JudikaturJustiz6Ob36/19s

6Ob36/19s – OGH Entscheidung

Entscheidung
29. August 2019

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Schramm als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Gitschthaler, Univ. Prof. Dr. Kodek, Dr. Nowotny sowie die Hofrätin Dr. Faber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei F*****, vertreten durch Dr. Walter Schuhmeister, Rechtsanwalt, 2320 Schwechat, Bruck Hainburger Straße 7, als Erwachsenenvertreter, gegen die beklagten Parteien 1. M*****, 2. S*****, beide *****, vertreten durch Dr. Wolfgang Winkler, Rechtsanwalt in Ternitz, wegen 7.500 EUR sA und Räumung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Berufungsgericht vom 27. Dezember 2018, GZ 19 R 63/18b 42, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung:

Die Parteien schlossen am 18./19. 5. 2015 einen – auf Seiten der Klägerin, für die eine Sachwalterin bestellt war, pflegschaftsgerichtlich genehmigten – Mietvertrag betreffend eine im Eigentum der Klägerin stehende Haushälfte ab. Der Mietzins einschließlich Betriebskosten wurde mit 400 EUR vereinbart, wobei preisbildend der Umstand, dass die Beklagten das Schneeschaufeln und das Rasenmähen übernahmen, sowie der Zustand des Hauses, hingegen nicht die Mangelhaftigkeit der Fassade waren, hatte die damalige Sachwalterin der Klägerin doch zugesagt, dass diese saniert werde. Der angemessene Nettomietzins ohne Umsatzsteuer und Betriebskosten hätte (ebenfalls) 400 EUR betragen.

Im November 2015 bemerkte die Erstbeklagte eine erste Schimmelbildung im Badezimmer und im Dezember 2015 bzw Jänner 2016 eine weitere Schimmelbildung im Schlafzimmer. Grundsätzlich sind von der Schimmelbildung das Badezimmer, das Schlafzimmer und das Kinderzimmer betroffen. Die Beklagten reinigten und übermalten die schimmelbefallenen Stellen laufend, weshalb bei der gerichtlichen Befundaufnahme im November 2017 die Schimmelbelastung (teilweise) nicht sichtbar war. Aufgrund des geringen Auftretens von Schimmelpilzbefall besteht aus technischer Sicht keine Nutzungsbeeinträchtigung; ein geringer Schimmelpilzanfall stellt auch keine akute Gesundheitsgefährdung dar.

Am 1. 3. 2016 vereinbarten die Erstbeklagte und die damalige Sachwalterin der Klägerin eine gänzliche Mietzinsfreistellung für den Zeitraum Februar bis Juli 2016 und eine Mietzinsminderung ab dann auf 150 EUR, für welche Vereinbarung bislang eine pflegschaftsgerichtliche Genehmigung nicht eingeholt wurde.

Das Berufungsgericht verneinte – im Gegensatz zum Erstgericht – die Notwendigkeit einer pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung, weil die vereinbarte Mietzinsminderung des laufend zu entfernenden Schimmels in drei Räumen im Wesentlichen dem gesetzlichen Anspruch des § 1096 ABGB entsprochen habe; damit seien die Beklagten ihren vereinbarten Verpflichtungen nachgekommen, weshalb ein objektiver Mietzinsrückstand nicht bestehe. Das Berufungsgericht wies das Klagebegehren ab und ließ die ordentliche Revision nicht zu.

Rechtliche Beurteilung

1. Die Klägerin macht als Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO die unrichtige Beurteilung der Notwendigkeit einer pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung durch das Berufungsgericht im Hinblick auf die „maßgebliche finanzielle Einbuße“ der Klägerin aufgrund der vereinbarten Mietzinsminderung geltend (tatsächlich verfügt die Klägerin neben den Mieteinkünften [nur] über eine monatliche Pension von 940 EUR). Sie übersieht allerdings, dass sie damit nicht dargetan hat, weshalb die hier zu beurteilende Rechtsfrage an Bedeutung das vorliegende Verfahren übersteigen soll. Die Frage, ob ein Geschäft zum ordentlichen Wirtschaftsbetrieb gehört oder nicht und damit der gerichtlichen Genehmigung bedarf, hängt stets von den Umständen des Einzelfalls ab (6 Ob 240/10b PSR 2011/20 [ Resch ]).

2. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass bis zur gerichtlichen Genehmigung ein genehmigungsbedürftiges Rechtsgeschäft schwebend unwirksam ist (RS0053275 [T11], vgl auch RS0048220). Vor der Beendigung dieses Schwebezustands sind weder der Anspruch auf Erfüllung des Vertrags noch ein Bereicherungsanspruch fällig (RS0053275 [T2]) und sind beide Teile an das Rechtsgeschäft gebunden; sie können also während dieses Zustands nicht zurücktreten. Der Geschäftsunfähige hat kein schutzwürdiges Interesse an der Aufrechterhaltung dieses Schwebezustands (6 Ob 286/05k); vielmehr ist der gesetzliche Vertreter nach Treu und Glauben verpflichtet, die Entscheidung über die Genehmigung des abgeschlossenen Vertrags beim Pflegschaftsgericht herbeizuführen, um auf diese Weise den Schwebezustand zu beenden und klare Verhältnisse zu schaffen, ob der Vertrag rückwirkend zu einem voll wirksamen Vertrag wird oder zufolge der Verweigerung der Genehmigung seine Wirkung verliert (6 Ob 286/05k [ErwG 4.3]; 2 Ob 52/16k). Der Vertrag verliert erst durch die (allfällige) Versagung der Genehmigung seine Rechtswirksamkeit; bis dahin kann gegen einen Mieter eine mit der Behauptung der Titellosigkeit gestützte Räumungsklage nicht mit Erfolg erhoben werden (RS0053275). Es kommt für das Ergebnis in diesem Verfahren somit gar nicht darauf an, ob die Vereinbarung über die Mietzinsminderung pflegschaftsgerichtlich zu genehmigen gewesen wäre oder nicht.

Rechtssätze
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