JudikaturJustiz7Ob159/16g

7Ob159/16g – OGH Entscheidung

Entscheidung
09. November 2016

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Höllwerth, Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Malesich und Dr. Singer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A***** SE, *****, vertreten durch Dr. Christian Schauberger, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei F*****gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Dr. Dominik Schärmer, Rechtsanwalt in Wien, wegen 22.502,52 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 27. April 2016, GZ 1 R 165/15i 71, womit das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 3. August 2015, GZ 54 Cg 8/14a 65, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.489,86 EUR (darin enthalten 248,31 EUR an USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Das Berufungsgericht begründete die nachträgliche Zulassung der ordentlichen Revision damit, dass keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage vorliege, ob der Haftungsausschluss des Art 17 Abs 4 lit b CMR auch dann zur Anwendung komme, wenn sich die Verpackungsbedürftigkeit des Frachtguts aus der Notwendigkeit des Schutzes gegen Staub und Feuchtigkeit ergebe, der Schaden jedoch durch das Eindringen von Schnee verursacht worden sei.

Rechtliche Beurteilung

Entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts ist die Revision mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage unzulässig. Die Entscheidung kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO):

1. Gemäß Art 17 Abs 1 CMR haftet der Frachtführer (ua) für eine Beschädigung des Gutes, sofern diese zwischen dem Zeitpunkt der Übernahme des Gutes und dem seiner Ablieferung eintritt. Bei der Haftung nach Art 17 CMR handelt es sich um ein vermutetes Verschulden mit verschärftem Sorgfaltsmaßstab für die Zeit zwischen der Übernahme des Gutes zur Erfüllung der frachtrechtlichen Verpflichtungen und seiner Ablieferung (RIS Justiz RS0073792 [T3]). Dass hier der Schaden während der Durchführung des Transports eingetreten ist, ist im Rechtsmittelverfahren nicht strittig.

2.1. Die transportgerechte Verpackung des Gutes ist im Zweifel Sache des Absenders (RIS Justiz RS0073756). Der Frachtführer ist gemäß Art 17 Abs 4 lit b CMR vorbehaltlich des Art 18 Abs 2 bis 5 CMR von seiner Haftung befreit, wenn der Verlust oder die Beschädigung auf das Fehlen oder Mängel der Verpackung zurückzuführen ist, wenn die Güter ihrer Natur nach bei fehlender oder mangelhafter Verpackung Verlusten oder Beschädigungen ausgesetzt sind. Ob ein Frachtgut einer Verpackung bedarf, hängt davon ab, ob es in unverpacktem Zustand den bei einem ordnungsgemäß durchgeführten Straßentransport üblicherweise zu erwartenden äußeren Einwirkungen standzuhalten vermag. Die Frage der Verpackungsbedürftigkeit lässt sich nur an Hand der Umstände des konkreten Einzelfalls entscheiden (RIS Justiz RS0073720).

2.2. Nach den Feststellungen wurde keine besondere Vereinbarung über die Beschaffenheit des Transportfahrzeugs getroffen. Üblich ist ein mit Planen gedecktes Fahrzeug (7 Ob 102/13w = RIS Justiz RS0128978), wie es auch hier verwendet wurde. Ein Planenfahrzeug ist allerdings nicht dicht; selbst mit einem unbeschädigten Planenfahrzeug kann ein absoluter Schutz gegen Eindringen von Staub und Feuchtigkeit nicht garantiert werden. Im vorliegenden Fall wäre daher eine besondere Verpackung mit einer Folienhaube oder Wickelfolie für den Transport der hoch feuchtigkeitsempfindlichen und korrosionsanfälligen Lenkgetriebe erforderlich gewesen, für die mangels anders lautender Vereinbarung der Absender zu sorgen gehabt hätte. Die Vorinstanzen haben demnach im Rahmen der Judikatur die Verpackungsbedürftigkeit des Frachtguts bejaht.

3. Hier steht – im Gegensatz zu der in der Revision vertretenen Ansicht – fest, dass sich die mit der fehlenden Verpackung einhergehende Gefahr auch verwirklicht hat; während des Transports drang Schnee und damit klarerweise Feuchtigkeit in den Laderaum ein und beschädigte dadurch zahlreiche unverpackte Lenkgetriebe.

4.1. Zur Hauptleistungspflicht des Frachtführers gehört (ua) die Obhutspflicht, die dem Frachtführer gebietet, alle handelsüblichen und nach den Umständen des Falls zumutbaren Maßnahmen zum Schutz des Gutes zu treffen. Die Anforderungen, die an die Organisation des Transports von Gütern gestellt werden, sind dabei naturgemäß auf den Einzelfall bezogen zu beurteilen. Maßgeblich für die Bestimmung der Sorgfaltspflichten ist jedenfalls die Schadensgeneigtheit des Transportguts (RIS Justiz RS0062452 [T3]). Jeder Frachtführer hat daher unter dem Gesichtspunkt der Obhutspflicht, die ihm gebietet, die ordnungsgemäße und technisch einwandfreie Durchführung des Transports zu gewährleisten, die Verpflichtung zum Schutz des fremden Eigentums vor jeder Beschädigung während der Beförderung. Daraus ergibt sich, dass er jedenfalls immer dann, wenn er (oder seine Beförderungsgehilfen) vor Beginn oder während der Beförderung Schadensquellen (sei es Lade- aber auch Verpackungsfehler des Absenders) feststellt oder solche offenkundig sind, für deren Beseitigung Sorge tragen oder weitere Weisungen einholen muss (7 Ob 126/09v = RIS Justiz RS0062452 [T4]).

4.2. Nach den Feststellungen wusste der Frachtführer nicht, dass die Lenkgetriebe besonders feuchtigkeitsempfindlich und korrosionsanfällig sind. Überdies war auch für einen Frachtführer nicht mit dem Eindringen von Schnee in den Laderaum zu rechnen, woran auch wiederkehrende visuelle Kontrollen von Plane und Dichtlippen während des Transports oder der Ruhepausen nichts geändert hätten. Vor diesem Hintergrund ist die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, der Beklagten seien die von der Klägerin behaupteten Pflichtverletzungen nicht vorzuwerfen, nicht zu beanstanden.

5. Eine Rechtsfrage mit der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO stellt sich daher insgesamt nicht; die Entscheidung des Berufungsgerichts hält sich im Rahmen der Judikatur. Die Revision ist damit unzulässig und zurückzuweisen.

6. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen. Für die Erstattung der Revisionsbeantwortung gebührt nur ein Einheitssatz von 50 % (§ 23 Abs 3 RATG).

Rechtssätze
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