JudikaturJustiz5Ob62/20h

5Ob62/20h – OGH Entscheidung

Entscheidung
12. Mai 2020

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann, die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der Grundbuchsache der Antragstellerin Stadtgemeinde K*****, vertreten durch die Rechtsanwälte Waldbauer Paumgarten Naschberger und Partner GmbH Co KG, Kufstein, wegen Einverleibung von Reallasten an der Liegenschaft EZ ***** KG *****, über den Revisionsrekurs der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom 8. Jänner 2020, AZ 51 R 89/19s, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Kufstein vom 25. September 2019, TZ 3802/2019, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Die antragstellende Gemeinde begehrte die Einverleibung der Verpflichtung der Grundeigentümerin zur Errichtung und Erhaltung von Fahrradabstellplätzen, zur Einrichtung bzw Erhaltung einer Spielfläche, zur Anlegung bzw Erhaltung einer Hecke und zur Bepflanzung bzw Erhaltung der Anpflanzung mit Strauchwerk und heimischen Bäumen als Reallast und berief sich dazu auf die Punkte IV. bis VI. des mit der Grundstückseigentümerin als Bauwerberin einer Wohnhausanlage gemäß § 33 TROG 2016 abgeschlossenen Raumordnungsvertrags vom 26. 3. 2019.

Das Rekursgericht bestätigte die den Antrag abweisende Entscheidung des Erstgerichts und erklärte den Revisionsrekurs „zur Klärung der Zulässigkeit der Verbücherung (neuer) 'raumordnerischer' Verpflichtungen als Reallasten“ für zulässig, weil „anzunehmen ist, dass es sich bei den hier zu beurteilenden raumordnerischen Verpflichtungen von Wohnbauwerbern im Wege der vom ROG vorgesehenen privatrechtlichen Vereinbarungen mit der Gemeinde um keinen reinen Einzelfall handelt“.

Der Revisionsrekurs des Antragstellers ist entgegen dem nicht bindenden (§ 71 Abs 1 AußStrG) Ausspruch des Rekursgerichts nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

1.1 Lehre und Rechtsprechung definieren die Reallast als die dinglich wirkende Belastung eines Grundstücks mit der Haftung für positive, in der Regel wiederkehrende Leistungen des jeweiligen Grundeigentümers (5 Ob 198/12x; 5 Ob 231/17g je mwN; Rassi in Kodek , Grundbuchsrecht² § 12 Rz 32; Rassi, Grundbuchsrecht 3 Rz 4.95). Diese Auslegung beruht auf der umfassenden Kommentierung des Rechts der Reallast durch Heinrich Klang (in Klang II² 614 ff [dazu W . Jelinek , ÖJZ 2018, 29 f mwN]). Danach war die Zahl der verschiedenen Arten von Reallasten zwar niemals beschränkt; es bedurfte aber immer eines gewissen Zusammenhangs zwischen Leistung und wirtschaftlicher Beschaffenheit des belasteten Grundes. Es musste sich um Leistungen handeln, die zumindest gedanklich mit dem Ertrag des Guts in Verbindung gebracht werden konnten ( Klang aaO 622). Auch die Rechtsprechung schließt die Begründung neuer Reallasten nicht aus, fordert aber eine Bezugnahme auf historische Vorbilder in diesem Sinn. Fehlt es an einem solchen Bezug, weil eine periodisch zu erbringende, in einem gewissen Zusammenhang mit den Liegenschaftserträgnissen stehende Verpflichtung zu verneinen ist, kann eine Reallastverpflichtung regelmäßig nur dann angenommen werden, wenn ihr Versorgungszweck außer Zweifel steht (RIS Justiz RS0128561; RS0012178 [T6]). Die Bestellung der Reallast soll nicht als Mittel verwendet werden, die im Grundbuchsrecht für das Pfandrecht gezogenen Schranken (§ 14 GBG) durch die weniger formstrengen des § 12 GBG zu umgehen (RS0012178 [T1]).

1.2 Keinesfalls kann aus dem Fehlen von Vorschriften über die Beschaffenheit jener Leistungen, welche den Inhalt einer Reallast bilden können, abgeleitet werden, dass Beschränkungen jedweden Inhalts als Reallast begründet werden könnten (RS0116184 [T4]; Klang aaO 622).

2.1 Das Tiroler Raumordnungsgesetz 2016 (TROG 2016) regelt in seinem zweiten Teil die örtliche Raumordnung. Aufgaben und Ziele der örtlichen Raumordnung werden in § 27 TROG 2016 definiert. Sie dient nach Abs 1 erster Satz dieser Bestimmung der geordneten räumlichen Entwicklung in der Gemeinde und nennt in Abs 2 beispielhaft die durch die örtliche Raumordnung angestrebten Ziele. § 27 Abs 2 lit d des § 27 TROG 2016 hebt dabei die Vorsorge für die bestimmungsgemäße Verwendung des Baulandes und der bestehenden Bausubstanz, insbesondere zur Deckung des Grundbedarfs an Wohnraum und an Flächen für Zwecke der Wirtschaft zu angemessenen Preisen hervor, und verweist darauf, dass diese Ziele insbesondere durch Maßnahmen nach § 33 leg cit erreicht werden sollen.

