JudikaturJustiz6Ob154/02v

6Ob154/02v – OGH Entscheidung

Entscheidung
20. Februar 2003

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Graf, Dr. Huber, Dr. Prückner und Dr. Schramm als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei B***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Wolf Theiss Partner, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei Elisabeth M*****, Geschäftsfrau, ***** vertreten durch Dr. Alexander Milavec, Rechtsanwalt in Wien, wegen Übergabe eines Bestandobjektes, hilfsweise Feststellung, über den Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 15. Jänner 2002, GZ 39 R 371/01z-21, mit dem das Urteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 30. Juli 2001, GZ 30 C 1684/99t-17, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

Spruch

Dem Rekurs wird Folge gegeben. Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.

Das Urteil des Erstgerichtes wird zur Gänze wiederhergestellt. Die beklagte Partei hat der klagenden Partei die mit insgesamt 4.649,36 EUR (darin enthalten 748,39 EUR Umsatzsteuer und 159,- EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin betreibt an mehreren Standorten in Europa sogenannte "Designer Outlet Center", nämlich Einkaufszentren, in denen die Bestandnehmer jeweils mittel- bis hochwertige Produkte einer Marke zu reduzierten Preisen zum Verkauf anbieten. 1998 errichtete sie ein solches Einkaufszentrum in Parndorf in unmittelbarer Nähe einer Autobahnabfahrt. Geplant waren zwei Bauphasen. Der erste Bauabschnitt umfasste ein Café, einen Food Court-Bereich, bestehend aus vier Gastronomieflächen und 30 Bestandobjekte für Markentextilfirmen, weiters einen großen Kundenparkplatz, einen Angestelltenparkplatz, eine Lieferantenzufahrt samt Lieferantenparkplatz, einen Kinderspielplatz, öffentliche Telefone und Kundentoiletten. Ein derartiges Einkaufszentrum gab es in Österreich bis dahin noch nicht. Vor Baubeginn ließ die Klägerin Marktstudien erstellen, die ergaben, dass im Einzugsgebiet mit einer Fahrzeit bis zu 60 Minuten die Städte Wien, Budapest und Bratislava liegen und rund 3 Mio Menschen leben. Aufgrund von Vergleichswerten und Erfahrungswerten der Klägerin mit von ihr bereits betriebenen Einkaufszentren erwartete sie rund 3 Mio Besucher pro Jahr und durchschnittlich 10.000 Besucher pro Tag. Anfang 1998 beauftragte die Klägerin ein Marketingunternehmen mit der Akquirierung von Interessenten für den Gastronomiebereich. Grundlage der abzuschließenden Bestandverträge sollte der von der Klägerin ausgearbeitete Pachtvertragsentwurf samt Pachtbedingungen sein. Dieser Vertragsentwurf sah unter anderem eine zehnjährige Befristung des Bestandverhältnisses, die Zahlung eines Umsatzbestandzinses, jedenfalls aber eines Mindestbestandzinses und eine vorzeitige Kündigungsmöglichkeit der Klägerin für den Fall vor, dass die im Vertrag festzulegende Umsatzzahl vom Bestandnehmer in vertraglich näher festzulegenden Perioden ("spezifizierte Umsatzzahl") nicht erreicht werden sollte. Diese "spezifizierte Umsatzzahl" wurde von der Klägerin für die einzelnen Bestandobjekte derart kalkuliert, dass eine Wirtschaftlichkeit des Einkaufszentrums gewährleistet sein sollte. Der betreffende Vertragspunkt wurde von der Klägerin deshalb vorgesehen, um sich die Möglichkeit vorzubehalten, bei mangelnder Wirtschaftlichkeit des Einkaufszentrums Änderungen in der Person der Bestandnehmer und im Branchenmix vornehmen zu können. Für das Café war eine solche jährliche Umsatzzahl von 5 Mio S errechnet worden, die der Marketingfirma auch bekanntgegeben wurde. Diese erstellte zunächst anhand der von der Klägerin ausgefolgten Werbematerialien und der erteilten sonstigen Informationen, die auch die Prognose über die erwarteten Besucherzahlen enthielt, eine entsprechende Informationsbroschüre. Darin wurde unter anderem auf die verkehrsgünstige Lage, das Einzugsgebiet von drei Hauptstädten, das nahegelegene Urlaubergebiet des Neusiedlersees und die Zahl der im Umkreis lebenden Einwohner, gestaffelt nach Fahrzeit, verwiesen. Im April oder Mai 1998 nahm das Marketingunternehmen mit der Beklagten, die damals schon seit 20 Jahren selbständig im Gastgewerbe tätig war und in Baden zwei Café- Restaurants führte, Kontakt auf. Ihr wurden Werbeunterlagen der Klägerin und die Informationsbroschüre der Marketinggesellschaft ausgefolgt, die Besuchererwartung dargelegt und die Möglichkeit der Teilnahme an einer Informationsreise nach England zur Besichtigung eines bereits in Betrieb befindlichen "Designer Outlet Centers" eröffnet. Die Beklagte nahm an dieser Informationsreise teil. Der Manager des besichtigten Einkaufszentrums erklärte, dass die tatsächlichen Besucherzahlen die Erwartungen bei weitem überstiegen hätten. Anstatt der prognostizierten 3 Mio Besucher im Jahr seien bereits im ersten Jahr der Eröffnung 3,5 Mio und im Laufe der Zeit über 4,5 Mio Besucher im Jahr gezählt worden. Bei dieser Gelegenheit wurde den Reiseteilnehmern nochmals der erhobene Einzugsbereich von 3 Mio Personen und die prognostizierte Besucherzahl von durchschnittlich 10.000 Besuchern pro Tag für das in Parndorf errichtete Einkaufszentrum genannt. Dieser Hinweis wurde in anschließenden Besprechungen mit den Interessenten wiederholt. Mit Schreiben vom 7. 7. 1998 bewarb sich die Beklagte um den Abschluss eines Bestandvertrages betreffend das im Parterre des Blocks A geplante Kaffeehaus. Am 9. 7. 1998 wurde der Beklagten ein von der Klägerin ausgearbeiteter Vertragsentwurf mit der Überschrift "Überblick über die Hauptpunkte des Pachtvertrages Café Block A" übergeben, in den die "spezifizierte Umsatzzahl" von 5 Mio S pro Jahr händisch eingefügt wurde. Die Art der Berechnung dieser Zahl wurde der Beklagten nicht mitgeteilt. Die Beklagte war jedoch aufgrund der ihr genannten Besucherzahlen überzeugt, diesen Umsatz zu erreichen. Auf Anraten des Marketingunternehmens wurde in den Vertragsentwurf der Passus aufgenommen, dass die Verpflichtung zur Bestandzinszahlung erst bei Eröffnung von mindestens 60 % der Bestandflächen beginne, weil die Beklagte bezweifelte, ob das Einkaufszentrum, wie vorgesehen, im August 1998 eröffnet werde und die Geschäftslokale in Betrieb sein würden. In der Folge wurde der Beklagten der Pachtvertragsentwurf übermittelt. Der Entwurf wurde in Anwesenheit der Rechtsvertreterin der Klägerin, eines Mitarbeiters der Marketingfirma und teilweise einer Mitarbeiterin der Klägerin im Einzelnen besprochen und erörtert. Dieses Gespräch endete damit, dass der Beklagten geraten wurde, den Pachtvertragsentwurf samt den angeschlossenen Pachtbedingungen nochmals in Ruhe durchzulesen und bei etwaigen Fragen die von der Klägerin beauftragte Rechtsanwaltskanzlei zu kontaktieren.

