JudikaturJustiz6Ob542/94

6Ob542/94 – OGH Entscheidung

Entscheidung
10. März 1994

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Vogel als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schobel, Dr.Redl, Dr.Kellner und Dr.Schiemer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr.Georg S*****, vertreten durch Dr.Franz Kreibich und andere Rechtsanwälte in Salzburg, wider die beklagte Partei Golfclub L*****, vertreten durch Dr.Walter Rinner, Rechtsanwalt in Linz, wegen Räumung, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 17.September 1993, GZ 20 R 103/93-24, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Linz-Land vom 10.März 1993, GZ 9 C 1800/89m-18, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben. Das angefochtene Urteil wird aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Mit Übergabevertrag vom 15.11.1988 erwarb der Kläger die Liegenschaft EZ ***** Grundbuch *****. Aufgrund eines Vertrages vom 21.12.1972 und eines Nachtrages vom 24.11.1977 ist der beklagte Golfclub Bestandnehmer großer Teile dieser Liegenschaft. Der Kläger ist als Rechtsnachfolger des ursprünglichen Bestandgebers in diesen Vertrag eingetreten.

Der Kläger begehrt die Räumung des Grundstückes Nr 65/2, welches vom Bestandvertrag nicht umfaßt sei und auf welchem die beklagte Partei Schotter und Erdmaterial lagere. Die beklagte Partei habe sich mit Schreiben vom 20.2.1989 zur Räumung bis Ende März 1989 verpflichtet, sei dieser Verpflichtung aber nicht nachgekommen und benütze das Grundstück titellos.

Die beklagte Partei wandte ein, die Benützung auch dieses Grundstückes sei zwischen den Vertragspartnern ausdrücklich vereinbart worden. Über Ersuchen des Rechtsvorgängers des Klägers habe die beklagte Partei sogar eine eigene Zufahrtsstraße um rund S 40.000,-- errichtet. Durch die lang dauernde unbestrittene Benützung sei der Bestandvertrag konkludent ausgeweitet worden. Das Schreiben vom 20.2.1989 enthalte keinen Verzicht.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren unter Zugrundelegung folgender wesentlicher Feststellungen ab:

Die Parzelle Nr 65/2 war von den schriftlichen Bestandverträgen nicht umfaßt. Seit dem Jahr 1976 lagerte die beklagte Partei dort mit Gestattung des Verwalters der Bestandgeber Humus und Erdmaterialien. Nachdem im Jahre 1985 im Bereich der Zufahrt zur Parzelle 65/2 eine Garage so gebaut wurde, daß die Zufahrt zur Materialablagerung nicht mehr möglich war, gestattete der Verwalter der Bestandgeber den Bau einer eigenen Zufahrtsstraße, die von der beklagten Partei mit einem Kostenaufwand von rund S 40.000,-- auch errichtet wurde.

Im Zuge von Verhandlungen über eine Änderung des Bestandzinses bot die beklagte Partei an, für die Anmietung des Lagerplatzes einen einmaligen Betrag und einen jährlichen Pachtschilling zu zahlen. Eine Einigung kam aber nicht zustande. Der Verwalter der Liegenschaftseigentümer ersuchte, noch vor Beginn der Spielsaison 1987 den Platz zu räumen und die geschaffene Zufahrt in den früheren Zustand zurückzuversetzen. Dieser Aufforderung kam die beklagte Partei nicht nach. Die Bestandgeber unternahmen keine weiteren Schritte.

