JudikaturJustiz6Ob162/64

6Ob162/64 – OGH Entscheidung

Entscheidung
10. Juni 1964

Kopf

SZ 37/81

Spruch

Das "Verlangen", die Dienst- oder Naturalwohnung zu räumen, muß in Bescheidform (schriftlich oder telegraphisch) ergehen; Dienstrechtsmandat genügt nicht.

Entscheidung vom 10. Juni 1964, 6 Ob 162/64. I. Instanz:

Bezirksgericht Leibnitz; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz.

Text

Das Erstgericht wies das Klagebegehren, der Beklagte sei schuldig, die im Parterre des Hauses in L., M.-Straße 16, rechts nordseitig gelegene, aus 2 Zimmern, 3 Kabinetten, Küche, Vorraum, Gang, Bad und Klosett samt Zugehör bestehende Wohnung zu räumen und der klagenden Partei geräumt zu übergeben, mit folgender Begründung ab:

Der Beklagte sei als Gendarmeriebeamter in den Ruhestand getreten und sei von seiner Dienstbehörde mündlich zur Räumung der von ihm in dem bundeseigenen, für die Unterbringung aktiver Gendarmeriebeamter bestimmten Hause bewohnten Wohnung aufgefordert worden.

Gemäß § 23 GÜG. werde durch die Überlassung einer Dienst- oder Naturalwohnung an einen Beamten kein Bestandverhältnis begrundet. Der Beamte müsse die Wohnung auf Verlangen der Dienstbehörde räumen, wenn das Dienstverhältnis aufgelöst werde, eine Änderung in seiner Dienstverwendung eintrete oder er in den Ruhestand trete. Gemäß § 1 des Dienstrechtsverfahrensgesetzes vom 12. März 1958, BGBl. Nr. 54/1958, in der Fassung des Bundesgesetzes vom 12. Dezember 1960, BGBl. Nr. 298/1960, seien die Bestimmungen des allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes mit den Abweichungen des Dienstrechtsverfahrensgesetzes anzuwenden. Das "Verlangen" im Sinne des § 23 (3) GÜG. müsse also in Bescheidform ergehen und Bescheide in Dienstrechtsangelegenheiten seien gemäß § 11 DVG. schriftlich oder telegraphisch zu erlassen.

Die an den Beklagten ergangene mündliche Aufforderung, die Wohnung zu räumen, sei daher kein Bescheid, sondern ein absolut nichtiger Verwaltungsakt ohne Rechtsfolgen. Diese Aufforderung könne auch nicht als mündliches Dienstrechtsmandat im Sinne des § 9 DVG. umgedeutet werden, weil solche Mandate nur möglich seien, soweit es sich nicht um die Begründung, Änderung oder Beendigung des Dienstrechtsverhältnisses um die Änderung der dienst- oder besoldungsrechtlichen Stellung oder um die Entscheidung über das Bestehen des Dienstrechtsverhältnisses handle. Da die §§ 23 und 24 GÜG. unter der Überschrift "Naturalbezüge" besoldungsrechtliche Probleme regeln, sei ein Dienstrechtsmandat über die Zuweisung oder Räumung einer Dienst- oder Naturalwohnung unzulässig.

Der Beamte, dem durch § 2 (2) ArbGerG. für seine Ansprüche gegen den Dienstnehmer der Rechtsweg verschlossen sei, habe ein Recht auf Einhaltung der verfahrensrechtlichen Bestimmungen des Dienstrechtsverfahrens. Die klagende Partei könne sich nicht einseitig von diesen Verfahrensvorschriften befreien und die Räumungsklage einbringen, ohne den Beklagten durch rechtskräftigen Bescheid zur Räumung der angeblichen Naturalwohnung aufzufordern. Ihr obliege als Dienstgeberin auch eine besondere Fürsorgepflicht gegenüber den mit einer besonderen Treuepflicht belasteten öffentlich-rechtlichen Beamten.

Das Berufungsgericht hob dieses Urteil auf und verwies die Rechtssache unter Rechtskraftvorbehalt zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück. Es pflichtete der Rechtsansicht des Erstgerichtes weitgehend bei, fand aber, daß die Aufforderung zur Räumung einer Dienst- oder Naturalwohnung zufolge Ausscheidens aus dem Gendarmeriedienst weder die Begründung. Änderung oder Beendigung des Dienstrechtsverhältnisses noch die Änderung der dienst- oder besoldungsrechtlichen Stellung, noch das Bestehen des Dienstverhältnisses betreffe, so daß die ergangene Aufforderung als mündliches Dienstrechtsmandat wirksam sei.