2.2 Nach § 33 Abs 2 TROG 2016 kann die Gemeinde als Träger von Privatrechten zum Zweck der Verwirklichung der Ziele der örtlichen Raumordnung, insbesondere jenes nach § 27 Abs 2 lit d, [...] Verträge mit Grundeigentümern abschließen. Die Einhaltung solcher Verträge ist gemäß § 33 Abs 4 TROG 2016 auf geeignete Weise sicherzustellen. Zu diesem Zweck kann zwar, soweit dies zivilrechtlich zulässig ist, unter anderem auch eine dingliche Absicherung dieser Rechte vereinbart werden; um aber eine Verdinglichung von Verpflichtungen beliebigen Inhalts mit Mitteln der Vertragsraumordnung (dazu allgemein Kleewein , Vertragsraumordnung in der Praxis, RFG 2005/16, 52 ff) zu vermeiden, ist zur Beurteilung, ob eine solche Vereinbarung zulässig eine Reallast begründet, auf die in Rechtsprechung und Lehre allgemein anerkannten Grundsätze zurückzugreifen. Allein der Umstand, dass eine zwischen der Antragstellerin und dem Grundeigentümer gemäß § 33 Abs 2 TROG 2016 abgeschlossene Vereinbarung zu beurteilen ist, wirft damit keine Rechtsfrage von der Bedeutung gemäß § 62 Abs 1 AußStrG auf.

3.1 Die zwischen der Gemeinde und der bauwerbenden Grundstückseigentümerin abgeschlossene Vereinbarung soll nach deren Ansicht die Umsetzung von Zielen der örtlichen Raumplanung sichern. Diesen Zweck betont sie auch in ihrem Rechtsmittel, wenn sie darauf verweist, dass die der Eigentümerin auferlegten Pflichten dazu dienen, den Bauplatz im Interesse eines schöneren Orts-, Straßen- und Landschaftsbilds qualitätsvoller zu gestalten, und die „sanfte Mobilität“ fördern sollen, um eine Verminderung des KFZ-Verkehrs im Gemeindegebiet zu erreichen. Damit zielt sie erkennbar auf § 27 Abs 2 lit e TROG 2016 ab, wo auf die dem Erfordernis des Schutzes des Orts-, Straßen- und Landschaftsbilds abgestimmte Bebauung abgestellt wird. Inwieweit auch die Herstellung einer bestimmten Bepflanzung den Zielen der örtlichen Raumplanung im Sinn des § 27 TROG 2016 zu unterstellen ist, muss hier nicht näher untersucht werden. Ein Zusammenhang zwischen Erträgen aus der Liegenschaft und den mit der Vereinbarung vom 26. 3. 2019 begründeten Pflichten der Liegenschaftseigentümerin zur Herstellung bzw Erhaltung eines Spiel- und Fahrradabstellplatzes sowie zur Bepflanzung des Grundstücks in der vorgegebenen Weise erschließt sich daraus und aus dem Grundbuchsgesuch nämlich keinesfalls. Ein solcher Zusammenhang kann auch nicht dadurch konstruiert werden, dass, wie die Revisionsrekurswerberin meint, die Übernahme dieser Verpflichtungen der Grundstückseigentümerin eine Nachverdichtung und damit eine gewinnträchtigere Verwertung des Bauplatzes durch höhere Mieteinnahmen oder Verkaufserlöse ermögliche.

3.2 Die der Liegenschaftseigentümerin auferlegten Pflichten zielen auf die Ausstattung und Gestaltung der Liegenschaft auf eine bestimmte Weise ab, die – wie bereits das Rekursgericht zutreffend festgehalten hat – in erster Linie den zukünftigen Wohnungseigentümern oder Mietern der Wohnhausanlage zugute kommen wird. Der von der Revisionsrekurswerberin erhoffte (positive) Nutzen dieser Maßnahmen für die Gemeindebevölkerung (Allgemeinheit) zeigt sich demgegenüber als bloße Reflexwirkung, der der Charakter einer Versorgungsleistung aber nicht zugesprochen werden kann. Damit kann sich die Antragstellerin auch nicht auf die Entscheidung zu 7 Ob 517/92 berufen, in der eine vereinbarungsgemäß als Sichtschutz zu Gunsten der Nachbarliegenschaft errichtete Hecke und deren Erhaltung zu beurteilen war.

3.3 Auch das von der Gemeinde angesprochene Bedürfnis nach einer dauerhaften Sicherung der von ihr mit Mitteln der Vertragsraumordnung verfolgten Ziele kann die für das Vorliegen einer Reallast geforderten Kriterien nicht ersetzen. Die Beurteilung des Rekursgerichts, die der Grundeigentümerin mit Vereinbarung vom 26. 3. 2019 auferlegten Verpflichtungen könnten nicht als Reallast einverleibt werden, hält sich somit im Rahmen der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs.

4. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 126 Abs 2 GBG iVm § 71 Abs 3 AußStrG).