Am 21. 7. 1998 unterfertigte die Beklagte den Pachtvertrag. Die Klägerin unterfertigte ihn am 27. 7. 1998. Damit nahm die Beklagte das Café Block A mit einer Nutzfläche von 332 m² befristet auf die Dauer von 10 Jahren ab dem vereinbarten Zinszahlungsbeginn zum Verkauf von Wiener Kaffeespezialitäten, alkoholischen und alkoholfreien Getränken, Eisspezialitäten und Snacks unter der Etablissementbezeichnung "Café S*****" in Bestand. Nach dem Inhalt des Pachtvertrages war die endgültige Speisekarte dem Bestandgeber zur Genehmigung vorzulegen. Hauptgerichte wie zB Schweinsbraten oder Schnitzel dürfen nicht als Hauptangebote oder Hauptteile des Sortiments verkauft werden. Die Beklagte hat sich an den Kosten der Werbung zu beteiligen, die von der Klägerin für das gesamte Einkaufszentrum nach ihrem Ermessen durchgeführt wird. In den mitvereinbarten Pachtbedingungen ist unter anderem eine außerordentliche Kündigung durch die Klägerin unter Einhaltung einer dreimonatigen Kündigungsfrist zum Ende des Kalendermonats vorgesehen, "wenn der Umsatz für eine durchgehende Zeitspanne von 12 Monaten während der Laufzeit ("spezifizierte Umsatzperiode") weniger als die spezifizierte Umsatzzahl beträgt oder wenn der Umsatz für eine fortlaufende Monatsperiode während der ersten 12 Monate weniger als die wie folgt berechnete Summe ist: spezifizierte Umsatzzahl mal Anzahl der gegenständlichen Monate/12; wenn die spezifizierte Umsatzperiode sich teilweise über zwei Bestandjahre erstreckt, ist die spezifizierte Umsatzzahl die Zahl für das erste der beiden Bestandjahre. Unter dieser Bestimmung wird während der ersten drei Monate der Vertragslaufzeit keine Kündigung erfolgen" (Punkt 7.3.1.1 b der Pachtbedingungen).

Dieser Punkt der Pachtbedingungen wurde im Pachtvertrag einvernehmlich dahin abgeändert, dass die einzuhaltende Kündigungsfrist anstatt mit drei Monaten mit sechs Monaten vereinbart wurde.

Vereinbart wurde insbesondere auch eine Betriebspflicht des Bestandnehmers und die Pflicht, den Bestandgegenstand während der Öffnungszeiten zum Geschäftsbetrieb offenzuhalten und darin aktiven Verkauf zu betreiben. Der zu zahlende Bestandzins setzt sich aus einem Mindestzins und einem Umsatzzins von 9 % des Umsatzes in jedem Bestandjahr zusammen, wobei der Mindestzins nach dem Wortlaut des Bestandvertrages erst ab Jahresbeginn 1999 zu zahlen war. Auf die Anfechtung des Vertrages wegen Irrtums hat die Beklagte verzichtet. Nach Fertigstellung der ersten Ausbaustufe wurde das Einkaufszentrum am 20. 8. 1998 eröffnet und der Geschäftsbetrieb in jenen Geschäftslokalen, die bereits in Bestand gegeben waren, aufgenommen. Die Beklagte hatte ihr Café noch nicht fertig eingerichtet. Sie hatte zunächst nur einige Tische im Freien aufgestellt und bot dort Kaffee und Plundergebäck zum Verkauf an. Seit 24. 9. 1998 betreibt sie das Café in den Bestandräumlichkeiten. Die Einrichtung erfolgte auf Kosten der Beklagten und wurde mit der Klägerin abgestimmt. Sowohl das Einkaufszentrum als auch das Café ist jeweils von Montag bis einschließlich Samstag geöffnet und nur an Sonn- und Feiertagen geschlossen.

