JudikaturJustiz7Ob209/97d

7Ob209/97d – OGH Entscheidung

Entscheidung
28. August 1997

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter, Dr.Schalich, Dr.I.Huber und Dr.Baumann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Siegfried Maximilian S*****, vertreten durch Dr.Peter Wiesauer und Dr.Helmut Hackl, Rechtsanwälte in Linz, wider die beklagte Partei Thomas Maximilian S*****, vertreten durch Dr.Edgar Hofbauer ua Rechtsanwälte in Lambach, wegen Unzulässigerklärung einer Exekution gemäß § 35 EO (Streitwert nach RAT S 220.000,--, Streitwert nach GGG S 7.950,--), infolge von Rekursen beider Streitteile gegen den Beschluß des Landesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom 2.April 1997, GZ 14 R 43/97k-16, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Linz vom 28.Okober 1996, GZ 23 C 17/95i-8, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Beiden Rekursen wird keine Folge gegeben.

Die Kosten des Berufungs- und Rekursverfahrens bilden weitere Verfahrenskosten erster Instanz.

Text

Begründung:

Mit Beschluß des Bezirksgerichtes Schwanenstadt vom 18.11.1993, P *****, wurde der nunmehrige Kläger als ehelicher Vater des am 18.7.1975 geborenen Beklagten verpflichtet, seinem Sohn bis zur Selbsterhaltungsfähigkeit einen monatlichen Unterhalt von S 5.500,-- zu bezahlen. Der Beklagte hatte damals die Matura bestanden und für das Wintersemester 1993/94 an der Universität Wien Völkerkunde und Skandinavistik inskribiert, wobei er nach einem Semester Skandinavistik stattdessen Amerikanistik und Anglistik weiterstudierte. Im Sommersemester 1994 absolvierte der Beklagte den österreichischen Privatpilotenschein und faßte den Entschluß, Berufspilot zu werden. Da dies in Amerika am billigsten möglich war, flog der Beklagte, ohne den Kläger zu informieren, Anfang September 1994 nach bestandener Aufnahmeprüfung nach Amerika. Der Beklagte meldete sich beim Kläger mit einem Brief vom 14.10.1994, in welchem er unter anderem ausführte, daß er nunmehr seine Berufspilotenausbildung in Amerika mache und diese voraussichtlich bis Ende Februar/Anfang März (1995) dauere. Er habe dann seinen amerikanischen Berufspilotenschein mit Blindflugberechtigung und Lehrberechtigung für andere Studenten. Diese Lizenzen könne er auf österreichische umschreiben lassen, um sich dann bei einer Fluglinie bewerben zu können. Davor brauche er aber noch 1500 Flugstunden. Zu Weihnachten 1994 hielt der Kläger bei einem Treffen dem Beklagten vor, er sei, ohne sich abzumelden, einfach nach Amerika abgereist und habe ihn im Glauben gelassen, er würde in Wien studieren. Der Kläger hielt dem Beklagten auch vor, daß ihm unter diesen Umständen eigentlich kein Unterhaltsanspruch mehr zustünde. Der Beklagte wandte ein, daß er den Unterhalt aber dringend benötige, jedenfalls solange, bis er seine Ausbildung zum Piloten absolviert hätte. Neuerlich nannte er hier einen Endtermin mit März 1995 und gab auch zum Ausdruck, daß er seinen amerikanischen Berufspilotenschein in Österreich lediglich umschreiben lassen müsse. Der Kläger erklärte sich daraufhin zur weiteren Unterhaltszahlung bis zu diesem Zeitpunkt bereit und es vereinbarten die Streitteile, daß der Kläger dem Beklagten den Unterhalt bis zur Beendigung der Berufspilotenausbildung in den Vereinigten Staaten bezahlen werde. Als im Frühjahr 1995 der Beklagte dem Kläger mitteilte, daß er auch die Ausbildung zum Fluglehrer mache, was noch etwa zwei bis drei Monate dauern würde, erklärte sich der Kläger auch noch zur Finanzierung dieses Zeitraumes bereit. Den Berufspilotenschein erlangte der Beklagte am 27.4.1995, die Fluglehrerberechtigung am 3.6.1995. Mit Fax vom 2.7.1995 teilte der Kläger dem Beklagten mit, daß er ab August 1995 den Unterhalt einstellen möchte. Der Beklagte äußerte ebenfalls mit Fax mit 2.7.1995 darüber seine Verwunderung, wo doch vereinbart worden sei, daß der Kläger ihn so lange unterstütze, solange er kein ausreichendes Gehalt bekomme. Im Oktober 1995 kehrte der Beklagte nach Österreich zurück und nahm das Studium wieder auf.

Zur Hereinbringung des Unterhaltsrückstandes für die Monate August bis November 1995 im Gesamtbetrag von S 22.000,-- sowie des laufenden Unterhaltes von monatlich S 5.500,-- ab 1.12.1995 wurde dem Beklagten gegen den Kläger zu ***** des BG Linz die Fahrnis- und Forderungsexekution bewilligt.