Im Rahmen einer Begehung der Liegenschaft im Dezember 1988 stellte der Kläger fest, daß die beklagte Partei auf der Parzelle Nr 65/2, die nicht in den schriftlichen Bestandverträgen aufschien, Sand und Erdmaterial gelagert hatte. Im Jänner 1989 richtete er an die beklagte Partei ein in Form eines Forderungskataloges abgefaßtes Schreiben, das insgesamt 11 Punkte umfaßte. Im Zuge des Versuches einer Generalbereinigung aller im Schreiben des Klägers aufgelisteten Probleme verfaßte der Präsident der beklagten Partei am 20.2.1989 ein Anwortschreiben auf dem Geschäftspapier der beklagten Partei, in welchem er bezugnehmend auf die einzelnen Punkte des Forderungskataloges in Punkt 3. festhielt, daß die beklagte Partei die Parzelle Nr 65/2 durch ihre Mitarbeiter bis Ende März 1989 räumen werde. Das Schreiben enthielt überdies in 10 weiteren Punkten Mitteilungen, Anregungen, Ersuchen um Erstattung unverbindlicher Vorschläge über andere Differenzen, die nicht im Zusammenhang mit der Frage der Benützung der Parzelle Nr 65/2 standen. Die in dem Schreiben behandelten Fragen waren zwar im Vorstand diskutiert worden; ein formeller Vorstandsbeschluß wurde aber bezüglich keines der im Schreiben vom 20.2.1989 angeführten Punkte gefaßt. Das Schreiben war lediglich vom damaligen Präsidenten der beklagten Partei unterzeichnet. Zur Herbeiführung einer Mietvertragsänderung wäre nach den Statuten der beklagten Partei die Unterschrift eines zweiten Vorstandsmitgliedes erforderlich gewesen. Im Zuge der weiteren Verhandlungen konnte eine gütliche Einigung der offenen Fragen nicht erreicht werden; der Präsident der beklagten Partei zog die von ihm gemachte Räumungszusage mündlich wieder zurück.

Rechtlich führte das Erstgericht aus, der zwischen den Parteien bestehende Bestandvertrag sei konkludent auch auf die Parzelle Nr 65/2 erweitert worden. Die beklagte Partei habe seit 1976 zumindest bis 1987 unbeanstandet Ablagerungen auf der strittigen Parzelle vorgenommen und mit Zustimmung des Bestandgebers sogar eine neue Zufahrtsstraße gebaut. Mit dem Schreiben der beklagten Partei vom 20.2.1989 sei eine globale Lösung im Sinne eines Vergleichsanbotes versucht worden. Von einer unbedingten Räumungsverpflichtung, losgelöst von einer Generalbereinigung aller offenen Differenzen, sei nie gesprochen worden.

Das Berufungsgericht faßte - ohne die im § 488 Abs 4 ZPO vorgesehene Bekanntgabe an die Parteien, daß es gegen die Beweiswürdigung durch das Erstgericht Bedenken habe - lediglich den "Beschluß auf Wiederholung aller vom Erstgericht aufgenommenen Beweise durch Verlesung, womit beide Parteienvertreter ausdrücklich einverstanden sind", gab der Berufung des Klägers Folge und änderte das Ersturteil im Sinne einer Klagestattgebung ab. Es übernahm ausdrücklich alle Feststellungen des Erstgerichtes und ergänzte diese lediglich um den Wortlaut der Einleitung und des Schlußsatzes des vom Präsidenten der beklagten Partei allein unterfertigten Schreibens vom 20.2.1989, nämlich: "Sehr geehrter Herr Dr. Spiegelfeld!

Der Vorstand des Golfclubs Linz hat sich am 15.2.1989 mit den von Ihnen anläßlich der Besprechung am 26.1.1989 aufgeworfenen Fragen beschäftigt und dürfen wir hiezu (folgend Ihrem Besprechungsprogramm) wie folgt konkret Stellung nehmen:" Danach folgen Stellungnahmen zu 11 Punkten, wobei die Stellungnahme zu Punkt 3 lautet: "Die Parzelle 65/2 werden wir durch unsere Mitarbeiter bis Ende März 1989 räumen".

Der Schlußsatz lautet: "Wir hoffen, mit unserem Schreiben die offenen Fragen abgeklärt zu haben und verbleiben mit vorzüglicher Hochachtung, "Golfclub Linz-St.Florian, Adolf S***** Präsident".

Das Berufungsgericht führte hiezu aus, allein aus der Auslegung des Schreibens vom 20.2.1989, die nur rechtliche Beurteilung darstelle, ergebe sich eine unbedingte Verpflichtungserklärung des Vorstandes der beklagten Partei zur Räumung. Darnach habe der Präsident des beklagten Vereines lediglich die Stellungnahme des Vorstandes mitgeteilt, die nur als dessen konstitutives Anerkenntnis des Räumungsanspruches des Klägers gewertet werden könne. Es finde sich kein Hinweis darauf, daß die Räumungszusage des Vorstandes vom Gelingen einer Generalbereinigung abhängig gemacht worden wäre. Das Schreiben beinhalte keine Vertragsänderung, sondern die bloße Mitteilung des Präsidenten über die Ergebnisse der Vorstandsbesprechung. Die Räumungszusage sei nach dem Inhalt des Schreibens daher nicht eigenmächtig durch den Präsidenten, sondern vom gesamten Vorstand beschlossen worden. Unabhängig von einer allfälligen konkludenten Erweiterung des Bestandvertrages sei ein selbständiger Verpflichtungsgrund zur Räumung der Parzelle entstanden. Die mündliche Zurückziehung der Räumungszusage durch den Präsidenten der beklagten Partei sei als einseitige Willenserklärung unwirksam.