Im Zeitpunkt der Eröffnung des Einkaufszentrums waren der Gastronomiebereich und 19 der übrigen 30 Bestandobjekte in Bestand gegeben. Das unmittelbar an das Café der Beklagten angrenzende Objekt stand noch leer. Ab März 1999 standen nur mehr zwei oder drei Objekte leer. Anfang 1999 wurde mit der zweiten Bauphase begonnen. Das Einkaufszentrum wurde auf insgesamt 76 Geschäftslokale inklusive eines weiteren Kaffeehauses vergrößert. Die ersten in der zweiten Bauphase errichteten Bestandobjekte wurden ab Mitte 1999 in Bestand gegeben. Im Juni 2000 waren dies 60 Objekte. Von den in der ersten Bauphase errichteten Objekten stand in diesem Zeitpunkt nur mehr ein Objekt leer. Der Branchenmix wurde von der Klägerin nach dem Ergebnis einer Strukturerhebung gewählt. Dass dieser nicht den Kundenerfordernissen entsprochen hätte, kann nicht festgestellt werden. Zunächst aufgetretenen Problemen mit dem angebotenen Warensortiment wurde dadurch entgegengewirkt, dass das Warenangebot auf Betreiben der Klägerin abgeändert und verbessert wurde. Die Klägerin führte vor und begleitend mit der Eröffnung des Einkaufszentrums diverse Werbemaßnahmen durch und versuchte, durch saisongemäße Veranstaltungen wie durch Halloween-, Advent- und Weihnachtsaktionen die Besucherfrequenz zu erhöhen. Unter Berücksichtigung der Ergebnisse einer im Einfahrtsbereich des Kundenparkplatzes durchgeführten Autozählung und eines Multiplikators von 2,7 Personen pro Auto ergeben sich für September 1998 132.249 Besucher, für Oktober 1998 100.875 Besucher und für die Folgemonate bis August 2000 teils unter, teils über 100.000 Besucher im Monat. Die Höchstbesucherzahl wurde nach dieser Berechnung im August 1999 mit 177.541, die geringste im Februar 1999 mit 45.895 Besuchern verzeichnet.

Die Bestandnehmer waren mit den Besucherzahlen bis Ende 1998 und mit ihren Umsätzen nicht zufrieden. Deshalb wurde unter anderem auch mit der Beklagten vereinbart, dass diese weiterhin bis einschließlich Mai 1999 lediglich die Umsatzmiete von 9 % und erst ab Juni 1999 auch den Mindestbestandzins zu zahlen habe. Die Beklagte gab vereinbarungsgemäß der Klägerin den jeweiligen Monatsumsatz bekannt, woraus sich für den Zeitraum vom 24. 9. 1998 bis 22. 8. 1999 ein Umsatz von 2,829.852 S ergibt.

Bei einer im Bestandobjekt der Beklagten am 9. 12. 1999 durchgeführten Betriebsprüfung des Arbeitsinspektorates wurde eine ungarische Staatsbürgerin angetroffen, die damals den dritten Tag für die Beklagte arbeitete, aber keine Beschäftigungsbewilligung vorweisen konnte. Über sie wurde ein sofortiges, bis 8. 12. 2001 befristetes Aufenthaltsverbot in Österreich erlassen und die sofortige Ausreise aus Österreich veranlasst und durchgeführt. Die Beklagte wurde wegen dieses Vorfalles im Verwaltungsverfahren bestraft.

Mit Schreiben vom 27. 8. 1999 kündigte die Klägerin das Bestandverhältnis mit der Beklagten unter Berufung auf Punkt 7.3.1.1. b der Pachtbedingungen unter Einhaltung einer sechsmonatigen Kündigungsfrist zum 29. 2. 2000 auf. Dieses Kündigungsschreiben ging der Beklagten am 27. 8. 1999 zu.

