JudikaturJustiz6Ob10/90

6Ob10/90 – OGH Entscheidung

Entscheidung
31. Mai 1990

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schobel, Dr. Schlosser, Dr. Redl und Dr. Kellner als weitere Richter in der Handelsregistersache der Firma F*** Vertriebsgesellschaft m.b.H. in Wels infolge Revisionsrekurses der 1. F*** Mühlenbetriebsgesellschaft m.b.H., 2. F*** Aktiengesellschaft, und 3. Diamant-Nährmittelwerk F. F*** Gesellschaft m.b.H. Co. Kommanditgesellschaft, alle Maria-Theresia-Straße 41, 4600 Wels, vertreten durch Dr. Ernst Chalupsky, Rechtsanwalt in Wels, gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Rekursgericht vom 16. März 1990, GZ. 6 R 16/90-12, womit die Eintragungsverfügung des Kreis- als Handelsgerichtes Wels vom 8. November 1989, GZ. HRB 3609-5, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Dem Erstgericht wird die Einleitung des Amtslöschungsverfahrens aufgetragen.

Text

Begründung:

Das Erstgericht verfügte die Eintragung der F*** Vertriebsgesellschaft m.b.H. aufgrund der mit Gesellschafterbeschluß nachgewiesenen Verlegung des Sitzes von Innsbruck nach Wels (Maria-Thersia-Straße 41) in das Handelsregister dieses Gerichtes. Das Gericht zweiter Instanz bestätigte infolge Rekurses 1. der F*** Mühlenbetriebsgesellschaft m.b.H., 2. der F*** Aktiengesellschaft und 3. der Diamant-Nährmittelwerk F. F*** Gesellschaft m.b.H. Co. Kommanditgesellschaft in Wels diese Eintragungsverfügung. Es führte aus, die Rekurswerber gäben den Unternehmensgegenstand der F*** Vertriebsgesellschaft, der unter anderem im Handel mit Waren aller Art, insbesondere mit F***-Produkten, bestehe, kommentarlos wieder. Es liege nahe, daß Zweck der Gründung der erst am 8. September 1989 zum Handelsregister des Landes- als Handelsgerichtes Innsbruck angemeldeten Gesellschaft unter anderem der Vertrieb von Erzeugnissen jenes Unternehmens gewesen sei, das seinerzeit möglicherweise die F*** Nahrungsmittel Gesellschaft m.b.H. mit dem Sitz in Wels, Maria-Theresia-Straße 41, geführt habe, zumal die genannte Gesellschaft laut Gesellschafterliste vom 8. September 1989 ganz überwiegend am Stammkapital der neu gegründeten Gesellschaft beteiligt gewesen sei. Erst in der Folge, wenngleich schon innerhalb des Zeitraumes bis zum 24. Oktober 1989, seien die Geschäftsanteile auf die Josef R*** Eierteigwarenfabrik und Walzmühle Gesellschaft m. b.H. in Tall in Tirol übergegangen. Eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung könne eine Sach- bzw. eine Personenfirma haben. Ganz allgemein könne es dem Rechtsträger eines Unternehmens nicht untersagt werden, den Namen, den er im Privatleben führe, auch für die Firma zu wählen. Der Einzelkaufmann sei für die originäre Firma dazu sogar verpflichtet. In der Praxis komme es auch vor, daß Erzeuger von Waren für den Vertrieb eigene Gesellschaften gründeten. Die Ähnlichkeit der Firma müsse dann nicht unbedingt zur Täuschung des Käuferpublikums angetan sein, weil die Firmenähnlichkeit den tatsächlichen Verhältnissen entspreche. Damit hänge aber auch die Frage zusammen, ob die Voraussetzungen der Firmenbildung bei der Sitzverlegung neu geprüft werden könnten, obwohl die Neueintragung ihre Ursache lediglich darin habe. Ob das Registergericht im Falle der Sitzverlegung ein materielles Prüfungsrecht habe oder es gar eine solche Pflicht treffe, wäre aus § 13 c HGB und § 38 AktG zu beantworten. Das Rekursgericht habe bereits ausgesprochen, daß die Voraussetzungen für die Firmenfortführung unter Umständen dann von neuem zu prüfen seien, wenn die Beibehaltung der Firma infolge Veränderungen im Gesellschaftszweck nunmehr zu Verwechslungen Anlaß geben könne. Im vorliegenden Fall sei der Sitz der F*** Vertriebsgesellschaft m.b.H. sogar mit dem der Rekurswerberinnen