JudikaturJustiz7Ob178/00b

7Ob178/00b – OGH Entscheidung

Entscheidung
14. Dezember 2000

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Tittel, Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller und Dr. Kuras als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Michael G*****, vertreten durch Dr. Peter Lambert, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei *****Aktiengesellschaft, ***** vertreten durch Mag. Martin Paar, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung (Streitwert S 150.000,--), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 27. April 2000, GZ 1 R 33/00f-11, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 9. Dezember 1999, GZ 33 Cg 224/99m-6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 8.370,-- (darin enthalten S 1.395,-- an Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen vierzehn Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger hat mit der beklagten Versicherung eine Betriebs- und Rechtsschutzversicherung unter Zugrundelegung der Allgemeinen Bedingungen für Rechtsschutzversicherungen (ARB 1994) geschlossen. Nach Art 20 dieser Versicherungsbedingungen umfasst der Versicherungsschutz die Wahrnehmung rechtlicher Interessen aus Arbeits- oder Lehrverhältnissen im Verfahren vor österreichischen Gerichten als Arbeitsgerichte.

Der Kläger begehrte im Mai 1998 von der Beklagten die Gewährung von Rechtsschutz für ein gegen die I***** GmbH anzustrengenden Verfahren, das sich darauf stütze, dass er von 1992 bis 1996 bei dieser Gesellschaft im Angestelltenverhältnis Vermittlungstätigkeiten betreffend Liegenschaften ausgeführt habe. Die ihm dafür zustehenden Vermittlungsprovisionen seien aber ebenso wie die Ansprüche des Klägers aus dem Angestelltenverhältnis offen. Dazu übermittelte auch er der Beklagten den Entwurf der Klage an das Arbeits- und Sozialgericht Wien. Die Beklagte sicherte ihm im Rahmen der Versicherungsbedingungen Kostendeckung für das Verfahren erster Instanz zu.

Seine am 17. 7. 1998 beim Arbeits- und Sozialgericht Wien eingebrachte Klage über S 962.341,-- stützte sich dann darauf, dass er vom 1. 2. 1992 bis 18. 9. 1996 angestellt gewesen sei und Liegenschaften vermittelt habe. Die dort beklagte Partei wandte die sachliche Unzuständigkeit des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien ein, da die Streitteile nur einen Werkvertrag abgeschlossen hätten, jedoch kein Angestelltenverhältnis bestanden habe. Daraufhin beantragte der Kläger in der mündlichen Streitverhandlung vom 6. 8. 1998 für den Fall, dass sich das Arbeits- und Sozialgericht Wien für unzuständig erkläre, die Überweisung der Rechtssache an das nicht offenbar unzuständige Handelsgericht Wien.

Das Arbeits- und Sozialgericht Wien fasste dann einen Beschluss, wonach es sich als unzuständig erklärte und die Rechtssache an das Handelsgericht Wien überwies. Der vom Kläger gegen diesen Beschluss erhobene Rekurs wurde als verspätet und unzulässig zurückgewiesen.

Die Beklagte erklärte daraufhin, für das fortgesetzte Verfahren vor dem Handelsgericht Wien keine Kostendeckung zu gewähren, da sich der Versicherungsschutz nur auf die Wahrnehmung der rechtlichen Interessen aus dem Arbeitsverhältnis in Verfahren vor den Gerichten als Arbeitsgerichte erstrecke.

Mit seiner Deckungsklage begehrt der Kläger die Feststellung, dass die Beklagte aufgrund der von ihr erteilten Deckungszusage verpflichtet sei, die im Verfahren vor dem Handelsgericht Wien anfallenden Gerichts- und Vertretungskosten entsprechend dem Versicherungsvertrag zu bezahlen. Er stützt sich dabei darauf, dass ihm die Haftungsbeschränkung auf Verfahren vor Gericht als Arbeitsgerichte weder bei Abschluss des Versicherungsvertrages noch bei der Deckungszusage mitgeteilt worden sei und das von der Beklagten genehmigte Verfahren auch nicht formell beendet, sondern nunmehr beim Handelsgericht anhängig wäre. Auch seien seine Ansprüche solche aus unselbständiger Tätigkeit. Die Streitanhängigkeit sei durch die Überweisung gemäß § 261 Abs 6 ZPO nicht aufgehoben. Der Antrag auf Überweisung stelle keine Klagsänderung dar, vielmehr werde das Verfahren kontinuierlich fortgeführt und das Handelsgericht gleichsam als funktionell als Arbeitsgericht tätig.