Die Klägerin begehrt gestützt auf § 567 Abs 4 ZPO, die Beklagte zu verpflichten, den Bestandgegenstand der Klägerin mit Ablauf des 29. 2. 2000 geräumt zu übergeben und hilfsweise die Feststellung, dass das mit Pachtvertrag vom 27. 7. 1998 eingegangene Pachtverhältnis zwischen den Streitteilen mit Ablauf des 29. 2. 2000 aufgelöst sei. Die Beklagte habe die vereinbarte Umsatzzahl nicht erreicht und damit den vereinbarten Grund für die vorzeitige Kündigung gesetzt. Die hiefür maßgebende Umsatzzahl sei nicht unter der Annahme einer bestimmten Besucherzahl des gesamten Einkaufszentrums vereinbart worden und stehe auch nicht mit einer solchen in Verbindung. Vertragsänderungen könnten vereinbarungsgemäß nur schriftlich erfolgen. Es gebe insbesondere keine schriftliche Zusatzvereinbarung, dass die Umsatzzahl nur gelten solle, wenn eine bestimmte erhoffte Besucherzahl im Einkaufszentrum erreicht werde. Auf die Geltendmachung eines Gewährleistungsanspruches oder Anfechtung des Pachtvertrages wegen Irrtums könne sich die Beklagte nicht berufen, weil sie im Vertrag ausdrücklich auf diese Möglichkeiten verzichtet habe. Bei der genannten möglichen Besucherzahl von 10.000 pro Tag habe es sich nicht um eine Garantie oder Zusage, sondern nur um eine Prognose gehandelt. Jedem potentiellen Bestandnehmer habe klar sein müssen, dass eine solche Zusage bei der Eröffnung eines noch gar nicht voll ausgebauten Einkaufszentrums gar nicht möglich gewesen sei. Ein allfälliger Irrtum über Zukünftiges sei höchstens ein unbeachtlicher Motivirrtum. Auch könnten aus Besucherzahlen für das gesamte Einkaufszentrum keine zwingenden Rückschlüsse auf die Umsätze einzelner Bestandnehmer gezogen werden, weil diese Umsätze vom eigenen Geschäftsgebaren des Bestandnehmers abhingen. Die Beklagte habe sich mit dem betreffenden Vertragspunkt auseinandergesetzt, wie sich schon daraus ergebe, dass sie eine Verlängerung der Kündigungsfrist von drei auf sechs Monate gewünscht habe. Bei künftiger wirtschaftlicher Entwicklung oder Vorliegen von bestimmten Besucherzahlen handle es sich auch nicht um eine typisch vorhersehbare Voraussetzung, die jedermann mit einem Pachtvertrag verbinde. Der Nichteintritt dieser Erwartungen der Beklagten könne daher auch nicht als Wegfall der Geschäftsgrundlage qualifiziert werden. Die Pachtzinse seien lediglich deshalb reduziert worden, um eine finanzielle Überbrückung anzubieten. Ein stillschweigender Verzicht auf den geltend gemachten Kündigungsgrund, den die Klägerin vereinbarungsgemäß erst ab dem siebenten Monat des Bestandverhältnisses wahrnehmen habe können, liege nicht vor. Der betreffende Kündigungsgrund sei wirksam vereinbart worden, weil das Bestandverhältnis als Pacht und nicht als Miete zu qualifizieren sei. Hilfsweise werde die Auflösung des Bestandverhältnisses gemäß § 1118 ABGB erklärt, weil die Beklagte entgegen ihrer vertraglichen Verpflichtung eine ausländische Kellnerin ohne Aufenthalts- und Beschäftigungsbewilligung beschäftigt und versucht habe, eine andere Arbeitnehmerin zu überreden, einen Teil der Arbeitszeit "schwarz" zu arbeiten.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Die "spezifizierte Umsatzzahl" sei in der Annahme einer entsprechenden Kundenfrequenz des Einkaufszentrums festgelegt worden. Die prognostizierte Besucherzahl von 10.000 Besuchern pro Tag sei Geschäftsgrundlage des Bestandvertrages gewesen. Der Umsatz der Beklagten sei fast ausschließlich vom Erfolg des gesamten Einkaufszentrums abhängig, dessen Geschäftsführung es nicht gelungen sei, die behauptete Besucherfrequenz zu erzielen. Der Klägerin seien die Umsatzzahlen der Beklagten von Anfang an bekannt gewesen. Da sie den nunmehr herangezogenen Kündigungsgrund nicht umgehend geltend gemacht habe, habe sie diese Möglichkeit verwirkt. Die Klägerin sei überdies ihrer Verpflichtung, entsprechende Werbemaßnahmen durchzuführen, nicht nachgekommen; dies habe sich auch für die Beklagte umsatzmindernd ausgewirkt. Die Klägerin habe aufgrund der von ihr zu vertretenden schlechten Besucherfrequenzen schließlich auch Bestandzinsnachlässe gewährt. Zudem sei das Bestandverhältnis nicht als Pacht, sondern als Miete zu qualifizieren, das den Bestimmungen des Mietrechtsgesetzes unterliege, wonach der geltend gemachte Kündigungsgrund ausgeschlossen sei.

Das Erstgericht gab der Klage statt und erkannte die Beklagte schuldig, der Klägerin das Bestandobjekt binnen 14 Tagen geräumt zu übergeben. Obgleich kein lebendes Unternehmen übergeben worden sei, liege im Hinblick auf das wirtschaftliche Interesse des Betreibers eines Einkaufszentrums, das in verschiedenen Vertragspunkten zum Ausdruck komme, Unternehmenspacht und nicht Geschäftsraummiete vor. Lege man die für das erste Bestandjahr vereinbarte spezifizierte Umsatzzahl auf den Zeitraum vom 24. 9. 1998 bis 22. 8. 1999 (11 Monate) um, in dem der Umsatz der Beklagten 2,829.852 S betragen habe, ergebe sich ein zu erzielender Betrag von 4,583.333,20 S für den gesamten Zeitraum und von 416.666,65 S pro Monat. In den Monaten Juli und August 1999 habe die Beklagte aber lediglich einen monatlichen Umsatz von 270.200 S (Juli) und 389.500 S (August) erzielt, sodass die Voraussetzungen für das der Klägerin in Punkt

