JudikaturJustiz6Ob576/80

6Ob576/80 – OGH Entscheidung

Entscheidung
28. Mai 1980

Kopf

SZ 53/85

Spruch

Intabulationspflichtige Rechtsgeschäfte über kirchliches Vermögen erlangen für den staatlichen Bereich erst mit der Beisetzung der Klausel entsprechend dem Zusatzprotokoll zu Art. XIII § 2 des Konkordates, BGBl. 1934 II/2, Rechtswirksamkeit

OGH 28. Mai 1980, 6 Ob 576/80 (OLG Wien 16 R 211/79; LGZ Wien 39 f Cg 133/78)

Text

Der Kläger begehrt, die beklagte Partei, das Chorherrenstift K., schuldig zu erkennen, Zug um Zug gegen Bezahlung von 652 800 S einzuwilligen, daß das Grundstück Y vom Gutsbestand der der beklagten Partei allein gehörigen Liegenschaft EZ 1277 KG K abgeschrieben, hiefür eine neue Einlage eröffnet und auf dieser das Eigentumsrecht für den Kläger einverleibt werde. Er brachte vor, daß er dieses Grundstück von der Beklagten mit mündlichem Kaufvertrag vom 3. Dezember 1975 um 850 S pro Quadratmeter, d. s. zusammen 652 800 S gekauft habe. Die Beklagte behauptete, daß kein Kaufvertrag zustande gekommen sei.

Die Beklagte beantragte, das Klagebegehren abzuweisen und wendete ein, der Kläger habe ihr Angebot vom 9. Jänner 1976 nicht innerhalb der ihm mit 31. März 1976 gestellten Frist angenommen. Überdies liege rechtliche Unmöglichkeit der Leistung vor, weil nach den Bestimmungen des CIC und den Ordensvorschriften die Zustimmung des Kapitels zu dem Verkauf erforderlich gewesen wäre und das Kapitel die Zustimmung verweigert habe.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab und traf folgende wesentliche Feststellungen: Nach den Konstitutionen der Österreichischen Augustiner-Chorherrenkongregation bestimmt das Plenarkapitel, in welcher Weise unbewegliches Vermögen veräußert werden darf. Dieses hat beschlossen, daß derzeit unbewegliches Vermögen im Werte von über 500 000 S nur mit Zustimmung des Kapitels des jeweiligen Chorherrenstiftes veräußert werden darf.

