JudikaturJustiz6Ob160/08k

6Ob160/08k – OGH Entscheidung

Entscheidung
02. Juli 2009

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ. Prof. Dr. Kodek sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Tarmann Prentner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Josef S*****, vertreten durch Perner Mazzucco Rechtsanwälte GmbH in Salzburg, gegen die beklagte Partei Gerhard G*****, vertreten durch Mag. Andreas Wimmer, Rechtsanwalt in Hallein, wegen Unterlassung und Beseitigung, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Berufungsgericht vom 16. April 2008, GZ 22 R 61/08m 15, womit über Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichts Hallein vom 19. Dezember 2007, GZ 1 C 599/07k 08, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 445,82 EUR (davon 74,30 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Der Kläger begehrt, den Beklagten schuldig zu erkennen, dafür zu sorgen, dass die 10 Bäume auf seinem Grundstück, die sich im kürzesten Abstand zur Grenze des Grundstücks des Klägers befinden, entfernt werden, sodass die Beschattung, die von diesen 10 Bäumen ausgeht, beseitigt werde. Als er vor 17 Jahren seine Liegenschaft gekauft habe, sei diese noch gänzlich in der Sonne gelegen. Der Beklagte habe die auf seinem Grundstück zur Liegenschaftsgrenze hin stehenden Bäume in den letzten Jahren nicht gepflegt, sodass dadurch eine unzumutbare Beeinträchtigung für den Kläger entstanden sei.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Dabei ging es im Wesentlichen von folgendem Sachverhalt aus:

Die Liegenschaften der Streitteile liegen in der H*****siedlung, die sich über einen von Westen nach Osten ansteigenden Hang erstreckt und in den 1960er Jahren errichtet wurde. Die Liegenschaft des Klägers begrenzt das Siedlungsgebiet südöstlich und liegt in der am höchsten (am östlichen Ende) gelegenen Reihe von insgesamt fünf Grundstücken, wovon vier bebaut sind.

Die annähernd quadratische Liegenschaft des Klägers misst ca 1.400 m2 und wurde wegen der ausgeprägten Hanglage in zwei Ebenen geteilt. Auf der oberen Ebene steht das Wohnhaus, dem in Richtung Westen eine Terrasse vorgelagert ist. Durchschnittlich rund 5 m vor dem Haus verläuft westlich eine Geländekante, an der die steile, zur unteren Ebene führende Böschung beginnt. Zur unteren, ca 10 m tiefer gelegenen Ebene führt eine Stiege. Auf der unteren Ebene befinden sich im nördlichen Bereich ein Schwimmbad, südlich daran angrenzend ein Tischtennistisch, ein Gartenhaus und ein Trampolin. Der östliche (bergseitige) Teil der unteren Ebene ist betoniert. Weiter westlich (talwärts) geht das Betonfundament in eine balkonartige Lärchenholzkonstruktion über, die die Hanglage ausgleicht und in Richtung Westen (talwärts) durch ein Geländer abgeschlossen wird. Westlich (talwärts) an die Holzkonstruktion anschließend verläuft bis hin zur Grenze mit dem Grundstück des Beklagten ein durchschnittlich ca 5 m breiter und nochmals ca 2 m abfallender Streifen, der von Sträuchern bewachsen ist. Auf dem Grundstück des Klägers steht seit 1967 ein Wohnhaus. Der Kläger hat die Liegenschaft 1988 erworben und das Wohnhaus aufgestockt. 1999 erweiterte er den Freizeitbereich auf der unteren Ebene in Richtung Westen, indem er die Konstruktion aus Lärchenholz errichten ließ.

Auf dem Grundstück des Beklagten stehen bis an die Grundgrenze Laub und Nadelbäume, deren Äste teilweise einige Meter auf das Grundstück des Klägers ragen. Der Waldbestand erstreckt sich über mehr als drei Viertel des Grundstücks des Beklagten. Er ist von ähnlicher Beschaffenheit wie der Wald in der näheren Umgebung der Liegenschaften bzw entlang der vom Ortszentrum zur Siedlung führenden Straße. Das Wohnhaus des Beklagten steht im nordwestlichen Bereich seiner Liegenschaft, die ebenfalls eine ausgeprägte Hanglage aufweist. Der Waldbestand setzt sich auch auf der nördlich an die Liegenschaft des Beklagten bzw nordwestlich an die Liegenschaft des Klägers angrenzenden Nachbarliegenschaft fort. Auch andere Grundstücke der H*****siedlung, insbesondere jene im bergseitigen Bereich, weisen teilweise erheblichen Baumbestand auf.