7.3.1.1. b eingeräumte vorzeitige Kündigungsrecht vorlägen. Es sei zwar die von der Klägerin erwartete und der Beklagten genannte Zahl der Besucher des Einkaufszentrums bei weitem nicht erreicht worden. Es entspreche aber der allgemeinen Lebenserfahrung, dass die Gründung eines neuen, noch nicht eingeführten Einkaufszentrums, das noch dazu ein völlig neues Konzept verwirklichen solle, ein Risiko darstelle und dass damit gerechnet werden müsse, das Einkaufszentrum würde nicht angenommen. Die Vertragspartner könnten sich zur Verwirklichung der eigenen Interessen nicht auf eine Änderung berufen, mit deren Möglichkeit bereits bei Vertragsabschluss gerechnet werden müsse. Schließe eine Partei aber ungeachtet der Möglichkeit einer solchen Änderung ohne Vorbehalt ein Rechtsgeschäft ab, so trage sie das Risiko. Es wäre Sache der Beklagten gewesen, auf entsprechende vertragliche Vereinbarungen, etwa die Streichung des hier strittigen Kündigungsgrundes oder Festlegung einer geringeren Umsatzzahl zu dringen. Die Beklagte könne sich daher nicht auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage berufen. Nach den Feststellungen könne sie sich auch nicht auf einen Verstoß der Klägerin gegen ihre Verpflichtung, Werbemaßnahmen zu ergreifen, berufen. Da der den Umsatz betreffende Kündigungsgrund nach der getroffenen Vereinbarung nicht innerhalb der ersten sechs Monate der Vertragsdauer geltend zu machen gewesen sei, sei auch eine Verschweigung dieses Kündigungsgrundes nicht eingetreten. Auch darin, dass der Beklagten bis einschließlich Mai 1999 die Bezahlung des fixen Bestandzinses erlassen worden sei, sei ein Verzicht auf das Kündigungsrecht nicht zu erblicken. Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten dahin Folge, dass es das Urteil aufhob und dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auftrug. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes "260.000 S" übersteige und der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei. Es billigte die Rechtsansicht des Erstgerichtes, dass Unternehmenspacht vorliege und demnach der geltend gemachte Kündigungsgrund wirksam vereinbart worden sei. Das Einkaufszentrum stelle keinen Wirtschaftspark im Sinn des § 1 Abs 5 MRG dar, weil die Bestandobjekte nahezu ausschließlich für den Handel bestimmt seien. Es treffe auch die Rechtsansicht des Erstgerichtes zu, dass in dem geringfügigen Zuwarten der Klägerin ab Beginn der Kündigungsmöglichkeit Anfang April 1999 bis zum Ausspruch der Kündigung nicht auf einen stillschweigenden Verzicht auf den geltend gemachten Kündigungsgrund geschlossen werden könne. Allerdings sei davon auszugehen, dass die Besucherfrequenz von 10.000 pro Tag bzw 3 Mio im Jahr Geschäftsgrundlage des Pachtvertrages im Sinn des § 901 ABGB und nicht bloß Motiv für dessen Abschluss gewesen sei. Die Klägerin habe im Gegensatz zur Beklagten über internationale Erfahrungen mit derartigen Einkaufszentren verfügt. Sie habe die Beklagte mehrfach auf diese zu erwartenden Besucherzahlen hingewiesen. Aus den Vorbemerkungen des Pachtvertrages ("Zwischen den Geschäftseinheiten einerseits und dem gesamten Designer Outlet Center andererseits besteht wechselseitige wirtschaftliche Abhängigkeit, die den gemeinsamen Erfolg von Bestandnehmer und Bestandgeber bestimmt") ergebe sich, dass die Klägerin von einer wechselseitigen wirtschaftlichen Abhängigheit ausgehe, die den gemeinsamen Erfolg von Bestandnehmer und Bestandgeber bestimme. Diese Präambel sei als Auslegungsgrundsatz zu werten und mache deutlich, dass der wirtschaftliche Erfolg der Beklagten in Wechselbeziehung zum wirtschaftlichen Erfolg des Einkaufszentrums stehe und ein Wegfall der Vorteile des Einkaufszentrums, insbesondere der erwarteten Kundenfrequenz, auch zum wirtschaftlichen Misserfolg der Beklagten führen müsse. In Anbetracht der betreffenden Formulierungen und der unterschiedlichen wirtschaftlichen Stärke und Erfahrung der Streitparteien sei der wirtschaftliche Erfolg des Einkaufszentrums in etwa in der Größenordnung der prognostizierten Kundenfrequenz stillschweigend zur Geschäftsgrundlage gemacht worden. Diese Einschätzung finde auch darin eine Bestätigung, dass den Bestandnehmern bis Juni 1999 Zinsnachlässe gewährt worden seien. Die Mitverantwortlichkeit der Klägerin ergebe sich auch aus ihren vereinbarten Eingriffen in die Unternehmensführung der Beklagten, wie etwa durch Festlegung einer Produktpalette, vorgeschriebene Öffnungszeiten und die von der Klägerin durchgeführte entgeltliche Bewerbung. Deshalb könne der wirtschaftliche Erfolg des Einkaufszentrums, insbesondere der in Aussicht gestellte Besucherstrom, nicht bloß als Motiv der Beklagten für den Abschluss des Pachtvertrages verstanden werden. Das für Änderungen vereinbarte Schriftlichkeitsgebot stehe der Annahme, dass die in Aussicht gestellte Kundenfrequenz stillschweigend Geschäftsgrundlage geworden sei, nicht entgegen, weil auch stillschweigend vom Schriftformgebot wieder abgegangen werden könne. Der Pachtvertrag enthalte keine Regelung darüber, was gelten solle, wenn die stillschweigend zur Vertragsgrundlage gemachte Besucherzahl bei weitem nicht erreicht werde. Insoweit sei eine ergänzende Vertragsauslegung gemäß dem hypothetischen Parteiwillen vorzunehmen. Aus den hiefür unter anderem maßgebenden Vorverhandlungen ergebe sich, dass die Umsatzziffern unter Hinweis der Klägerin auf Marktstudien und internationale Erfahrung in Aussicht gestellt worden seien. Nicht geklärt worden seien aber bisher die Kriterien, die für die Bestimmung der speziellen Umsatzahl maßgebend gewesen seien, insbesondere nicht, ob und inwieweit hier - was zu erwarten sei - eine bestimmte Besucherfrequenz miteingeflossen sei. Erst nach Abklärung der diesbezüglichen Berechnung könne festgestellt werden, welche spezielle Umsatzzahl für eine Aufkündigung bei Kenntnis der Anfangsschwierigkeiten und des tatsächlichen Umsatzes von redlichen und vernünftigen Vertragsparteien vereinbart worden wäre. Das Erstgericht werde daher den Pachtvertrag nach den aufgezeigten Grundsätzen ergänzend auszulegen und dabei auch (allenfalls durch Sachverständigengutachten zu ermittelnde) Handelsbräuche in Einkaufszentren zu Grunde zu legen haben. Der Rekurs an den Obersten Gerichtshof sei zulässig, weil keine Rechtsprechung zur Frage vorliege, ob die prognostizierte Besucherzahl stillschweigend zur Vertragsgrundlage gemacht worden sei und ob die das Kündigungsrecht auslösende spezielle Umsatzzahl im Weg der hypothetischen Vertragsauslegung zu ermitteln sei.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs der Klägerin ist aus folgenden Erwägungen zulässig und im Sinn einer Wiederherstellung des erstgerichtlichen Urteiles auch berechtigt:

Die Ansicht der Vorinstanzen, dass das Bestandverhältnis als Pacht und nicht als Geschäftsraummiete zu qualifizieren sei, entspricht der höchstgerichtlichen Rechtsprechung in vergleichbaren Fällen. Der Oberste Gerichtshof beurteilt Bestandverträge zwischen dem Betreiber eines Einkaufszentrums mit Bestandnehmern, die dort unternehmerisch tätig werden (ebenso wie einen Vertrag über ein als Nebenbetrieb zu einem Kino oder Theater in Bestand gegebenes Buffet, über ein Bahnhofbuffet, über einen Bahnhofblumenkiosk und ein Bestandverhältnis betreffend ein in einem Krankenhaus betriebenes Institut für Computertomographie [3 Ob 274/02v mwN]) jeweils als Pachtverträge. Als hiefür wesentlich wurde hervorgehoben, dass der Geschäftsbetrieb nur innerhalb der Öffnungs- und Betriebszeiten des vom Bestandgeber betriebenen Unternehmens möglich sei, sich die Kunden an die vom Bestandgeber vorgegebenen Erfordernisse anzupassen hätten, dass der Betrieb des Bestandnehmers dem Unternehmen des Bestandgebers so untergeordnet sei, dass dessen Leistungsangebot für sein Publikum anziehender gestaltet werde, dass das eigene Interesse des Bestandgebers dadurch gefördert werde und dass das Unternehmen des Bestandnehmers tatsächlich und wirtschaftlich effektiv betrieben werde (SZ 70/184). Ein Einkaufszentrum sei dadurch gekennzeichnet, dass dem Kunden die Waren und Leistungen einer großen Zahl von Branchen "unter einem Dach" angeboten würden, gemeinsame Anlagen, wie vor allem ein Parkplatz oder eine Parkgarage zur Verfügung stünden und die Möglichkeit geboten werde, verschiedene wirtschaftliche Bedürfnisse zu befriedigen. Das wirtschaftliche Interesse des Betreibers liege nicht nur in der Erzielung eines Bestandzinses für die bereitgestellten Räume. Vielmehr bestehe ein besonderes eigenes Interesse am Betrieb der einzelnen Unternehmen. Der Bestandnehmer beziehe seinerseits die Vorteile nicht nur aus den bereitgestellten Räumen, sondern aus der Existenz des Einkaufszentrums insgesamt und dessen good will. Dem Bestandnehmer stehe in der Regel die gesamte Infrastruktur des Einkaufszentrums mit attraktiver Ausgestaltung der Gemeinschaftsflächen zur Verfügung. Im Allgemeinen sei die Vereinbarung einer Betriebspflicht das wesentlichste Kriterium für die Qualifikation als Pachtvertrag, sofern diese auf einem wirtschaftlichen Interesse des Bestandgebers in der Art des Betriebes

und an seinem Bestehen beruhe (SZ 70/184; 6 Ob 59/00w = SZ 73/180 =

immolex 2001, 47 = wobl 2001, 87 [Dirnbacher]). Gegenstand einer Unternehmenspacht kann auch ein erst zu gründender Betrieb sein, wenn der Bestandgeber die wesentlichen Grundlagen des künftigen Unternehmens zur Verfügung stellt (3 Ob 274/02v mwN). Auch der hier zu beurteilende Bestandvertrag enthält jene wesentlichen Regelungen, die von der Rechtsprechung als ausschlaggebend dafür angesehen werden, dass eine Unternehmenspacht vorliegt. Die Kündigungsbeschränkungen des Mietrechtsgesetzes sind daher nicht anzuwenden.