Die beklagte Versicherung bestritt, beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete zusammengefasst ein, dass die Kostendeckung für das Verfahren erster Instanz nur "im Rahmen" der dem Versicherungsvertrag zugrunde liegenden Versicherungsbedingungen gewährt worden sei und sich auch nur auf das Verfahren vor dem Arbeits- und Sozialgericht Wien bezogen habe. Nach Art 20 Punkt 2. 1 der ARB 1994 komme die Gewährung von Rechtsschutz vor dem Handelsgericht Wien hier nicht in Betracht. In diesem Verfahren würden auch weder Ansprüche aus dem Arbeits- oder Lehrverhältnis behandelt, noch sei es ein Verfahren vor einem österreichischen Gericht als Arbeitsgericht. Die Kosten vor dem Arbeits- und Sozialgericht Wien einschließlich der erfolglosen Rekurse seien übernommen worden.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es beurteilte den einleitend dargestellten Sachverhalt rechtlich dahin, dass Art 20 Punkt 2. 1 und die Deckungszusage nur das Verfahren beim Arbeits- und Sozialgericht Wien umfasse. Auch wenn durch die Überweisung die Kontinuität des Rechtsstreites nicht unterbrochen sei, ändere dies nichts daran, dass die Kostendeckung nur das Verfahren vor einem österreichischen Arbeitsgericht umfasse.

Das Berufungsgericht gab der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung des Klägers nicht Folge. Es folgerte dabei rechtlich, dass nach den hier maßgeblichen Bedingungen der ARB 1994 jedenfalls nur gerichtliche Verfahren erfasst seien. Auch wenn der Oberste Gerichtshof in seiner Entscheidung zu 7 Ob 243/98 ausgesprochen habe, dass es sich auch dann um Kosten eines "arbeitsgerichtlichen Verfahrens" im Sinne der ARB handle, wenn vorweg Kosten bei einem ordentlichen Gericht aufgelaufen seien, könne dies nicht auf den vorliegenden Fall übertragen werden, da damals das Verfahren ohne Einflussnahme durch den Versicherten vor dem unzuständigen ordentlichen Gericht eingeleitet worden sei. Hier habe aber das Arbeits- und Sozialgericht Wien sich für unzuständig erklärt und sich der Kläger diesen Beschluss auch durch seinen Antrag auf Überweisung von vorneherein unterworfen. Nach der Prozessüberweisung aufgelaufene Kosten seien jedenfalls keine Kosten eines arbeitsgerichtlichen Verfahrens im Sinne von Art 20 Punkt 2. 1 der ARB 1994. Die ordentliche Revision erachtete das Berufungsgericht als zulässig, da der Oberste Gerichtshof zu einem vergleichbaren Sachverhalt bisher keine Entscheidung getroffen hat.

Die gegen diese Entscheidung erhobene Revision des Klägers ist zulässig, aber nicht berechtigt. Eine Entscheidung zu der Frage, ob auch die nach einer rechtskräftigen Überweisung vom Arbeits- und Sozialgericht Wien beim Handelsgericht auflaufenden Kosten vom "Arbeitsgerichts-Rechtsschutz" nach den ARB 1994 erfasst sind, liegt nicht vor.

Rechtliche Beurteilung

Der Art 20 der ARB 1994 regelt den sogenannten "Arbeitsgerichts-Rechtsschutz" und legt diesen unter der Überschrift "Was ist versichert?" in seinem Punkt 2 Punkt 1 wie folgt fest:

"Der Versicherungsschutz umfasst die Wahrnehmung rechtlicher Interessen aus Arbeits- oder Lehrverhältnissen im Verfahren vor österreichischen Gerichten als Arbeitsgerichte. ...............

Bei Insolvenz des Arbeitgebers erstreckt sich der Versicherungsschutz des versicherten Arbeitnehmers auch auf die Anmeldung seiner Forderung und die Geltendmachung bestrittener Forderungen vor dem Konkurs- bzw Ausgleichsgericht sowie auf den Antrag auf Insolvenz-Ausfallgeld."

