JudikaturJustiz6Ob14/12w

6Ob14/12w – OGH Entscheidung

Entscheidung
16. Februar 2012

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ. Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R***** G*****, vertreten durch Poganitsch Ragger Rechtsanwälte GmbH in Wolfsberg, gegen die beklagte Partei R***** S*****, vertreten durch Dr. Franz Amler, Rechtsanwalt in St. Pölten, wegen 8.000 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 11. August 2011, GZ 36 R 140/11x 26, womit das Urteil des Bezirksgerichts Hietzing vom 9. März 2011, GZ 9 C 318/09f 22, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zur Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben. Das angefochtene Urteil wird dahingehend abgeändert, dass das Urteil des Erstgerichts wiederhergestellt wird.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 1.082,92 EUR (darin 180,48 EUR USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens sowie die mit 1.976,27 EUR (darin 123,71 EUR USt und 1.234 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit Kaufvertrag vom 27. 6. 2006 kaufte der Kläger vom Beklagten, der mit Neu und Gebrauchtwagen, und zwar vor allem mit amerikanischen Autos handelt, einen Dodge LKW N1 Pick Up mit der Typenbezeichnung RAM 2500 SLT um einen Kaufpreis von 52.500 EUR.

Der Kläger begehrt 8.000 EUR und bringt dazu vor, im Kaufvertrag sei ausdrücklich vereinbart, dass es sich bei dem Fahrzeug um die Type RAM 2500 SLT handelt. In Wahrheit habe es sich bei dem übergebenen Fahrzeug jedoch um ein solches der Type 1500 gehandelt. Die Differenz zwischen dem Kaufpreis eines Fahrzeugs der Type RAM 2500 SLT zu einem Fahrzeug der Type RAM 1500 habe zum damaligen Zeitpunkt 8.356 EUR betragen.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Demnach war das Fahrzeug vom Beklagten ausdrücklich als Dodge RAM 2500 SLT bezeichnet worden. Diese Angabe findet sich im Anbot in der Rechnung, im Typenschein und im Zulassungsschein. Das höchstzulässige Gesamtgewicht ist mit 3.500 kg angegeben.

Im Zuge eines Werkstattbesuchs im Jahr 2008 stellte sich heraus, dass es sich in Wahrheit um ein Fahrzeug der Type RAM 1500 handelt. Dieses Modell unterscheidet sich lediglich hinsichtlich der Nutzlast. Es hat ein zulässiges Gesamtgewicht von 2.942 kg, während das Modell RAM 2500 ein zulässiges Gesamtgewicht von 3.500 kg hat. Zum Zeitpunkt des Ankaufs des Fahrzeugs durch den Kläger im Juni 2006 betrug die Preisdifferenz zwischen den beiden Modellen in Österreich zumindest 8.000 EUR. Falls der Kläger das Fahrzeug weiter veräußern will, wird er für dieses Fahrzeug einen niedrigeren Verkaufspreis erzielen als für ein Fahrzeug der Type RAM 2500. Das vom Kläger gekaufte Fahrzeug wurde in Mexiko erzeugt. Dem Beklagten war bewusst, dass es sich um ein mexikanisches Modell und nicht um ein amerikanisches Modell handelt und dass dieses Fahrzeug anhand der Fahrgestellnummer als Modell der Type RAM 1500 zu qualifizieren war.

Rechtlich würdigte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahingehend, dass dem Kläger dadurch ein Schaden entstanden sei, als er für das Fahrzeug einen um zumindest 8.000 EUR zu hohen Kaufpreis bezahlt habe. Die unterschiedlichen technischen Daten rechtfertigten einen Schadenersatzanspruch des Klägers in Höhe dieser Preisdifferenz.

Das Berufungsgericht änderte dieses Urteil im klagsabweisenden Sinn ab. Eine Anpassung von Verträgen auf den „angemessenen“ Preis aus dem Titel des Schadenersatzes sei in der österreichischen Rechtsordnung nicht vorgesehen. Grundsätzlich bestehe Vertragsfreiheit, sodass ein für eine Partei ungünstiges Geschäft nicht im Wege des Schadenersatzes korrigiert werden könne. Der Kläger behaupte nicht einmal, dass er das Fahrzeug nur um einen 8.000 EUR niedrigeren Preis gekauft hätte, wäre er vom Beklagten darüber aufgeklärt worden, dass es sich um ein Fahrzeug der Type RAM 1500 handle. Dem Kläger sei auch nur insofern ein Schaden entstanden, als er ein für ihn ungünstiges Geschäft abgeschlossen habe, indem er einen über dem Marktpreis liegenden Preis für das Fahrzeug bezahlt habe.

