JudikaturJustiz6Ob223/19s

6Ob223/19s – OGH Entscheidung

Entscheidung
19. Dezember 2019

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Schramm als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Gitschthaler, Univ. Prof. Dr. Kodek, Dr. Nowotny sowie die Hofrätin Dr. Faber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. H*****, vertreten durch Dr. Gerald Trieb, Rechtsanwalt in Wien, als Verfahrenshelfer, dieser vertreten durch MMag. Markus Koisser, Rechtsanwalt in Mödling, gegen die beklagte Partei Ö*****, vertreten durch Korn Rechtsanwälte OG in Wien, wegen 35.000 EUR sA, Feststellung, Leistung und Veröffentlichung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 24. September 2019, GZ 129 R 74/19d 24, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Rechtsanwalt MMag. Markus Koisser hat im außerordentlichen Revisionsrekurs darauf hingewiesen, dass ihn der für den Kläger bestellte Verfahrenshelfer mit der Einbringung der außerordentlichen Revision beauftragt habe; er berufe sich auf die erteilte Vollmacht. Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (zuletzt 5 Ob 247/18m; 6 Ob 231/19t) kann auch der Verfahrenshilfeanwalt sich eines Substituten bedienen, dem er einzelne Akte oder Abschnitte des Verfahrens, ja sogar die gesamte Prozessführung, übertragen kann. Hat der Verfahrenshelfer nach außen keine Erklärung über den Umfang der Substitution abgegeben, ist das Erstgericht zwar verpflichtet, Zustellungen weiterhin an den Verfahrenshelfer (und nicht unmittelbar an dessen Substituten) vorzunehmen; eine solche Erklärung nach außen kann allerdings auch der Substitut abgeben (etwa die Erklärung, dass der bestellte Verfahrenshelfer „die Verfahrenshilfe“, demnach das gesamte Verfahren an den Substituten substituiert und ihm Substitutionsvollmacht erteilt hat).

Eine derartige Erklärung liegt auch hier vor, weshalb der Substitut im Kopf der Entscheidung auszuweisen und diese vom Erstgericht nicht an den bestellten Verfahrenshelfer, sondern an den Substituten zuzustellen sein wird.

2. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen wurde der Datensatz eines am 11. 7. 2014 in der regionalen Nachrichtensendung „***** Heute“ in O***** ausgestrahlten Beitrags mit dem Titel „Justizwachebeamte“, in dem der Kläger für einige Sekunden klar erkennbar in voller Größe mit dem Gesicht zur Kamera und im Gespräch mit anderen Insassen der Justizanstalt G***** gezeigt worden war, im März 2015 in der Archiv-Datenbank des Beklagten gelöscht und ist dort nicht mehr abrufbar. Die Registereintragung zu diesem Beitrag blieb zwar bestehen, es steht aber nicht fest, dass der Beklagte über den Datensatz des Beitrags am Back-up-Server verfügt. Die Löschung des Datensatzes erfolgte, weil im Beitrag mehrere Häftlinge erkennbar gewesen waren und deshalb seine nachträgliche Bearbeitung unwirtschaftlich gewesen wäre. Allerdings verfügt die Beklagtenvertreterin über eine DVD mit dem Beitrag; weitere DVDs mit dem Beitrag befinden sich in einem Strafakt (der Kläger hatte gegen den Beklagten ein Medienrechtsverfahren eingeleitet) und im gegenständlichen Zivilakt.

Der Kläger meint in seiner außerordentlichen Revision, die Vorinstanzen hätten bei Abweisung seines Begehrens auf Vernichtung der im unmittelbaren Besitz oder Eigentum des Beklagten befindlichen Aufnahmen jeglicher Art der Sendung (sofern und soweit er auf diesen erkennbar ist) den Begriff der Löschung in Art 17 DSGVO falsch ausgelegt. Die Frage, welche Anforderungen an ein (physisches) „Löschen“ nach dieser Bestimmung zu stellen sind und welche Feststellungen im Hinblick darauf zu treffen wären, seien insbesondere im Hinblick auf die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs zu 6 Ob 107/12x und jene des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH C-582/14 [ Breyer/Bundesrepublik Deutschland ] EU:C:2016:779) unrichtig beurteilt worden.

Er übersieht mit dieser Argumentation allerdings, dass er sich im Verfahren erster Instanz auf datenschutzrechtliche Anspruchsgrundlagen gar nicht berufen hat; das Vernichtungsbegehren stützte er vielmehr ausdrücklich auf § 78 (richtig: § 82) UrhG. Art 16 (!) DSGVO und § 27 DSG 2000 erwähnte er lediglich im Zusammenhang mit den geltend gemachten Schadenersatzansprüchen (diese Bestimmungen seien Schutzgesetze im Sinn des § 1311 ABGB); darüber hinaus führte er aus, die Tatsache, dass er direkt in die Kamera geblickt habe, sei keine datenschutzrechtliche Einwilligung in die Aufnahme (höchstpersönlicher Lebensbereich) gewesen.

Erst nachdem das Erstgericht den Beseitigungsanspruch anhand § 82 UrhG geprüft und infolge Löschung des Datensatzes verneint hatte, bezog sich der Kläger in seiner Berufung (konkret: in der Feststellungsrüge) erstmals auf Art 17 DSGVO. Diese Ausführungen hält er auch im Revisionsverfahren aufrecht, kommt aber – ebenso wie in der Berufung – mit keinem Wort mehr auf die ursprünglich geltend gemachte urheberrechtliche Anspruchsgrundlage zurück. Diese Vorgehensweise ist im Hinblick auf § 482 ZPO unzulässig.

3. Die Ausmittlung eines Schmerzengeldbetrags – auch eines immateriellen – stellt stets eine Einzelfallbeurteilung dar ( RS0042887 [T10]; RS0031075 [T7]), was der Kläger in seiner außerordentlichen Revision selbst erkennt. Dass auch dabei eine Globalbemessung anzustellen ist, ändert nichts daran, dass sich bei der Beurteilung dieser Frage infolge der Einzelfallbezogenheit in aller Regel keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO stellt.

Im Übrigen richten sich sowohl die Frage, ob ein Kläger ein rechtliches Interesse an der alsbaldigen Feststellung im Sinn des § 228 ZPO besitzt ( RS0039096 [T12]; RS0039177 [T1]), als auch die Frage, ob eine Wiederholungsgefahr anzunehmen ist ( RS0031891 ; RS0042818 ), regelmäßig nach den Umständen des Einzelfalls; solche Fragen haben regelmäßig nicht die von § 502 Abs 1 ZPO geforderte Qualität.