Aber auch wenn dessen Erlassung im vorliegenden Fall nicht am Platz gewesen wäre und nach den Verfahrensvorschriften ein schriftlicher Bescheid hätte ergehen müssen, sei der mündliche Bescheid dennoch wirksam und für die Gerichte bindend. Es müsse daher auf die Einwendung des Beklagten, er benütze die Wohnung auf Grund eines ungekundigten privatrechtlichen Mietverhältnisses, eingegangen werden.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurse des Beklagten Folge, hob den Beschluß des Berufungsgerichtes auf und trug diesem eine neue Entscheidung auf.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Gemäß § 23 (3) GÜG. (BGBl. Nr. 22/1947 in der derzeit geltenden Fassung) hat der Beamte auf Verlangen der Dienstbehörde die Dienst- oder Naturalwohnung innerhalb der ortsüblichen Frist zu räumen, wenn sein Dienstverhältnis aufgelöst wird, eine Änderung seiner Dienstverwendung eintritt oder die Wohnung auf eine Art verwendet werden soll, die in höherem Maße den Interessen der Verwaltung dient als die bisherige Verwendung. Wenngleich auf die Zuweisung einer Naturalwohnung kein gesetzlicher Anspruch besteht, so hat doch der Entzug der einmal zugewiesenen Naturalwohnung - wie auch schon der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 20. März 1963, Zl. 1098/61-4, ausgesprochen hat in Form eines Bescheides zu geschehen.

Gemäß § 1 des Dienstrechtsverfahrensgesetzes (BGBl. Nr. 54/1958, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 298/1960) sind für die Erlassung eines solchen Bescheides die Bestimmungen der §§ 58 ff. des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1950 mit den sich aus den §§ 9 ff. DVG. ergebenden Abweichungen maßgebend. Gemäß § 11 DVG. sind, abgesehen von den Fällen des § 9 dieses Gesetzes, Bescheide schriftlich oder telegraphisch zu erlassen. Einer der Ausnahmefälle des § 9 (1) DVG., in denen die Erlassung eines Dienstrechtsmandates genügt, liegt hier nicht vor. Dies ergibt sich, worauf schon das Erstgericht zutreffend verwiesen hat, aus der Überschrift zu § 23 GÜG., wonach eine Naturalwohnung einen Naturalbezug darstellt. Ihre Entziehung ist also eine Änderung der dienst- oder besoldungsrechtlichen Stellung des Beamten bei der gemäß § 9 (1) DVG. ein Dienstrechtsmandat nicht zulässig ist. Das gleiche geht übrigens aus § 24 des Gehaltsgesetzes 1956 (BGBl. Nr. 54/1956) hervor, wo unter der Überschrift "Naturalbezüge" die Kürzung der Geldbezüge für jenen Fall, als der Beamte daneben Sachbezüge erhält, geregelt wird. Dem schon zitierten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes ist übrigens gleichfalls zu entnehmen, daß im Falle des Entzuges einer Naturalwohnung die Erlassung eines Bescheides nach § 58 AVG. 1950 mit förmlicher Begründung erforderlich ist.

Ein solcher Bescheid wurde im vorliegenden Fall unbestrittenermaßen nicht erlassen. Ob den für das Dienstrechtsmandat bestehenden Vorschriften des § 9 DVG. entsprochen wurde, braucht nicht untersucht zu werden, da dann, wenn die Voraussetzungen für ein solches nicht vorliegen, ein die Gerichte bindender Verwaltungsakt nur gegeben ist, wenn die für diesen ansonsten geltenden Bestimmungen des § 11 DVG. und des § 56 AVG. 1950 beachtet wurden (SZ. XXII 92, ÖVA 1962 S. 125 u. a.).

Da somit die vom Berufungsgericht angeordnete Verfahrensergänzung nicht erforderlich, die Sache vielmehr im Sinne der Bestätigung des Ersturteils spruchreif ist, war dem Rekurs Folge zu geben und spruchgemäß zu entscheiden.