Der Kläger hatte seit März 1974 das gegenständliche Grundstück von der Beklagten gepachtet. Er beabsichtigte, die Liegenschaft zu kaufen und verhandelte zu diesem Zweck mit dem Zentraldirektor der Beklagten, Chorherrn Kurt M, und dem Verwalter der Beklagten, Ing. Hubert K. Im Rahmen dieser Verhandlungen wurde ihm von Ing. Hubert K am 2. Dezember 1975 für die Liegenschaft ein Kaufpreis von 850 S pro m2 und insgesamt von 652 800 S genannt. Der Kläger erhob gegen diesen Preis keinen Einwand. Ing. K war von Kurt M mit der Führung der Verhandlungen betraut. Ob der Kläger darauf aufmerksam gemacht wurde, daß der Verkauf der Zustimmung des Kapitels bedarf, ist nicht erwiesen. Dem Kläger wurde zur Vorlage bei einem Kreditinstitut von der Beklagten die Bestätigung vom 9. Jänner 1976, Beilage 3, ausgestellt, wonach die Beklagte bereit sei, dem Kläger das Grundstück gegen Bezahlung von 652 800 S zu überlassen und mit diesem Angebot bis 31. März 1976 im Wort bleibe. Der Kläger ersuchte in der Folge um die Bewilligung anderer Zahlungsbedingungen. Am 24. Feber 1976 sprach er beim Abtprimas der Beklagten vor, um eine Fristverlängerung über den 31. März 1976 und Ratenzahlung zu erwirken. Abtprimas K ersuchte den Kläger, seine Wünsche schriftlich bekanntzugeben und fügte hinzu, daß eine Fristverlängerung bis 30. September 1976 vermutlich möglich sein werde, daß er aber bezüglich der Ratenzahlung mit seinen Herren sprechen müsse. Nach verschiedenen, vom Kläger veranlaßten Interventionen lehnte in der Folge das Kapitel der Beklagten in seiner Sitzung vom 30. September 1976 den Verkauf der Liegenschaft an den Kläger ab.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahin, daß das Klagebegehren abzuweisen sei, weil eine Genehmigung des Kapitels nicht vorliege. Weder der Abtprimas K noch der Rechtsvertreter der Beklagten, Kurt M oder Ing. Hubert K seien zur Vertretung der Beklagten befugt gewesen, sondern lediglich zur Führung von Vorverhandlungen. Dem Kläger hätte klar sein müssen, daß Ing. K im Dezember 1975 die Liegenschaft nicht rechtswirksam verkaufen konnte.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers Folge, hob das erstgerichtliche Urteil unter Rechtskraftvorbehalt auf und verwies die Rechtssache zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück. Es vertrat die Rechtsansicht, durch Art. XIII § 2 des Konkordats 1933, BGBl. 1934 II/2, sei eine generelle Regelung getroffen werden, die im Einzelfall von den Regeln und Konstitutionen oder anderen für die einzelnen Ordensgenossenschaften geltenden speziellen kirchlichen Rechtsnormen abweichen könne. Für den staatlichen Bereich gelte nämlich zum Abschluß von Rechtsgeschäften einer ordensgenossenschaftlichen Institution immer der Lokalobere bzw. bei Rechtsgeschäften "höherer Verbände" (wie monarchische Kongregationen) der Obere des betreffenden Verbandes als der zuständige und berechtigte Vertreter (Gampl, Österr. Staatskirchenrecht, 253 f.). Es komme daher nicht darauf an, ob nach innerkirchlichen Vorschriften für die Gültigkeit eines Vertrages die Zustimmung des Kapitels notwendig sei, sondern darauf, daß der im Sinne der angeführten Bestimmung des Konkordats zuständige Obere zustimme. Eine zwischen diesem Oberen oder einem von ihm bevollmächtigten Vertreter und dem Kläger erfolgte mündliche Einigung würde daher für das Zustandekommen eines Kaufvertrages ausreichen. Entscheidend sei daher zunächst, wer der zuständige Obere der Beklagten im Sinne des Art. XIII § 2 des Konkordats 1933 sei. Diese Frage sei auf Grund der Ordensregeln zu entscheiden und bedürfe entsprechender Feststellungen. Sollte der Abtprimas K der zuständige Obere sein, dann komme dem Inhalt der Verhandlungen zwischen dem Kläger einerseits sowie dem Chorherren Kurt M und Ing. Hubert K andererseits entscheidende Bedeutung zu, da der Abt laut eigener Aussage selbst keine Zustimmung in derartigen Angelegenheiten erteilt habe, sondern immer an das Grundbüro oder an das Rechtsbüro verwiesen habe, sodaß er offenbar damit einverstanden gewesen sei, daß Kurt M und Ing. Hubert K als seine Vertreter mit dem Kläger verhandelten. Seine vom Erstgericht festgestellte Äußerung, eine Fristverlängerung bis 30. September 1976 werde vermutlich möglich sein, müßte überdies als Genehmigung eines von Kurt M oder Ing. Hubert K namens der Beklagten abgeschlossenen Kaufvertrages angesehen werden. Für die Entscheidung sei daher der Inhalt der Unterredung vom 2. Dezember 1975 wesentlich, weil damals nach Meinung des Klägers ein mündlicher Kaufvertrag zustande gekommen sei. Falls ein solcher Vertrag nicht zustande gekommen sei, wäre das Verhalten des Klägers nach Erhalt des Anbotes vom 9. Jänner 1976 von Bedeutung, da dann zu erklären sei, ob der Kläger das Anbot angenommen habe. Überdies seien die vom Kläger beantragten Zeugen Dr. Franz J und Kasimir D zu vernehmen, da nicht ausgeschlossen werden könne, daß diese Zeugen die Behauptung des Klägers, die Beklagte habe nicht bestritten, daß sie dem Kläger den Kauf der Liegenschaft zugesagt habe, bestätigen könnten.

Der Oberste Gerichtshof hob über Rekurs der Beklagten den Beschluß des Berufungsgerichtes auf und trug diesem eine neuerliche Entscheidung auf.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Nach Lehre und Rechtsprechung sind unter den im § 867 ABGB erwähnten unter der besonderen Vorsorge der öffentlichen Verwaltung stehenden Gemeinden auch die kirchlichen juristischen Personen zu verstehen. Was zur Gültigkeit eines mit ihnen geschlossenen Vertrages erforderlich ist, ist dem kanonischen Recht zu entnehmen (Schnizer, Schuldrechtliche Verträge der katholischen Kirche in Österreich, 168 f.; SZ 48/71; SZ 47/59 u. a.).