Gegen den exekutiv betriebenen Anspruch des Beklagten erhob der Kläger mit der vorliegenden Klage Einwendungen gemäß § 35 EO unter Hinweis darauf, daß sich die Verhältnisse seit Beschlußfassung geändert hätten. Der Anspruch aus dem Unterhaltstitel des Beklagten sei erloschen, seine Exekutionsführung sei unzulässig. Der Beklagte sei zufolge seiner Ausbildung zum Berufspiloten selbsterhaltungsfähig. Darüberhinaus habe der Kläger mit dem Beklagten vereinbart, daß ab August 1995 die Unterhaltszahlungen eingestellt würden. Es liege also auch ein Unterhaltsverzicht vor. Kompensando werde aus dem Titel der Irreführung der von September 1994 bis Juli 1995 bezahlte Unterhalt, also S 60.500,-- eingewendet.

Der Beklagte beantragte die Klagsabweisung und wendete ein, er wolle lediglich neben seinem Studium eine weitere Ausbildung als Flugpilot vorantreiben. Beide Ausbildungsgänge seien noch nicht abgeschlossen, sodaß er noch nicht selbsterhaltungsfähig sei. Eine Vereinbarung der Streitteile, wonach der Beklagte ab August 1995 auf Unterhalt verzichte, existiere nicht.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Mit der Weihnachten 1994 getroffenen Vereinbarung habe der Beklagte auf seinen Unterhalt ab August 1995 rechtswirksam verzichtet.

Das Berufungsgericht hob dieses Urteil mit der angefochtenen Entscheidung über Berufung des Beklagten auf und trug dem Erstgericht die ergänzende Verhandlung und neuerliche Entscheidung auf. Es erklärte die Erhebung von Rekursen an den Obersten Gerichtshof für zulässig. Es beurteilte die Tatsachen- und Mängelrüge des Beklagten als unbegründet, erachtete aber aufgrund rechtlicher Erwägungen die Tatsachenfeststellungsgrundlage für eine abschließende Beurteilung als nicht ausreichend. Auch volljährige Kinder könnten nicht gänzlich auf ihren Unterhaltsanspruch für die Zukunft dem Grunde nach verzichten, es könne nur auf Teile von Unterhaltsleistungen und auf einzelne Unterhaltsleistungen, so etwa für einen überschaubaren Zeitraum, wirksam verzichtet werden. Die zwischen den Streitteilen zu Weihnachten 1994 getroffene Vereinbarung könne zwar grundsätzlich einen rechtswirksamen Unterhaltsverzicht des Beklagten gegenüber dem Kläger beinhalten - da ein Studienwechsel innerhalb eines Jahres dem Unterhaltsberechtigten nicht zum Nachteil angerechnet werden dürfe, sei dem Beklagten gegenüber dem Kläger zum Zeitpunkt dieser Vereinbarung ein aufrechter Unterhaltsanspruch zugestanden - , es stehe aber nicht fest, ob der Zeitraum, für den der Beklagte auf Unterhalt verzichtet habe, für ihn auch überschaubar gewesen sei. Ohne entsprechende Anhaltspunkte, wielange es dauere, mit einem amerikanischen Berufspilotenschein in Österreich, ein Einkommen als Berufspilot zu erzielen, sei die Rechtssache nicht spruchreif. Im fortgesetzten Verfahren werde nicht auf die subjektiven Einschätzungen der Beteiligten über die Erlangung einer Verdienstmöglichkeit des Beklagten in Österreich, sondern darauf abzustellen sein, ab wann und unter welchen weiteren Voraussetzungen die amerikanische Pilotenausbildung in Österreich als Berufsausbildung anerkannt werde. Habe der dafür erforderliche Zeitraum bereits zu Weihnachten 1994 festgestanden, dann wäre der Unterhaltsverzicht des Beklagten zufolge zeitlicher Überschaubarkeit wirksam gewesen.

Rechtliche Beurteilung

Die beiden gegen diese Entscheidung erhobenen Rekurse sind nicht berechtigt.

