JudikaturJustiz7Ob268/99h

7Ob268/99h – OGH Entscheidung

Entscheidung
27. Oktober 1999

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Tittel, Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller und Dr. Kuras als weitere Richter in der Pflegschaftssache der minderjährigen Melanie W*****, geboren am *****, vertreten durch ihren Vater Hubert W*****, infolge Rekurses der Bezirkshauptmannschaft Sch*****, Jugendabteilung, gegen den Beschluss des Landesgerichtes St. Pölten als Rekursgericht vom 3. September 1999, GZ 10 R 282/99v-69, womit infolge Revisionsrekurses der Bezirkshauptmannschaft Sch***** der Beschluss des Bezirksgerichtes Scheibbs vom 5. Juli 1999, GZ 4 P 52/97i-63, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Aus Anlass des Revisionsrekurses werden die Entscheidungen der Vorinstanzen ersatzlos aufgehoben. Der Antrag des Vaters der Minderjährigen Hubert W***** auf Enthebung der Bezirkshauptmannschaft Sch***** vom Amt des Unterhaltssachwalters wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Die Ehe der Eltern der Minderjährigen wurde mit Urteil des Bezirksgerichtes Sch***** vom 19. 3. 1998, *****, geschieden. Bereits davor lebten die Eltern getrennt, die Minderjährige überwiegend im Haushalt der Mutter. Über Antrag der Bezirkshauptmannschaft Sch***** als Unterhaltssachwalter wurde der Vater (letztlich) zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von S 3.700,-- verpflichtet.

Mit Beschluss des Erstgerichtes vom 27. 5. 1998 wurde dem Vater auch die gesetzliche Vertretung betreffend die Geltendmachung der Unterhaltsansprüche entzogen, jedoch nach der Scheidung mit Beschluss vom 8. 1. 1999, 4 P 52/97i-44, ihm die Obsorge über die Minderjährige zur Gänze übertragen. Der Vater gab am 17. 6. 1999 seinen Antrag auf Enthebung der Bezirkshauptmannschaft Sch***** als Unterhaltssachwalter zu Protokoll, da er in Fragen des Unterhaltes mit der Mutter einvernehmlich vorgehe. Die Bezirkshauptmannschaft Sch***** äußerte sich zu diesem ihr zur Kenntnis gebrachten Antrag dahin, dass der Enthebung erst mit dem Zeitpunkt 20. 4. 1999 zugestimmt werde. Sie teilte dazu auch mit, dass der Vater nie freiwillig Unterhaltszahlungen geleistet habe und die Unterhaltsrückstände nur durch Exekution zum Teil hereingebracht werden konnten. Es hafte ein Rückstand in Höhe von S 53.842,52 aus.

Das Erstgericht enthob über Antrag des Vaters mit Beschluss vom 5. 7. 1999 die Jugendabteilung der Bezirkshauptmannschaft Sch***** vom Amt des Unterhaltssachwalters. Es stützte sich darauf, dass das Einschreiten der Jugendabteilung nicht mehr erforderlich sei, da die Eltern beabsichtigten, die Unterhaltsansprüche einvernehmlich zu regeln und daher dem Antrag des Vaters stattzugeben wäre.

Das Rekursgericht bestätigte über Rekurs der Bezirkshauptmannschaft Sch***** den Beschluss des Erstgerichtes und führte im wesentlichen aus, dass es sich bei der Zustimmung zur Vertretung nach § 212 Abs 2 ABGB um eine rechtsgeschäftliche Übertragung eines bestimmten Teiles der gesetzlichen Vertretungsbefugnis handle. Der Nachfolger in der gesetzlichen Vertretung könne auf dieses Rechtsgeschäft zwischen der früheren Vertreterin und der Bezirkshauptmannschaft Sch***** nicht unmittelbar Einfluss nehmen. Aus der Durchsetzung der Unterhaltsansprüche für die Vergangenheit gegen den Vater würde jedoch zwangsläufig eine Minderung der nunmehr dem Vater für den Unterhalt zur Verfügung stehenden Ressourcen entstehen, weshalb das Gericht in Wahrnehmung seiner Zuständigkeit und Aufgaben gemäß § 176 ABGB die Bezirkshauptmannschaft Sch***** von ihrer Funktion eines Unterhaltssachwalters entheben könne. Dazu fehle jedoch eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes, weshalb der ordentliche Revisionsrekurs zuzulassen sei.

Aus Anlass des zulässigen Revisionsrekurses der Bezirkshauptmannschaft Sch***** waren die Entscheidungen der Vorinstanzen aufzuheben und der Antrag des Vaters der Minderjährigen auf Enthebung der Bezirkshauptmannschaft Sch***** als Unterhaltssachwalter zurückzuweisen.