Es liegt zwar auf der Hand, dass die gegenüber der Beklagten wirtschaftlich wesentlich stärkere Klägerin die Entscheidung der Beklagten, das Café in diesem Einkaufszentrum zu betreiben, durch die Nennung der zu erwartenden Besucherzahlen beeinflusst hat. Auf eine Vertragsanpassung aus dem Titel eines von der Klägerin hervorgerufenen Geschäftsirrtums über die Besucherfrequenz kann sich die Beklagte aber infolge des vertraglichen Ausschlusses der Irrtumsanfechtung nicht berufen.

Die Schlussfolgerung des Berufungsgerichtes, dass die Vertragsparteien die von der Klägerin genannten Besucherzahlen zur Bedingung des Vertrages oder der Kündigungsmöglichkeit wegen zu geringen Umsatzes gemacht hätten, lässt sich weder aus den Feststellungen über den Verlauf der Vorverhandlungen noch über den Vertragsabschluss selbst ableiten. Insbesondere der Klägerin kann ein derartiger Vertragswille nicht unterstellt werden. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen war vielmehr ihr Motiv für die Aufnahme dieses Kündigungsgrundes in den Bestandvertrag, dass sie, wenn ihre Umsatzerwartungen nicht erfüllt werden sollten, problemlos Änderungen in der Zusammensetzung der im Einkaufszentrum vertretenen Branchen (im Branchenmix) und auch in der Person des Bestandnehmers vornehmen kann. Dass die Umsatzerwartungen und die damit zusammenhängende prognostizierte Besucherzahl von im Schnitt 10.000 pro Tag insbesondere schon im ersten Jahr jedenfalls aus der Sicht der Klägerin unsicher und möglicherweise zu optimistisch war, schlug sich im Vertrag insofern nieder, dass sie auf die Geltendmachung des Kündigungsgrundes des Punktes 7.3.1.1. b der Pachtbedingungen innerhalb der ersten sechs Monate der Vertragslaufzeit verzichtet hat. Die Rentabilität eines Einkaufszentrums für dessen Betreiber hängt eng mit der Rentabilität der einzelnen darin betriebenen Unternehmen zusammen. Die Akzeptanz des einzelnen Unternehmers seitens der Kunden und dessen Erfolg oder Misserfolg steht in Wechselwirkung sowohl zu den Erfolgen der anderen Unternehmer als auch zum Erfolg des Einkaufszentrums insgesamt. Nichts anderes wird in den Vorbemerkungen zum Pachtvertrag, deren Inhalt das Berufungsgericht auszugsweise wiedergegeben hat, zum Ausdruck gebracht. Dies spricht aber gerade gegen und nicht, wie das Berufungsgericht meint, für die Annahme, die Parteien hätten das Erreichen einer Besucherzahl von 3 Mio jährlich und 10.000 täglich - dies sogar schon im ersten Geschäftsjahr - stillschweigend ihrer Vereinbarung zugrunde gelegt und den möglichen Nichteintritt dieser Erwartungen nicht bedacht. Die Klägerin wollte sich, wie sich aus den Feststellungen über ihren Beweggrund, den strittigen Kündigungstatbestand in den Vertrag aufzunehmen, ergibt, für den Fall enttäuschter Erwartungen die Möglichkeit offenhalten, durch den Austausch von einzelnen Bestandnehmern, darunter auch der Beklagten, eine bessere Besucherfrequenz zu erzielen. Ob das Geschäfts- und Warenangebot und die Art der Führung der einzelnen Unternehmungen in einem Einkaufszentrum beim Publikum ankommt, zeigt sich erst nach einer gewissen Anlaufzeit und ist, solange das Einkaufszentrum noch gar nicht eröffnet ist, nicht vorhersehbar. Nach der Lebenserfahrung muss mit der Möglichkeit gerechnet werden, dass ein neu errichtetes Einkaufszentrum an einem bestimmten Standort nicht so gut funktioniert wie vergleichbare Projekte in anderen Ländern und dass selbst bei entsprechenden Markterhebungen und Erfahrungswerten an anderen Standorten die Voraussage über die Besucherzahlen nicht unbedingt eintritt. Damit musste trotz mehrfacher Nennung der zu erwartenden Besucherzahlen seitens der Klägerin auch die Beklagten rechnen.

