JudikaturJustiz6Ob610/91

6Ob610/91 – OGH Entscheidung

Entscheidung
24. Oktober 1991

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Vogel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten gerichtshofes Dr.Schobel, Dr.Redl, Dr.Kellner und Dr.Schiemer als weitere Richter in der Rechtssache der antragstellenden Partei L***** Gesellschaft mit beschränkter Haftung Co KG, ***** vertreten durch Dr.Reinhard Selendi, Rechtsanwalt in Wels, wegen Bestellung eines Abwesenheitskurators für Josef Johann A*****, infolge Revisionsrekurses der Antragstellerin gegen den Beschluß des Landesgerichtes Salzburg als Rekursgericht vom 10.September 1991, GZ 22 R 363/91-5, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Radstadt vom 27.Juni 1991, GZ 1 Nc 33/91-2, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung über den Antrag zurückverwiesen.

Text

Begründung:

Die Antragstellerin begehrte mit der Behauptung, die von ihr zu 8 C 209/91 des Bezirksgerichtes Wels gegen Josef Johann A***** eingebrachte Klage auf Herausgabe eines geleasten PKW habe diesem weder an seinem ordentlichen Wohnsitz in R*****, noch unter der von ihr in Erfahrung gebrachten Anschrift in G*****, zugestellt werden können, die Bestellung eines Abwesenheitskurators "wegen unbekannten Aufenthaltes des Antragsgegners."

Das Erstgericht wies den Antrag wegen Unzuständigkeit zurück, weil die Antragstellerin für ein beim Bezirksgericht Wels anhängiges Verfahren die Bestellung eines Abwesenheitskurators anstrebe, den aber gemäß §§ 116, 117 ZPO das Prozeßgericht zu bestellen habe.

Das Rekursgericht bestätigte den Beschluß des Erstgerichtes und sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Zwar habe nach Lehre und älterer Rechtsprechung bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 116 ZPO und des § 276 ABGB der Kläger die Wahl, ob er die Bestellung eines Prozeßkurators (§ 116 ZPO) oder eines Abwesenheitskurators (§ 276 ABGB) beantrage, doch folge das Rekursgericht der Entscheidung WR 35 des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien, wonach ein solches Wahlrecht dann ausgeschlossen sei, wenn dem Rechtsschutzbedürfnis des Klägers durch Bestellung eines Kurators gemäß § 116 ZPO bereits ausreichend Rechnung getragen werden könne. Dies sei aber hier der Fall, weil der Antragsteller die Bestellung eines Kurators nur für den von ihm vor dem Bezirksgericht Wels anhängig gemachten Rechtsstreit benötige. In einem solchen Fall sei die Bestellung eines Kurators durch das Prozeßgericht nicht nur zweckmäßig, weil sie rascher und zügiger erfolgen könne als die Bestellung eines Abwesenheitskurators in einem getrennten Verfahren vor dem Gericht eines anderen Bundeslandes; sie greife auch weniger weit in die Rechtssphäre des Antragsgegners ein, weil eine Abwesenheitspflegschaft uneingeschränkt dessen ganze Person ergreife.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der Antragstellerin ist schon deshalb zulässig, weil das Rekursgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes abgewichen ist (§ 14 Abs 1 AußStrG); er ist auch berechtigt.

Nach nunmehr einhelliger Lehre und Rechtsprechung (Wentzel-Piegler in Klang2 I/2, 524 FN 27; Fasching II, 620;

Knell, Die Kuratoren im österreichischen Recht 79; SZ 21/155;

ÖA 1988, 20) ist der Fall der Bestellung eines Abwesenheitskurators nach der Zivilprozeßordnung nur ein Spezialfall der allgemeinen Abwesenheitskuratel nach bürgerlichem Recht. Bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 116 ZPO kann daher nach Wahl des Antragstellers auch ein Kurator nach § 276 ABGB bestellt werden (Wentzel-Piegler aaO; Fasching aaO; Knell aaO 69 und 78; Pichler in Rummel, ABGB2 Rz 6 zu § 276;

Schwimann/Schlemmer, ABGB I § 276 Rz 11; SZ 24/15; ÖA 1988, 20). Die dagegen von einem Teil der älteren Lehre (siehe Wentzel-Piegler aaO 542 FN 52; Pichler aaO; Knell aaO 78 FN 134) wegen der Problematik eines Kostenersatzes des Abwesenheitskurators erhobenen Bedenken sind jedenfalls seit der Novellierung des § 10 ZPO durch BGBl 1955/282 hinfällig (Pichler aaO; Schwimann/Schlemmer aaO; Knell aaO 78). Der Oberste Gerichtshof sieht sich daher nicht veranlaßt, von seiner bisherigen, mit der herrschenden Lehre im Einklang stehenden Rechtsprechung über die schon durch den Gesetzeswortlaut (§ 116 ZPO und § 276 ABGB zweiter Fall) indizierte Wahlmöglichkeit des Antragstellers abzugehen, zumal auch die angeführte Entscheidung des Landesgerichtes für ZRS Wien vereinzelt geblieben ist (vgl EFSlg 59.887). Jedenfalls können bloße Zweckmäßigkeitsgründe allein die nach der Gesetzeslage bestehende Wahlmöglichkeit nicht beeinträchtigen. Auch ein zur Vermeidung der Hemmung der Rechte eines anderen in ihrem Gange bestellter Abwesenheitskurator ist im übrigen in seinem Wirkungsbereich auf diese Angelegenheit beschränkt, zu deren Besorgung die Kuratel erforderlich war (Wentzel-Piegler aaO 525).

Da sich die Vorinstanzen demnach zu Unrecht über die Wahlmöglichkeit der Antragstellerin hinweggesetzt haben, waren ihre Entscheidungen aufzuheben. Das Erstgericht wird das gesetzmäßige Verfahren über die beantragte Abwesenheitspflegschaft einzuleiten und dabei insbesondere die Antragstellerin zur entsprechenden Bescheinigung des unbekannten Aufenthaltes des Betroffenen aufzufordern haben, zumal hiefür die bloßen Postfehlberichte noch keineswegs ausreichen (Knell aaO 67 f; SZ 38/45 ua).