JudikaturJustiz6Ob650/84

6Ob650/84 – OGH Entscheidung

Entscheidung
27. September 1984

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Resch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Friedl, Dr. Schobel, Dr. Riedler und Dr. Schlosser als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. K*****, wider die beklagte Partei E*****, vertreten durch Dr. Herwig Grosch, Rechtsanwalt in Kitzbühel, wegen 25.740 S samt Nebenforderungen, infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom 25. Juni 1984, GZ 1 a R 273/84 8, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Kitzbühel vom 28. März 1984, GZ M 772/84 4, als nichtig aufgehoben wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird stattgegeben ; der angefochtene Beschluss wird aufgehoben ; dem Rekursgericht wird die neuerliche Entscheidung über den Rekurs der Wiedereinsetzungswerberin gegen die Abweisung ihres Antrags aufgetragen.

Die Kosten des Rekurses der klagenden Partei sind weitere Kosten des Wiedereinsetzungsverfahrens.

Text

Begründung:

Das Erstgericht erließ gegen die Beklagte einen bedingten Zahlungsbefehl über den Betrag von 25.740 S. Nach dem Zustellzeugnis des Amtsgerichts München wurde der Zahlungsbefehl samt Klagsgleichschrift am 18. November 1983 der Beklagten persönlich ausgefolgt.

Am 26. März 1984 brachte die Beklagte einen anwaltlich verfassten Antrag auf Bewilligung der Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Frist zum Einspruch gegen den Zahlungsbefehl mit dem Vorbringen zur Postaufgabe an das Erstgericht, dass ihr entgegen der Beurkundung durch das deutsche Amtsgericht der Zahlungsbefehl nicht zugestellt worden und sie von dessen Erlassung erst am 16. März 1984 durch die Vornahme eines Exekutionsvollzugs Kenntnis erlangt habe. Zur Widerlegung des Zustellzeugnisses und der Bekräftigung ihrer Behauptungen berief sie die Wiedereinsetzungswerberin unter anderem auf eine in München wohnhafte Zeugin sowie auf ihre Vernehmung als Partei.

Das Erstgericht wies den Wiedereinsetzungsantrag ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung ab. Diesen Beschluss fasst es durch den Rechtspfleger, der bereits den Zahlungsbefehl erlassen und dessen Vollstreckbarkeit bestätigt hatte.

Das Rekursgericht hob aus Anlass des von der Wiedereinsetzungswerberin erhobenen Rekurses die erstinstanzliche Entscheidung über den Wiedereinsetzungsantrag wegen Überschreitung des dem Rechtspfleger in Zivilrechtssachen zugewiesenen Wirkungskreises als nichtig auf und wies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück; es erklärte den Rekurs an den Obersten Gerichtshof als zulässig.

Die Rechtsmittelerledigung ist von der in der höchstgerichtlichen Rechtsprechung noch nicht behandelten Frage abhängig, ob die Entscheidung über einen Antrag auf Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Einspruchsfrist in den Wirkungskreis des Rechtspflegers nach § 14 Z 2 RpflG fällt. Es liegen daher die Voraussetzungen nach § 502 Abs 4 Z 1 ZPO vor; der rekursgerichtliche Ausspruch kommt einem Rechtskraftvorbehalt im Sinn des § 527 Abs 2 ZPO gleich; der Rekurs ist zulässig.

Rechtliche Beurteilung

Das Rechtsmittel ist auch berechtigt.

Nach dem Wortlaut des § 14 Z 2 RpflG umfasst der Wirkungskreis des Rechtspflegers in Zivilprozesssachen „die Durchführung des Mahnverfahrens, sofern eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich ist“.

Damit ist zwar zweifelsfrei zum Ausdruck gebracht, dass der Wirkungskreis des Rechtspflegers im Mahnverfahren nicht bloß „die Erlassung von Zahlungsbefehlen“, wie nach § 9 Abs 1 lit b der Rechtspflegerverordnung BGBl 1950/184 formuliert war, sondern alle im Mahnverfahren vorkommende Gerichtsakte umfassen soll, es bleibt aber zunächst die Frage offen, ob die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Einspruchsfrist noch der „Durchführung des Mahnverfahrens“ im Sinne der zitierten Gesetzesstelle zuzurechnen ist. Dass zur Zeit der Erlassung des Rechtspflegergesetzes diese Wiedereinsetzung in dem aus dem Jahr 1873 stammenden Mahngesetz geregelt war, kann nicht von ausschlaggebender Bedeutung sein, noch weniger die aktenmäßige Behandlung unter dem einen oder anderen Gattungszeichen nach der Geschäftsordnung. Entscheidend ist vielmehr, dass die den Wirkungskreis nach § 14 Z 2 RpflG einschränkende Regelung „sofern eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich ist“ ohne praktischen Anwendungsbereich bliebe, wollte man die in § 14 MahnG behandelt gewesene Wiedereinsetzung bereits außerhalb der Durchführung des Mahnverfahrens sehen. Aus den Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage, 663 BlgNR IX. GP, 12 zu § 14, ist auch zu entnehmen, dass bei der Beschränkung des Wirkungskreises auf die Gerichtsakte, in denen eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich ist, ausdrücklich des Wiedereinsetzungsantrags gedacht wurde.

Diese Erwägungen zwingen – im Gegensatz zur rekursgerichtlichen Ansicht – zur Auslegung, dass die Erledigung eines Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Einspruchsfrist, wenn das erstinstanzliche Entscheidungsorgan nicht im Einzelfall eine mündliche Verhandlung für erforderlich erachtet, in den durch § 14 Z 2 RpflG umschriebenen Wirkungskreis fällt.

Aus einer Einordnung der Regelungen über das Mahnverfahren in die Zivilprozessordnung durch die Zivilverfahrens Novelle 1983 ist keine gesetzgeberische Absicht auf eine Einschränkung des Wirkungskreises nach § 14 Z 2 RpflG erkennbar.

Die vom Rekursgericht angenommene Überschreitung des dem Rechtspfleger nach § 14 Z 2 RpflG zugewiesenen Wirkungskreises und die darin erblickte Nichtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung über den Wiedereinsetzungsantrag liegen nicht vor.

Dem Rekursgericht war daher unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses die neuerliche Entscheidung über den gegen die Abweisung des Wiedereinsetzungsantrags erhobenen Rekurs aufzutragen.

Die Entscheidung über die Rekurskosten beruht auf § 52 ZPO.