identisch; überdies bestehe zumindest teilweise Branchengleichheit. Mit keinem Wort nähmen die Rekurswerber jedoch auf diese Fragen Bezug. Das aber wäre für den Rechtsmittelerfolg notwendig gewesen, zumal bei Beibehaltung des Unternehmensgegenstandes, wie er in der vorstehenden Begründung verstanden worden sei, gegen die Beibehaltung der Firma nicht notwendigerweise ein Anstand bestehen müsse. Die Rekurswerber beschwerten sich untereinander auch nicht über die weitgehende Ähnlichkeit ihrer Firmen. Bei Stattgebung des Rekurses wäre dem Erstgericht im übrigen die Einleitung des Amtslöschungsverfahrens oder des Verfahrens auf Unterlassung des Firmengebrauches aufzutragen, in deren Rahmen die F*** Vertriebsgesellschaft m.b.H. immer noch die Möglichkeit hätte, ihren Standpunkt im Widerspruch darzulegen. Geschähe dies aufgrund eines Auftrages des Rekursgerichtes, hätten die Rekurswerberinnen doch zunächst die mangelnden Voraussetzungen der bekämpften Eintragung im Rechtsmittel dartun müssen, zumal sie nicht den Schranken des Neuerungsverbotes ausgesetzt gewesen seien. Das jedoch hätten die Rekurswerberinnen unterlassen. Schließlich könnten die vorher genannten Verfahren auch von Amts wegen eingeleitet werden. Dort könne sich herausstellen, daß materiell eine Sitzverlegung nach Wels, Maria-Theresia-Straße 41, gar nicht stattgefunden habe. Sei sie aber dorthin erfolgt, wäre die durch die beanstandete Firmenwahl von der Öffentlichkeit vermutete wirtschaftliche oder persönliche Verflechtung gar nicht verfehlt. Selbst wenn man, was im Rekurs nicht zum Ausdruck komme, anzunehmen bereit wäre, daß eine Umstrukturierung mit Fremdbeteiligung schon in der Sphäre der Rechtsträger der ursprünglich in Wels ansässigen Unternehmen stattgefunden habe, der bisherige Rechtsträger der F*** Nahrungsmittel Gesellschaft m.b.H. daher als Gesellschafter der F*** Vertriebsgesellschaft m.b.H. ausgeschieden sei und seinen Geschäftsanteil an die Josef R*** Eierteigwarenfabrik und Walzmühle Gesellschaft m.b.H. abgetreten habe, so daß möglicherweise "aus der ursprünglichen Zusammenarbeit eine echte Konkurrenz" geworden sei, wäre immer noch nicht aufgeklärt, wie dann der Sitz des Konkurrenzunternehmens von Innsbruck nach Wels, Maria-Theresia-Straße 41, hätte verlegt werden können. Dies aufzuklären, hätten die Rekurswerberinnen unterlassen, so daß ihrem Rechtsmittel keine Folge zu geben gewesen sei.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen den Beschluß des Rekursgerichtes von den drei Rekurswerberinnen erhobene Revisionsrekurs ist nicht nur zulässig, weil Personen, die sich durch die Eintragung einer Firma in das Handelsregister in ihren Rechten beschwert erachten, zufolge der nach Art 9 EVHGB anzuwendenden Bestimmung des § 9 AußStrG das Rekursrecht zuzubilligen ist (SZ 26/218 uva), sondern im Ergebnis auch berechtigt.

Die seit 19. September 1989 im Handelsregister des Landes- als Handelsgerichtes Innsbruck eingetragene F*** Vertriebsgesellschaft m.b.H. meldete am 25. Oktober 1989 die Eintragung der Verlegung ihres Sitzes nach Wels (neue Geschäftsanschrift: Maria-Theresia-Straße 41) bei diesem Gericht an. Das Erstgericht verfügte nach Mitteilung der Sitzverlegung durch das Landes- als Handelsgericht Innsbruck am 8. November 1989 die Eintragung dieser Gesellschaft in sein Handelsregister. Diese Eintragung bekämpfen die Revisionsrekurswerberinnen mit der Behauptung, das Erstgericht sei seiner bei der Anmeldung von Sitzverlegungen gebotenen Prüfungspflicht nicht oder nicht ausreichend nachgekommen, weil sich die Firma der F*** Vertriebsgesellschaft m.b.H. von ihren Firmen nicht ausreichend deutlich unterscheide. Diesen Ausführungen ist - im Hinblick auf das neue Vorbringen im Revisionsrekurs - jedenfalls beizupflichten:

Gemäß § 13 c Abs. 2 HGB hat das Gericht des neuen Sitzes zu prüfen, ob der Sitz ordnungsgemäß verlegt und § 30 HGB beachtet ist. Nur wenn dies der Fall ist, hat es die Verlegung einzutragen und dabei die ihm mitgeteilten Eintragungen ohne weitere Nachprüfung in sein Handelsregister zu übernehmen. Neben der Prüfung, ob der Sitz ordnungsgemäß verlegt, also ob die Verlegung des Sitzes einer Kapitalgesellschaft - wie hier - ordnungsgemäß beschlossen ist (vgl. Friedl-Schinko in Straube, HGB, § 13 c Rz 3), erstreckt sich diese Prüfungspflicht des Gerichtes des neuen Sitzes in formeller und materieller Hinsicht auch auf die Frage, ob die begehrte Eintragung dem im § 30 HGB verankerten Grundsatz der Firmenunterscheidbarkeit (Firmenausschließlichkeit) gerecht wird. Das Registergericht hat demnach die ihm in der Anmeldung mitgeteilte Firma mit den am selben Ort beziehungsweise in derselben Gemeinde bereits in das Handelsregister eingetragenen Firmen zu vergleichen. Besteht die Gefahr einer Firmenverwechslung, so hat das Registergericht durch Beanstandung der Anmeldung darauf hinzuwirken, daß die Firma derart geändert wird, daß damit die Verwechslungsgefahr ausgeschaltet ist (Schlegelberger-Hildebrandt-Steckhan, HGB5, § 13 c Rz 4 und § 13 Rz 14; Hüffer in Staub-Großkomm HGB4, § 13 c Rz 6). Demnach stellt sich die weitere Frage, ob das Erstgericht - wie von den Revisionsrekurswerberinnen gerügt - die F*** Vertriebsgesellschaft m.b.H. in Verletzung seiner Prüfungspflicht in materieller Hinsicht zu Unrecht in sein Handelsregister eingetragen hat. Gemäß § 30 Abs. 1 HGB muß sich jede neue Firma - also jede bisher in diesem Handelsregister noch nicht eingetragene (vgl Schuhmacher in Straube, aaO, § 30 Rz 5) und damit auch jede erst infolge der angemeldeten Sitzverlegung einzutragende Firma - von allen an demselben Ort oder in derselben Gemeinde bereits bestehenden und in das Handelsregister eingetragenen Firmen deutlich unterscheiden. Diesem gesetzlichen Gebot wird nach der Rechtsprechung (vgl. die Nachweise bei Schuhmacher, aaO, Rz 8) nur dann entsprochen, wenn die Unterscheidbarkeit erheblich genug ist, um Verwechslungen schon im gewöhnlichen Verkehr und nicht erst bei aufmerksamem Vergleich der Firmen beziehungsweise nach der Auffassung des Handelsstandes vorzubeugen. Nur Unachtsamkeit und Oberflächlichkeit genießen keinen Schutz. Daß demnach die Verkehrsauffassung Beurteilungsmaßstab der deutlichen Unterscheidbarkeit ist, folgt nicht zuletzt auch aus dem Zweck dieses im § 30 HGB verankerten Grundsatzes des Firmenrechtes, der nicht bloß den Inhaber der schon eingetragenen Firma schützen will, sondern in erster Linie dem Schutz des Rechtsverkehrs - also dem des Publikums vor konkreter Verwechselbarkeit zweier am selben Ort oder in derselben Gemeinde bestehenden beziehungsweise in das Handelsregister eingetragenen Firmen - dienen soll (insbesondere Hüffer, aaO, § 30 Rz 1 sowie die weiteren Nachweise aus dem deutschen Schrifttum bei Schuhmacher, aaO, § 30 Rz 1). Da sich die Unterscheidbarkeit an der Verkehrsauffassung zu orientieren hat, ist es entscheidend, wie die Firma im alltäglichen Geschäftsleben gebraucht wird. Nach allgemeiner Erfahrung werden Firmenzusätze, in welchen der Unternehmensgegenstand zum Ausdruck gelangt, im mündlichen und fernmündlichen Verkehr zumeist, aber vielfach sogar auch im Schriftverkehr unterdrückt, wogegen der Unternehmensgegenstand mitunter dem Firmenwortlaut hinzugefügt wird, obwohl er gar nicht dessen Bestandteil ist (ÖBl 1980, 80; GesRZ 1972, 50 ua). Zu berücksichtigen ist auch die Branchennähe der Unternehmen: Gehören sie demselben Geschäftszweig an, sind an die Unterscheidbarkeit ihrer Firmen strengere Anforderungen zu stellen (NZ 1989, 103 uva), weil in solchen Fällen die Gefahr einer Täuschung des Publikums besonders nahe liegt.