Der Baumbestand auf der Liegenschaft des Beklagten ist von der westseitigen Terrasse des Hauses des Klägers rund 30 m entfernt. Diese bis zu ca 25 m hohen Bäume überragen das Niveau der Terrasse um ca 10 m. Auf die obere Ebene der Liegenschaft des Klägers werfen die Bäume kaum Schatten. So liegt die Terrasse auch im September noch bis ca 16:00 Uhr bis 17:00 Uhr in der Sonne. Hingegen wird die untere Ebene mit den Freizeiteinrichtungen durch die Bäume des Beklagten wesentlich mehr beschattet. Im Sommer kann hier Sonnenlicht nur am Vormittag weitgehend ungehindert einfallen, während ab etwa 14:00 Uhr die untere Ebene mit dem Schwimmbad größtenteils oder gänzlich im Schatten liegt.

Der Beklagte hatte seine Liegenschaft samt dem damals rund 30 Jahre alten Wohnhaus im Jahr 1997 gekauft. Die Bäume auf dieser Liegenschaft standen schon, als die Siedlung errichtet wurde. Weder die Rechtsvorgänger des Beklagten noch dieser selbst pflanzten neue Bäume.

Die Liegenschaft des Klägers wird sowohl an der Südseite als auch an der Westseite durchgehend von Wald eingeschlossen, wobei rund 80 % der Westgrenze die Liegenschaft des Beklagten bildet; der westliche, im Norden gelegene Teil der Westgrenze schließt an eine andere Liegenschaft an, die dort gleichartigen Waldbestand aufweist. Die Ostgrenze bildet die Zufahrtsstraße, an die bzw über die ebenfalls gleichartiger hoher Waldbestand (ca 25 m hoher Mischwald) heranreicht.

Rechtlich würdigte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahin, dass der Schattenwurf der Bäume des Beklagten nicht das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß übersteige. Die Liegenschaft des Klägers rage zungenförmig in ein ausgedehntes Waldgebiet hinein. Der Schattenwurf führe aber auch nicht zu einer unzumutbaren Beeinträchtigung der ortsüblichen Benutzung des Grundstücks des Klägers. Die obere Ebene der Liegenschaft mit dem Wohnhaus und der Terrasse sei praktisch überhaupt nicht von der Beschattung durch die Bäume des Beklagten betroffen. Die untere Ebene mit den Freizeiteinrichtungen stelle nur einen relativ kleinen Bereich der gesamten Liegenschaftsfläche dar. Wenn der Kläger bzw seine Rechtsvorgänger in Kenntnis der örtlichen Umstände im Nahbereich des angrenzenden Waldes ein Schwimmbad errichteten und die angrenzende Liegenschaftsfläche durch eine Holzkonstruktion erweitert hätten, so könnten die schon damals absehbaren Beeinträchtigungen durch Schattenwurf der neuen Bäume nun nicht als unzumutbar erachtet werden.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Nachträglich (§ 508 Abs 1 ZPO) ließ es die ordentliche Revision zu, weil oberstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage fehle, ob ein Nachbar im Ergebnis die Beseitigung oder (sofern bei Nadelbäumen überhaupt möglich) das Zurückschneiden von Bäumen verlangen könne, die zum Zeitpunkt des Erwerbs der Liegenschaft am Nachbargrundstück, auf dem sich auch ein Wohnhaus befinde, bereits vorhanden und als dichter Bewuchs erkennbar gewesen seien, sodass absehbar gewesen sei, dass diese Bäume künftig wachsen und dann am Nachbargrundstück zu Immissionen im Sinn des § 364 Abs 3 ABGB führen würden.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Klägers ist entgegen dem - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) - Ausspruch des Berufungsgerichts mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.

Die auf den konkreten Umständen des Einzelfalls beruhende Auslegung des Begriffs der „Unzumutbarkeit" begründet - vom Fall einer auffallenden Fehlbeurteilung abgesehen - keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO (6 Ob 94/08d; 8 Ob 116/07b).

