn die bedeutsame Rechtsfrage durch eine andere Entscheidung des Obersten Gerichtshofs bereits vorher geklärt wurde (RIS Justiz RS0112921 [T5]). Dies ist hier der Fall:

2. Der Oberste Gerichtshof hat in seiner Entscheidung vom 27. 1. 2016, 7 Ob 156/15i, zu den auch in der vorliegenden Rechtssache, der ein vergleichbarer Sachverhalt zugrunde liegt, aufgeworfenen Rechtsfragen zusammengefasst wie folgt Stellung genommen:

2.1. Da die personale Risikoumschreibung in Art 23.1.1. ARB 2003 generell „Arbeitnehmer“ im Sinn des § 51 ASGG einschließt, erstreckt sich der Versicherungsschutz nach dieser Bestimmung auch auf arbeitnehmerähnliche Personen iSd § 51 Abs 3 Z 2 ASGG.

2.2. Art 7.1.5. ARB 2003 beschreibt den Risikoausschluss nach seinem klaren Wortlaut nicht unmittelbar personenbezogen nach der Rechtsstellung des Versicherungsnehmers. Er differenziert insbesondere nicht danach, ob der Versicherungsnehmer als selbständiger oder als arbeitnehmerähnlicher freier Handelsvertreter zu qualifizieren ist, sondern schließt den Versicherungsschutz für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen aus dem Bereich des Handelsvertreterrechts aus. Der Risikoausschluss nach Art 7.1.5. ARB 2003 ist daher besonders anhand der faktisch ausgeübten Tätigkeit des Versicherungsnehmers und der Qualität der von ihm verfolgten Ansprüche zu beurteilen.

2.3. Davon ausgehend beurteilte der Oberste Gerichtshof den Fall, dass eine arbeitnehmerähnliche Person im Rahmen eines Strukturvertriebs Kapitalanlagen, Bauspar- und Versicherungsverträge vertreibt, ihre Tätigkeit dabei weitgehend selbst bestimmt und gegen den Unternehmer mit einer Stufenklage die Klärung und Auszahlung von rückverrechneten Leistungsvergütungen anstrebt, mit denen sie wegen stornierter Verträge der ihr zugeordneten Mitarbeiter belastet wurde, als dem Risikoausschluss des Art 7.1.5. ARB 2003 zu unterstellende Wahrnehmung rechtlicher Interessen aus dem Bereich des Handelsvertreterrechts.

3. Die in der Entscheidung 7 Ob 156/15i geäußerte Rechtsansicht des Fachsenats wurde in der Zwischenzeit in weiteren Entscheidungen bekräftigt (7 Ob 177/15b, 7 Ob 213/15x, 7 Ob 9/16y und 7 Ob 20/16s).

4. Vor diesem Hintergrund hält sich die Beurteilung des Berufungsgerichts, der Kläger habe nach Art 23.1.1. ARB 2003 Versicherungsschutz in (seiner) Eigenschaft als arbeitnehmerähnliche Person iSd § 51 Abs 3 Z 2 ASGG ebenso im Rahmen oberstgerichtlicher Judikatur, wie jene, dass der Kläger, der im Rahmen eines Strukturvertriebs als Bezirksleiter Finanzdienstleistungen vermittelt, seine Tätigkeit dabei weitgehend selbst bestimmt und gegen den Unternehmer mit einer Stufenklage die Klärung und Auszahlung rückständiger Leistungsvergütungen anstrebt, rechtliche Interessen aus dem Bereich des Handelsvertreterrechts wahrnehme, diese Rechtsverfolgung aber dem Risikoausschluss nach Art 7.1.5. ARB 2003 unterliege.

5. Die vom Kläger zu den Art 7.1.5. und 23.1.1. ARB 2003 aufgeworfenen Fragen sind daher nicht mehr als erheblich einzustufen, weshalb seine Revision zurückzuweisen ist.

6. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO. Konnte der Revisionsgegner bei Erstattung der Rechtsmittelbeantwortung die Unzulässigkeit der Revision nicht erkennen, weil zu diesem Zeitpunkt jene Entscheidung des Obersten Gerichtshofs noch nicht ergangen war, welche die auch im Anlassfall entscheidungswesentliche erhebliche Rechtsfrage beantwortete, so stehen ihm in analoger Anwendung des § 50 Abs 2 ZPO die Kosten der Revisionsbeantwortung auch dann zu, wenn er auf die Unzulässigkeit der Revision nicht hinwies (RIS Justiz RS0123861).

Rechtssätze
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