Bei Bedachtnahme auf diese Grundsätze kann von einer deutlichen Unterscheidbarkeit der Firma der F*** Vertriebsgesellschaft m. b.H. und der Firmen der schon vorher im Handelsregister des Erstgerichtes eingetragenen Revisionsrekurswerberinnen, insbesondere der F*** Mühlenbetriebsgesellschaft m.b.H., keine Rede sein. Bei allen vier Gesellschaften beherrscht der Familienname "F***" den Firmenwortlaut, und da nun auch die F*** Vertriebsgesellschaft m. b.H. der Anmeldung ihrer Sitzverlegung zufolge ihren Sitz nach Wels mit derselben Geschäftsanschrift wie die der Revisionsrekurswerberinnen verlegt hat, kann das unbefangene Publikum - sofern es diese Gesellschaften nicht ohnedies verwechselt - daraus nur den Schluß ziehen, daß es sich bei allen vier Gesellschaften um Glieder ein und derselben Unternehmensgruppe handelt. Dieser Eindruck wird noch durch den im Handelsregister eingetragenen Unternehmensgegenstand der F*** Vertriebsgesellschaft m.b.H. - unter anderem Handel mit Waren aller Art, insbesondere mit F***-Produkten - verschärft, weil damit selbst bei weit überdurchschnittlicher Kenntnis der einschlägigen Marktverhältnisse nur der Eindruck entstehen kann, daß die F*** Vertriebsgesellschaft m.b.H., wie es der Firmenzusatz nur allzu deutlich zum Ausdruck bringt, zum Vertrieb der von der F***-Gruppe hergestellten Erzeugnisse gegründet wurde. Auf diese Fragen ist - obwohl dies möglicherweise von den Vorinstanzen, weil nicht aktenkundig, nicht berücksichtigt werden konnte - schon deshalb Bedacht zu nehmen, weil die Revisionsrekurswerberinnen wenigstens in ihrem Rechtsmittel an die dritte Instanz entsprechendes Vorbringen erstattet haben und diese Behauptungen nicht etwa als Neuerungen abgetan werden können, weil auch im Revisionsrekurs im Handelsregisterverfahren noch vor der Beschlußfassung erster Instanz eingetretene Tatsachen neu vorgebracht werden dürfen (§ 10 AußStrG in Verbindung mit Art. 9 EVHGB; SZ 51/120 ua).

Da demnach die Firma der infolge Verlegung ihres Sitzes im Handelsregister des Erstgerichtes neu eingetragenen F*** Vertriebsgesellschaft m.b.H. - nicht zuletzt auch im Hinblick auf die zumindest teilweise Branchengleichheit und dieselbe Geschäftsanschrift - mit den Firmen der Revisionsrekurswerberinnen ohne weiteres, selbst bei überdurchschnittlicher Aufmerksamkeit, verwechselt werden kann und sich - abgesehen davon - der Anschein einer wirtschaftlichen oder rechtlichen Zusammengehörigkeit oder Verflechtung mit diesen Gesellschaften geradezu aufdrängt, daher auch Bedenken aus dem Grunde des § 18 Abs. 2 HGB - für die Firma der Gesellschaft mit beschränkter Haftung gelten neben § 5 GmbHG auch die §§ 17 ff. HGB (SZ 51/120 ua) - obwalten, ist es erforderlich, dem Erstgericht die Einleitung des Amtslöschungsverfahrens (§§ 142 bis 144 FGG) aufzutragen, in welchem die Beteiligten mittels Widerspruches (§ 142 Abs. 2 FGG) ihnen erforderlich erscheinendes Vorbringen erstatten können und das Registergericht in Wahrnehmung seiner Prüfungspflicht in materieller und formeller Hinsicht den Sachverhalt von Amtswegen verläßlich und vollständig zu erheben haben wird (vgl. hiezu Friedl-Schinko, aaO, § 8 Rz 7). Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Rechtssätze
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