Zu § 364 ABGB entspricht es aber ständiger Rechtsprechung, dass sich neu hinzukommende Nachbarn grundsätzlich mit der im Gebiet vorherrschenden Immission abfinden müssen, zumal in immissionsbelasteteren Gebieten auch die Grundstückspreise entsprechend niedriger sind (RIS Justiz RS0112502).

Es entspricht auch der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, dass bei der Unzumutbarkeitsprüfung nach § 364 Abs 3 ABGB in Rechnung zu stellen ist, ob und in welchem Maß bei Bedachtnahme auf den (damals) bestehenden Zustand des Grundstücks des Beklagten bei der Errichtung eines Gebäudes eine Beeinträchtigung durch den Schattenwurf von Bäumen auf dem Nachbargrund vermieden werden konnte (10 Ob 60/06f; vgl 6 Ob 94/08d). So hat der Oberste Gerichtshof bereits entschieden, dass auch wenn § 364 Abs 3 ABGB den Begriff der Ortsüblichkeit nicht ausdrücklich erwähnt, die konkreten örtlichen Gegebenheiten die Zumutbarkeitsgrenzen zu Lasten des Nachbarn verschieben können. Habe der Kläger ein Grundstück samt Gebäude „inmitten eines Waldgebiets" erworben, so sei die Auffassung der Vorinstanzen, er könne nunmehr nicht die Beseitigung des Waldes fordern, jedenfalls im Ergebnis nicht zu beanstanden (6 Ob 51/07d). Der Oberste Gerichtshof hat die vom Berufungsgericht für erklärungsbedürftig erachtete Frage bereits dahin entschieden, dass der Umstand, dass ein bestimmter Zustand bereits seit längerer Zeit besteht, zwar die Anwendung des § 364 Abs 3 ABGB nicht ausschließt (10 Ob 60/06f), aber im Rahmen der nach dieser Bestimmung vorzunehmenden Interessenabwägung zu berücksichtigen ist. Er hat ferner bereits die Rechtsauffassung gebilligt, dass in die Interessenabwägung eine vorhersehbare Entwicklung des Lichtentzugs durch Schattenwurf aufgrund der natürlichen Beschaffenheit des Geländes - wie (nach den Feststellungen der Vorinstanzen) im Anlassfall - maßgeblich zu berücksichtigen ist (6 Ob 94/08d).

Die auf den in der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs entwickelten Grundsätzen beruhende Beurteilung des Berufungsgerichts, dass nach der Lage des Falls der festgestellte Lichtentzug durch Bäume des Beklagten noch zu keiner unzumutbaren Beeinträchtigung der Benutzung der Liegenschaft des Klägers führt, ist jedenfalls vertretbar.

Ob das Berufungsgericht die Frage der Ortsüblichkeit zutreffend gelöst hat, ist wegen einer nicht unzumutbaren Beeinträchtigung der Benutzung des Grundstücks des Klägers für die Entscheidung nicht erheblich.

Der behauptete Nichtigkeitsgrund (§ 477 Abs 1 Z 9 ZPO) liegt nicht vor, kann doch keine Rede davon sein, dass das Berufungsgericht seine Beurteilung, der Lichtentzug durch Bäume des Beklagten übersteige nicht das ortsübliche Maß, nicht begründet oder hiefür nur eine Scheinbegründung gegeben habe.

Unter dem Revisionsgrund der Aktenwidrigkeit (§ 503 Z 3 ZPO) bekämpft der Kläger in Wahrheit die nicht revisible Beweiswürdigung der Vorinstanzen. Der geltend gemachte Rechtsmittelgrund ist nur dann gegeben, wenn die Feststellungen auf aktenwidriger Grundlage getroffen wurden oder wenn überhaupt keine beweismäßige Grundlage besteht, nicht aber dann, wenn eine allenfalls mögliche Feststellung nicht getroffen oder eine Feststellung durch Schlussfolgerung gewonnen wurde ( E. Kodek in Rechberger , ZPO3 § 503 Rz 17 mwN).

Die Zurückweisung einer ordentlichen Revision wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage (§ 502 Abs 1 ZPO) kann sich auf die Angabe der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.

Rechtssätze
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