Das Berufungsgericht sprach aus, daß die ordentliche Revision nicht zulässig sei, weil der Auslegung des Schreibens vom 20.2.1989 keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukomme.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zur Wahrung der Rechtssicherheit zulässig und im Sinne einer Aufhebung des Urteiles des Berufungsgerichtes auch berechtigt.

Das Berufungsurteil ist widersprüchlich: Das Erstgericht hat aufgrund des durchgeführten Beweisverfahrens in Verbindung mit dem Schreiben des Präsidenten des beklagten Vereines, also keinenwegs durch bloße Auslegung einer Urkunde allein, ausdrücklich festgestellt, daß die in dem Schreiben behandelten Fragen zwar vom Vorstand diskutiert wurden, ein formeller Vorstandsbeschluß aber hinsichtlich keines der in diesem Schreiben angeführten Punkte gefaßt wurde, weiters, daß zur Herbeiführung einer Mietvertragsänderung nach den Statuten der beklagten Partei die Unterschrift eines zweiten Vorstandmitgliedes erforderlich gewesen wäre. Das Berufungsgericht hat nun einerseits ausdrücklich alle Feststellungen des Erstgerichtes, also auch die mangelnde Genehmigung der Räumungszusage des Präsidenten durch den Vereinsvorstand - übernommen, in der Folge aber ausschließlich aus dem Wortlaut des Schreibens abgeleitet, es ergebe sich daraus eine unbedingte, vom Vorstand beschlossene Verpflichtungserklärung. Der hiezu nach den Statuten nicht allein zeichnungsberechtigte Präsident habe mit dem Schreiben nur den mündlich erfolgten Vorstandsbeschluß dem Kläger, sozusagen als Bote, mitgeteilt.

Dem Berufungsgericht ist zuzustimmen, daß aus der maßgeblichen Sicht des Erklärungsempfängers die in Punkt 3. des Schreibens abgegebene Räumungsverpflichtung eine rechtsgeschäftliche Erklärung darstellt, die von den in den übrigen Punkten behandelten Fragen nicht abhängig erscheint. Im Außenverhältnis ist aber lediglich relevant, ob die rechtsgeschäftliche Erklärung vom zuständigen Organ abgegeben wurde, nicht ob diese Erklärung im Innenverhältnis auf einem satzungsgemäßen Beschluß beruht (WBl 1988, 90; Arb 9407). Dies war aber aus der Sicht des Erklärungsempfängers hier nicht der Fall, weil nur ein Vorstandsmitglied das Schreiben unterzeichnet hatte. Bei Rechtsgeschäften mit einem Verein von weittragender Bedeutung (hier die Abgabe einer unbedingten Räumungsverpflichtung gegenüber dem Vertragspartner) muß sich der Vertragspartner Gewißheit über Inhalt und Umfang der Vertretungsmacht des für den Verein handelnden Organes und darüber verschaffen, daß die Handlungen des Vereinsorganes im Rahmen seines statutenmäßigen Wirkungskreises erfolgen und durch eine allfällige erforderliche Beschlußfassung des Vorstandes gedeckt sind (6 Ob 313/58). Es ist daher von ausschlaggebender Bedeutung, ob der nicht allein zeichnungsberechtigte Präsident des beklagten Vereines von diesem zur Abgabe der Erklärung in seinem Namen ermächtigt war oder ob diese Erklärung nachträglich genehmigt wurde. Nur dann könnte eine gültige Räumungsverpflichtung angenommen werden. Dies ist aber nach den widersprüchlichen Feststellungen im Berufungsurteil noch nicht geklärt.

Die rechtlichen Erwägungen des Erstgerichtes über eine stillschweigende Erweiterung des Bestandverhältnisses auch auf die strittige Parzelle sind zutreffend (§ 510 Abs 3 ZPO).

Der Ausspruch über den Vorbehalt der Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf § 52 ZPO.