Bei der rechtlichen Beurteilung der als Beweggrund in Betracht kommenden Voraussetzungen (Geschäftsgrundlage) wird zwischen individuellen und typischen Voraussetzungen unterschieden. Es kommt darauf an, ob die Sachlage nicht vorhanden ist oder wegfällt, die gerade diese Parteien bei Abschluss des Geschäftes vorausgesetzt haben oder die überhaupt und allgemein bei Abschluss von Geschäften bestimmten Inhaltes vorausgesetzt wird (RIS-Justiz RS0017551). Die individuelle Voraussetzung (Geschäftsgrundlage), von der beide Parteien bei Vertragsabschluss ausgegangen sind, ist nur dann von Bedeutung, wenn die Parteien durch ausdrückliche oder stillschweigende Vereinbarung die Wirkungen des Geschäftes vom Vorhandensein der vorausgesetzten Sachlage abhängig gemacht haben (RIS-Justiz RS0017394). Die Erhebung des Beweggrundes zur Vertragsbedingung kann zwar auch konkludent erfolgen (RIS-Justiz RS0017408), sie scheidet hier aber, wie dargestellt, aus. Die Beklagte kann sich aber auch nicht auf den Wegfall der typischen Voraussetzungen eines bestimmten Rechtsgeschäftes als Geschäftsgrundlage berufen. Dies setzte voraus, dass die geltend gemachte Änderung der Verhältnisse in keiner Weise vorauszusehen war (6 Ob 30/02h; F. Bydlinski, Zum Wegfall der Geschäftsgrundlage im österreichischen Recht, ÖBA 1996, 499 [506]). Dass dies bei einer enttäuschenden wirtschaftlichen Entwicklung eines Einkaufszentrums nicht zutrifft, sondern dass vielmehr die Beteiligung am Geschäftsleben bei freier Marktwirtschaft ein gewisses spekulatives Moment miteinschließt und eine solche Gefahr in sich birgt, hat der Oberste Gerichtshof bereits mehrmals ausgeführt (SZ 59/17; 1 Ob 340/98a = immolex 1999/181). In der Entscheidung 6 Ob 59/00w = SZ 73/180 wurde zwar ausnahmsweise die Berufung des Bestandnehmers auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage zugelassen, doch ist der Sachverhalt, der dieser Entscheidung zugrunde lag (das Einkaufszentrum stand - abgesehen von den vom Bestandnehmer selbst belegten Flächen - zu 90 % leer; es fehlten jene Elemente, die im Wesentlichen die Attraktion eines Einkaufszentrums ausmachen), mit dem hier vorliegenden Sachverhalt nicht vergleichbar. Auf eine Sittenwidrigkeit der strittigen Kündigungsvereinbarung hat sich die Beklagte im Verfahren erster Instanz nicht berufen. Da die Sittenwidrigkeit nur auf Einwand wahrzunehmen ist, stellen ihre diesbezüglichen Ausführungen in der Berufung eine unbeachtliche Neuerung dar.

Von einem stillschweigenden Verzicht auf den geltend gemachten Kündigungsgrund konnte die Beklagte, wie schon die Vorinstanzen zutreffend dargestellt haben, nicht ausgehen. Es ist vielmehr der Klägerin zuzugestehen, dass sie die Umsatzentwicklung der Beklagten noch einige Monate hindurch beobachten und der Beklagten die Chance einräumen wollte, die drohende Kündigung doch noch durch steigende Umsatzzahlen nach allfälligen Anlaufschwierigkeiten abzuwenden. Da der festgestellte Sachverhalt zur abschließenden rechtlichen Beurteilung hinreicht, dass die Kündigung wirksam auf den vereinbarten Kündigungsgrund des Punktes 7.3.1.1. b der Pachtbedingungen gestützt wurde, kann der Oberste Gerichtshof über den Rekurs der Klägerin gegen den Aufhebungsbeschluss des Berufungsgerichtes gemäß § 519 Abs 2 letzter Satz ZPO in der Sache selbst, und zwar im Sinn einer Wiederherstellung des der Übergabsklage stattgebenden Urteiles des Erstgerichtes erkennen. Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

Rechtssätze
6
  • RS0017551OGH Rechtssatz

    30. März 2016·3 Entscheidungen

    1./ Bei der rechtlichen Beurteilung der als Beweggrund in Betracht kommenden Voraussetzungen (Geschäftsgrundlage) muß zwischen individuellen und typischen Voraussetzungen unterschieden werden. Es kommt dabei darauf an, ob die Sachlage nicht vorhanden ist oder wegfällt, die gerade diese Parteien bei Abschluß des Geschäftes vorausgesetzt haben, oder die überhaupt und allgemein beim Abschluß von Geschäften bestimmten Inhaltes vorausgesetzt wird. 2./ Der Fortfall der individuellen Voraussetzungen als Geschäftsgrundlage ist durch die Bestimmung des § 901 ABGB geregelt. Eine solche Voraussetzung ist nur dann von Bedeutung, wenn die Parteien durch ausdrückliche oder stillschweigende Vereinbarung die Wirkungen des Geschäfts von dem Vorhandensein der vorausgesetzten Sachlage abhängig gemacht haben. Hingegen besteht hinsichtlich der typischen Voraussetzungen eines bestimmten Rechtsgeschäftes als Geschäftsgrundlage, die durch die Rechtssätze des § 901 ABGB nicht geregelt sind, eine Gesetzeslücke, die mit Hilfe einer Rechtsanalogie zu füllen ist. Die aus dem ABGB zu entnehmenden einzelnen Anhaltspunkte für Berücksichtigung der Geschäftsgrundlage (vgl §§ 936, 1052 letzter Satz, 1170a, 947 f ABGB) rechtfertigen die Ableitung eines allgemeinen Rechtssatzes in der Richtung, daß eine Partei an das Geschäft nicht gebunden ist oder dessen Anpassung begehren kann, wenn eine Voraussetzung nicht zutrifft, die stets einem Geschäft von der Art des geschlossenen zugrundegelegt wird.