Rechtliche Beurteilung

Nach § 212 Abs 2 ABGB ist der Jugendwohlfahrtsträger dann Sachwalter des Kindes zur Festsetzung oder Durchsetzung der Unterhaltsansprüche, wenn die schriftliche Zustimmung des gesetzlichen Vertreters dazu vorliegt. Zu dieser Bestellung des Jugendwohlfahrtsträgers bedarf es dann keines Gerichtsbeschlusses (vgl MGA ABGB35 § 212 E 1; Schwimann in Schwimann ABGB2 § 212 Anm 3 ua). Die Zustimmung wird dabei als rechtsgeschäftliche Erklärung verstanden (vgl OGH 11. 10. 1990 EvBl 1991/51 = ÖA 1992, 23).

Nach § 212 Abs 5 ABGB endet die Vertretungsbefugnis des Jugendwohlfahrtsträgers zur Vertretung in Unterhaltssachen einerseits dann, wenn der gesetzliche Vertreter seine Zustimmung schriftlich widerruft, oder andererseits, wenn das Gericht den Jugendwohlfahrtsträger auf dessen Antrag als Sachwalter enthebt, weil er zur Wahrung der Rechte und zur Durchsetzung der Ansprüche des Kindes nach Lage des Falles nichts mehr beizutragen vermag.

Auch für den erstgenannten Fall der Beendigung der Vertretungsbefugnis durch schriftlichen Widerruf der Zustimmung bedarf es keines Gerichtsbeschlusses, sondern tritt diese mit dem Widerruf der Zustimmung ex lege ein (vgl dazu Schwimann in Schwimann ABGB2 § 212 Anm 6; im Ergebnis auch schon OGH 11. 10. 1990 EvBl 1991/51 = ÖA 1992, 23). Ein gerichtliches Verfahren ist dafür also nicht vorgesehen.

Die Ansicht des Rekursgerichtes, dass nur jener gesetzliche Vertreter des Kindes, der die Zustimmung früher erteilte, diese auch widerrufen könne kann in dieser Form einerseits weder auf Pichler in Rummel ABGB2 § 212 Anm 4a, wonach es sich bei der rechtsgeschäftlichen Übertragung der Vertretungsmacht nicht um eine Rechtshandlung namens des Kindes in Bezug auf einen Dritten handle, und noch auf die Entscheidung 3 Ob 526/94 (= ÖA 1995, 64) gestützt werden. In dieser Entscheidung wurde festgehalten, dass der Umstand, dass nun dem anderen Elternteil die Obsorge zukomme "allein" keine Beendigung der Sachwalterschaft des Jugendwohlfahrtsträgers nach § 212 Abs 1 ABGB bewirke. Daraus kann aber nicht abgeleitet werden, dass jener Elternteil, dem nunmehr die Obsorge zukommt, nicht einen Widerruf iSd § 212 Abs 5 ABGB aussprechen könnte. Er ist dann eben der alleinige gesetzliche Vertreter iSd § 212 Abs 5 ABGB. Daher kann dieser dann auch eine etwa von einem früheren gesetzlichen Vertreter nach § 212 Abs 2 ABGB erteilte Zustimmung wiederum nach § 212 Abs 5 ABGB schriftlich widerrufen (vgl Pichler aaO Rz 9).

Der Auffassung der Bezirkshauptmannschaft Sch*****, dass sie weiter berechtigt wäre, die in der Vergangenheit angefallenen Unterhaltsbeiträge einzutreiben ist entgegenzuhalten, dass es in § 212 Abs 5 ABGB um den Übergang der gesetzlichen Vertretung des Kindes geht, und dieser Bestimmung nicht entnommen werden kann, dass der davon entbundene Jugendwohlfahrtsträger trotzdem weiterhin auf unbestimmte Zeit in bestimmten Vermögensbereichen vertretungsbefugt sein soll. Dies widerspräche dem Sinn des Widerrufes und würde die Wirksamkeit der Vertretungshandlungen des obsorgeberechtigten Elternteiles ohne gesetzliche Deckung einschränken. Ist nun die Befugnis eines Sachwalters davon abhängig, dass in dem jeweiligen Zeitabschnitt die Zustimmung des gesetzlichen Vertreters vorliegt, so bezieht sich das auf den jeweiligen gesetzlichen Vertreter des Kindes.

Soweit hier die Mutter infolge Säumigkeit des Vaters in der Vergangenheit vermehrt für den Unterhalt der Minderjährigen aufgekommen ist, steht ihr ein Ersatzanspruch nach § 1042 ABGB zu (vgl MGA ABGB35 § 1042 E 38 ff).

Der Antrag des Vaters der Minderjährigen vom 17. 6. 1999 stellt einen Widerruf dar, der dem Jugendwohlfahrtsträger auch zugestellt wurde. Damit ist aber die Sachwalterschaft des Jugendwohlfahrtsträgers ohne weiteren gerichtlichen Beschluss erloschen. Auch deshalb kam eine Enthebung nicht mehr in Betracht.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen waren ersatzlos aufzuheben und der Antrag des Kindesvaters zurückzuweisen.

Rechtssätze
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