Nachträglich ließ das Berufungsgericht die Revision mit der Begründung zu, das Berufungsgericht sei zwar nicht davon ausgegangen, dass der Kläger ein anderes Fahrzeug erhalten habe als dem Kaufvertrag entsprach, es sei diesbezüglich jedoch auch eine andere Sichtweise möglich. Außerdem sei aufgrund eines ähnlichen Sachverhalts ein weiteres Verfahren gegen den Beklagten anhängig.

Hierzu hat der Oberste Gerichtshof erwogen:

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus Gründen der Rechtssicherheit zulässig. Sie ist auch berechtigt.

1.1. Nach den Urteilsfeststellungen hatte der Beklagte dem Kläger ausdrücklich ein Fahrzeug der Marke Dodge RAM 2500 SLT angeboten. Geschuldet war nach dem Kaufvertrag daher zweifellos ein Fahrzeug der Type Dodge RAM 2500, was in Anbetracht des Umstands, dass es sich dabei um einen Neuwagen und damit eine Gattungssache handelt, auch problemlos möglich gewesen wäre. Die statt dessen erfolgte Lieferung eines Fahrzeugs der Type RAM 1500 mit einer um mehr als 500 kg geringeren Nutzlast stellt daher keine ordnungsgemäße Erfüllung des Kaufvertrags dar. Dies hat entgegen der Rechtsansicht des Berufungsgerichts nichts mit „Vertragsfreiheit“ zu tun. Der Beklagte hätte dem Kläger vielmehr entweder ein Fahrzeug der nach dem Vertrag geschuldeten Type verschaffen müssen oder das Einverständnis des Klägers zur Lieferung eines anderen Modells einholen müssen.

1.2. Schon in der Klage hatte der Kläger sich ausdrücklich darauf gestützt, dass der Beklagte wusste, dass er dem Kläger anstelle des vereinbarten Dodge RAM 2500 einen Dodge der Type RAM 1500 veräußert hat bzw bei entsprechender Überprüfung des Fahrzeugs davon wissen hätte müssen.

2.1. Nach § 933a Abs 1 ABGB kann, wenn der Übergeber den Mangel verschuldet hat, der Übernehmer auch Schadenersatz fordern. Wegen des Mangels selbst kann der Übernehmer auch als Schadenersatz zunächst nur die Verbesserung oder den Austausch verlangen. Er kann jedoch Geldersatz verlangen, wenn sowohl die Verbesserung als auch der Austausch unmöglich ist oder für den Übergeber mit einem unverhältnismäßig hohen Aufwand verbunden wäre.

2.2. Der Geldersatz umfasst nach völlig einhelliger Auffassung auch die Wertdifferenz zwischen dem Wert der mangelfreien und dem Wert der mangelhaften Leistung ( Ofner in Schwimann , ABGB 3 § 933a Rz 16; Zöchling Jud in Kletečka/Schauer , ABGB ON 933a Rz 29). Demnach ist der Übernehmer nicht verpflichtet, die Sache verbessern zu lassen, eine Ersatzsache zu beschaffen oder die Sache gegen Ersatz des vollen Nichterfüllungsschadens zurückzustellen, sondern kann die mangelhafte Sache bezahlen und den Unterschied zwischen dem Wert der mangelfreien und dem Wert der mangelhaften Leistung fordern („kleiner Schadenersatz“; vgl Zöchling Jud aaO mwN). Nach den dargelegten Grundsätzen steht dem Kläger daher aus dem Titel des Schadenersatzes auch die Wertdifferenz zu (vgl Pletzer , Aufklärungspflichtverletzung und Vertragsaufhebung, JBl 2002, 545; Jaksch Ratajczak , Vertragsaufhebung durch Naturalrestitution, ÖJZ 2000, 798).

3. Nach § 1298 ABGB hätte der Beklagte beweisen müssen, dass ihn an der Nichterfüllung seiner vertraglichen Verpflichtung kein Verschulden trifft. Diesen Beweis hat der Beklagte nicht erbracht. Nach den Feststellungen des Erstgerichts war dem Beklagten sogar positiv bewusst, dass es sich um ein mexikanisches Modell der Type RAM 2500 handelte und dass dieses Fahrzeug anhand der Fahrgestellnummer als Modell der Type RAM 1500 zu qualifizieren war.

4. Damit erweist sich aber der Anspruch des Klägers als berechtigt, sodass in Stattgebung der Revision das Urteil des Erstgerichts wiederherzustellen war.

5. Aufgrund der Abänderung der Entscheidung des Berufungsgerichts war die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens neu zu fassen. Diese Entscheidung sowie die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründen sich auf §§ 41, 50 ZPO. Dabei war weil keine Berufungsverhandlung stattgefunden hatte für die Berufungsbeantwortung nur der dreifache, für die Revision der einfache Einheitssatz zuzuerkennen (§ 23 RATG).