Nach den Bestimmungen des Kirchenrechtes ist grundsätzlich zur Wirksamkeit einer - hier vorliegenden - Alienation, sofern nicht die Erlaubnis des heiligen Stuhles erforderlich ist (sogenannte "Romgrenze"), die Zustimmung des Ordinarius Loci (Bischof) oder des Ordensoberen erforderlich (Schnizer a. a. O., 111 ff.). Fehlt diese im kanonischen Recht vorgesehene Genehmigung, dann ist das von einem kirchlichen Organ abgeschlossene Alienationsgeschäft ungültig (nichtig) und kann rechtsgeschäftliche Wirkungen nicht hervorrufen. Der Mangel dieser Gültigkeitsvoraussetzung ist von Amts wegen aufzugreifen. Die in den dargestellten Alienationsbestimmungen gelegene Beschränkung der Handlungsfähigkeit des betreffenden kirchlichen Organs wirkt gegen jeden Dritten. Ein Schutz des Vertrauens auf einen äußeren Tatbestand kommt hier nicht in Betracht (SZ 47/59; SZ 48/71 u. a.).

Es ist nun zwar richtig, daß es sich durch Art. XIII § 2 Abs. 1 zweiter Halbsatz des Konkordats vom 5. Juni 1933, BGBl. 1934 II/2, bezüglich der von Orden und Kongregationen abgeschlossenen Rechtsgeschäfte eine Abweichung ergeben hat. Nach dieser Bestimmung gilt bei Orden und Kongregationen für den staatlichen Bereich bei Abschluß von Rechtsgeschäften der Lokalobere und, soweit es sich im Rechtsgeschäfte höherer Verbände handelt, der Obere des betreffenden Verbandes als der berufene Vertreter. Für die Entscheidung im vorliegenden Rechtsstreit bedarf es jedoch keiner Prüfung der Frage, ob im allgemeinen bei Rechtsgeschäften, die vom zuständigen Lokaloberen einem gutgläubigen Dritten gegenüber nach außen hin abgegebene Erklärungen und Handlungen auch dann rechtsverbindlich sind, wenn sie nicht durch entsprechende Beschlüsse der nach innerkirchlichen Vorschriften zuständigen Organe (hier des Kapitels) intern gedeckt sind (vgl. zu diesen Fragen Schnizer a. a. O., 85, 146, 147 und 181; Gampl, Österreichisches Staatskirchenrecht, 253 f.; Haring, Kommentar zum neuen österr. Konkordat, 70 f.). Das Berufungsgericht hat nämlich nicht berücksichtigt, daß bezüglich intabulationspflichtiger Rechtsgeschäfte durch das Zusatzprotokoll zum Konkordat eine Sonderregelung getroffen wurde. In diesem Zusatzprotokoll (BGBl. 1934 II/2) wurde nämlich zu Art. XIII § 2 vereinbart, daß der Heilige Stuhl die Diözesanordinarien anweisen wird, bei intabulationsfähigen Rechtsgeschäften auf der Urkunde nach vorheriger Überprüfung eine Klausel beizusetzen, daß gegen die bücherlich einzutragende Berechtigung oder Verpflichtung kirchlicherseits kein Anstand obwaltet und daß die Vertreter der kirchlichen Rechtssubjekte, welche das Rechtsgeschäft abgeschlossen haben, hiezu berufen waren. Diese Bestimmung ist trotz der Verwendung des Futurums unmittelbar anzuwendendes Recht (Schnizer a. a. O., 201). Zur Durchführung dieser Bestimmung des Zusatzprotokolls ist sodann die Verordnung des Bundesministeriums für Justiz und Unterricht vom 9. Mai 1934, BGBl. 22, ergangen. Danach werden gemäß dem Zusatzprotokoll zu Art. XIII § 2 des Konkordats die Diözesanordinarien angewiesen werden, bei intabulationspflichtigen Rechtsgeschäften über kirchliches Vermögen der Urkunde eine Klausel beizusetzen, daß gegen die bücherlich einzutragende Berechtigung oder Verpflichtung kirchlicherseits kein Anstand obwaltet und daß die Vertreter der kirchlichen Rechtssubjekte, welche das Rechtsgeschäft abgeschlossen haben, hiezu berufen waren. Durch diese Bestätigung wird auch dargetan, daß den Bestimmungen des Art. XIII § 2 Abs. 2 des Konkordates entsprochen ist. Die Bestätigung wird vom Ordinariate erteilt und bedarf, wenn sie mit dessen Amtssiegel versehen ist, keiner weiteren Beglaubigung.