Nach der Entscheidung 1 Ob 561, 562/87 (= EFSlg 53.262 mwN) kann zwar auf jedes auch künftige Recht verzichtet werden, das Recht darf aber nicht nach seiner Zweckbestimmung unverzichtbar sein, der Verzicht darf nicht durch positive Anordnung des Gesetzes ausgeschlossen sein. Dementsprechend können selbst volljährige Kinder nicht auf den ihnen zustehenden gesetzlichen Unterhalt schlechthin verzichten. Schon vor der Neuregelung des Ehegattenunterhaltes bei aufrechter Ehe sei nach der damaligen Rechtsprechung aus der Bestimmung des § 795 ABGB, wonach einem Noterben, der von seinem Pflichtteil gesetzmäßig ausgeschlossen worden sei, dem aber dennoch der notwendige Unterhalt zustehe, der Schluß gezogen werden, daß selbst durch einen Vergleich der notwendige Unterhalt eines minderjährigen Kindes nicht geschmälert werden dürfe. Dieser Rechtssatz sei dahin ausgedehnt worden, daß auch ein Verzicht auf notwendigen Unterhalt nach Volljährigkeit des Kindes unwirksam sei. Diese Rechtsprechung sei von der Lehre gebilligt worden. Nach der zitierten Entscheidung bestehen keine Anhaltspunkte, daß durch die Familienrechtsreform der Gesetzgeber die bis dahin herrschende Rechtsprechung ändern wollte, vielmehr werde die durch Analogie gewonnene Rechtsprechung durch die neue Rechtsentwicklung gestützt. Nunmehr könne nach § 94 Abs 3 ABGB bei aufrechter Ehe auch auf den Unterhaltsanspruch gegen den anderen Ehegatten an sich im vorhinein nicht mehr verzichtet werden. Daraus sei der Schluß zu ziehen, daß für die Zukunft dem Grunde nach der Unterhaltsanspruch bei aufrechter Ehe unverzichtbar sei, es könne jedoch wirksam auf Teile von Unterhaltsleistungen und auf einzelne Unterhaltsleistungen verzichtet werden. Das gleiche müsse für den Unterhalt volljähriger Kinder gelten. Voraussetzung für einen wirksamen Unterhaltsverzicht eines volljährigen Kindes sei sohin die Überschaubarkeit jenes Zeitraumes, für den auf Unterhalt verzichtet werde. Gegenstand des der zitierten Entscheidung zugrundeliegenden Verzichtes war ein Verzicht auf Unterhaltszahlungen für wenige Monate bis zur Studienbeendigung; nach der zitierten Entscheidung sei es klar gewesen, daß die dort verzichtende Volljährige für die letzten Monate ihres Studiums selbst aufzukommen haben werde. Es sei daher kein Unterhaltsverzicht "an sich" vorgelegen.

Der erkennende Senat sieht keine Veranlassung, von dieser Rechtsauffassung abzuweichen. Demnach ist beim Unterhaltsverzicht auch im vorliegenden Fall auf einen überschaubaren Zeitraum bis zur Selbsterhaltungsfähigkeit abzustellen. Nach den erstgerichtlichen Feststellungen hat sich der Beklagte entschlossen, das ursprünglich begonnene Studium zugunsten einer Ausbildung zum Berufspiloten abzubrechen. Sein Unterhaltsverzicht war sohin von der Möglichkeit abhängig, in Österreich als Berufspilot tätig zu werden. Ist dies der Fall, so wäre der Beklagte damit selbsterhaltungsfähig und der Kläger tatsächlich von seiner Unterhaltsverpflichtung enthoben, wobei es nicht darauf ankommt, ob der Beklagte zum Pilotieren sämtlicher Flugzeugtypen berechtigt wurde, sondern es genügt, wenn er die Lizenz zum Fliegen von einzelnen Flugzeugtypen erlangt hat. Ob dies per August 1995 der Fall war bzw ob dies zu Weihnachten 1994 schon absehbar war, kann mangels entsprechender Feststellungen nicht abschließend beurteilt werden. Der Beklagte hat angegeben, daß er zwar seine amerikanische Berufspilotenberechtigung in Österreich bereits habe umschreiben lassen können, daß dies aber nicht auch für seine Fluglehrerberechtigung möglich gewesen sei. Dies mache er derzeit und erwerbe dadurch die Linien-Coberechtigung. Der umgeschriebene Berufspilotenschein sei in Österreich aber nur begrenzt verwertbar, weil nur drei bis vier Posten dafür denkbar seien (vgl AS 63 in ON 7). Dazu replizierte die klagende Partei, daß es durchaus ausreichend Arbeitsplätze für den Beklagten aufgrund seiner Berufspilotenberechtigung für Österreich gebe. Darauf erwiderte der Beklagte, daß seine Berufspilotenausbildung noch nicht beendet sei. Ob dies der Fall ist, ließ das Erstgericht ungeprüft und traf keine Feststellungen darüber, weshalb sich die Aufhebung der erstgerichtlichen Entscheidung durch das Berufungsgericht als zutreffend erweist. Allerdings wird es im folgenden Verfahren, wie bereits dargelegt, nicht darauf ankommen, ob der Beklagte mit seiner amerikanischen und umgeschriebenen Berufspilotenberechtigung zum Fliegen aller Maschinen in Österreich berechtigt wurde oder ob dies in Österreich erst nach Absolvierung von weiteren Prüfungen und Ausbildungen der Fall sein wird, sondern ob eine abgeschlossene Berufsausbildung, wenn auch nur zum Fliegen kleinerer Maschinen, durch die Umschreibung des amerikanischen Patentes auf die österreichische Berechtigung erreicht wurde.

Beiden Rekursen war sohin keine Folge zu geben.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.