Bereits in seiner Entscheidung vom 26. 2. 1997 zu 7 Ob 65/97 hat der Oberste Gerichtshof allgemein ausgesprochen, dass die Allgemeinen Rechtsschutzbedingungen wegen der schweren Überschaubarkeit und Kalkulierbarkeit und der Größe des Rechtskostenrisikos im gesamten Bereich des privaten wie auch öffentlichen Rechts nur Teilgebiete abdecken und daher etwa das damals dort relevante Verwaltungsverfahren nach dem Behinderteneinstellungsgesetz vom Versicherungsschutz nicht erfasst ist. Auch aus dem dargestellten Aufbau der ARB 1994 ergibt sich, dass die Festlegung des Versicherungsschutzes nicht nur darauf abstellt, dass es sich um die Wahrnehmung von rechtlichen Interessen aus Arbeits- und Lehrverhältnissen handelt, sondern auch dass sich diese Wahrnehmung grundsätzlich im Verfahren vor österreichischen Gerichten "als Arbeitsgerichte" darstellen muss. Andernfalls wäre es nicht verständlich, warum etwa im Zusammenhang mit der Insolvenz ausdrücklich - erweiternd - festgelegt wurde, dass auch die Geltendmachung bestrittener Forderungen vor dem Konkurs- bzw Ausgleichgericht davon erfasst ist. In diesem Zusammenhang ist allerdings zu bemerken, dass bei der ASGG-Novelle 1994 (BGBl Nr 624) § 111 Abs 1 KO ohnehin dahin abgeändert wurde, dass die Zuständigkeit der Konkursgerichte für Arbeitsrechtssachen nach § 50 ASGG entfiel. Gerade dadurch sollte im Übrigen bewirkt werden, dass auch in diesen Verfahren die erheblichen Verfahrensbesonderheiten des ASGG zur Anwendung kommen (vgl auch RV BlgNR 1654 der XVIII.GP, 32, vgl zur mangelnden Anwendbarkeit der Bestimmungen des ASGG nach Arb 10.759). Genau aus diesen Überlegungen, also wegen der erheblichen Verfahrensbesonderheiten des ASGG ist davon auszugehen, dass eben nur solche gerichtliche Verfahren vom Arbeitsgerichts-Rechtsschutz erfasst werden, in denen die Bestimmungen des ASGG zur Anwendung gelangen können. Dies entscheidet sich nun einerseits außerhalb Wiens, wo schon im Hinblick auf die Höhe des Streitwerts jedenfalls das Landesgericht zuständig ist, im Rahmen der Entscheidung über die richtige Besetzung nach § 37 Abs 1 ASGG, hier aber, wo es sich um eine Frage der sachlichen Zuständigkeit zwischen Arbeit- und Sozialgericht Wien einerseits und dem Handelsgericht Wien andererseits handelt, im Rahmen des Zuständigkeitsstreites (vgl zu dieser Unterschiedlichkeit schon Ballon, Die Gerichtsorganisation der Arbeits- und Sozialgerichtsbarkeit, JBl 1987, 351 f).

Ersichtlich sollen also durch Art 20 Punkt 2. 1 der ARB 1994 nur jene gerichtlichen Verfahren im Zusammenhang mit Arbeits- oder Lehrverhältnissen geschützt sein, die vor einem österreichischen Gericht tatsächlich als "Arbeitsrechtssache" geführt werden können.

Da aber dann, wenn ein als Arbeitsrechtssache eingeleiteter Prozess an das allgemeine Zivilgericht rechtskräftig überwiesen wurde die Sondervorschriften des ASGG nicht anzuwenden sind (vgl MGA Arbeitsrecht ASGG § 2 E 4 = OGH 29.4.1992, 3 Ob 530/92) kann auch der Rechtsschutz nicht auf diese Verfahren erstreckt werden. Von der Entscheidung vom 20.10.1998, 7 Ob 243/98 = VersR 1999, 1307 = ecolex 2000, 420) bei der die Klage vom Prozessgegner des Versicherten zuerst beim Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien eingeleitet wurde und dann über Unzuständigkeitseinrede des beklagten Versicherten an das Arbeits- und Sozialgericht Wien überwiesen wurde, unterscheidet sich der vorliegende Fall schon dadurch, dass damals bei der Einleitung des Verfahrens eben noch keine rechtskräftige Entscheidung über das Vorliegen einer "Arbeitsrechtssache" vorlag und sich aber dann herausstellte, dass diese tatsächlich gegeben ist, während hier nach der Überweisung rechtskräftig zwischen den Streitparteien festgestellt wurde, dass es sich eben - prozessual - um keine Arbeitsrechtssache handelt.

Insgesamt war daher der Revision des Klägers nicht Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 50 und 41 ZPO.

Rechtssätze
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