Wohl wurde diese Regelung in erster Linie getroffen, weil die Grundbuchsgerichte sonst nicht in der Lage wären, den wirksamen Abschluß der zu verbüchernden Verträge zu überprüfen. Das Grundbuchsrecht verzichtet in diesen Fällen auf eine unmittelbare Prüfung der kirchlichen Voraussetzungen und begnügt sich mit dem indirekten Nachweis durch die kirchenamtliche Klausel (Schnizer a. a. O., 200).

Die zitierte Bestimmung des Zusatzprotokolls zum Konkordat hat jedoch auch eine materiellrechtliche Bedeutung. Sie erschöpft sich nämlich nicht in der Bestätigung des Diözesanordinarius, daß die Vertreter der kirchlichen Rechtssubjekte, welche das Rechtsgeschäft abgeschlossen haben, hiezu berufen waren. Vielmehr hat der Diözesanordinarius nach vorheriger Überprüfung auch zu bestätigen, daß gegen die bücherlich einzutragende Berechtigung oder Verpflichtung kirchlicherseits kein Anstand obwaltet. Daraus ergibt sich aber, daß der Diözesanordinarius auch Exempten gegenüber die Einhaltung der Vorschriften des Alienationsverbotes zu überprüfen hat (Schnizer a. a. O., 204 f.). Schnizer verweist in diesem Zusammenhang darauf, daß ein von einem Lokaloberen, der den nötigen Konsens seines Kapitels nicht hat, abgeschlossenes Rechtsgeschäft nicht als kirchlich unbedenklich gelten und ein solcher Oberer auch kaum als "berufener" Vertreter angesehen werden könne. Darüber hinaus habe der Ordinarius bei Geschäften über der "Romgrenze" in das Reskript Einsicht zu nehmen und die Anlage des Erlöses zu überprüfen. Es ließe sich mangels Konkretisierung der Worte "kirchlicherseits kein Anstand" sogar die Meinung vertreten, daß er nicht nur bei konkreten Verstößen gegen die einschlägigen kirchenrechtlichen Bestimmungen, sondern auch wegen Sittenwidrigkeit oder aus Rücksicht auf allgemeine kirchliche Interessen die Beisetzung der Klausel verweigern dürfte oder müßte (Schnizer a. a. O., 206). Aus all dem ergibt sich aber, daß der Diözesanordinarius nach dem Zusatzprotokoll zum Konkordat berechtigt ist, vom zuständigen Lokaloberen abgeschlossene Rechtsgeschäfte zumindest dann abzulehnen, wenn innerkirchliche Vorschriften verletzt wurden. Dies zeigt aber, daß er nicht bloß eine Beurkundung vornimmt, sondern ihm durch das Zusatzprotokoll zu Art. XIII § 2 des Konkordats eine echte Entscheidungsfunktion eingeräumt wurde, sodaß die unter diese Bestimmung fallenden Rechtsgeschäfte für den staatlichen Bereich erst mit seiner durch Beisetzung der Klausel bekundeten Zustimmung Rechtswirksamkeit erlangen. Hiebei handelt es sich um eine Angelegenheit der innerkirchlichen Autonomie, sodaß es gegen die Verweigerung der Klausel keinen Rechtszug an die staatliche Behörde, sondern nur den kirchlichen Rechtszug gibt (Schnizer a. a. O., 206 f). Auch Haring a. a. O., 71 betont, daß diese Bestimmung des Zusatzprotokolls zum Konkordat dazu dient, einen Konflikt zwischen Kirche und Staat darüber hintanzuhalten, daß den Bestimmungen des Art. XIII § 2 Abs. 2 des Konkordats entsprochen wurde. Dieser Zweck wäre jedoch dann nicht zu erreichen, wenn bei Fehlen der Klausel durch ein gerichtliches Urteil die Verbücherung eines intabulationspflichtigen Rechtsgeschäftes erzwungen werden könnte.

Da jedoch der Kläger im vorliegenden Fall die Beurkundung durch den Diözesanordinarius, daß gegen das Rechtsgeschäft kirchlicherseits kein Anstand obwaltet, nicht einmal behauptet hat, ist sein auf Einverleibung des Eigentumsrechtes gerichtetes Klagebegehren schon aus diesem Gründe nicht gerechtfertigt.

Rechtssätze
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