JudikaturJustiz5Ob3/04h

5Ob3/04h – OGH Entscheidung

Entscheidung
20. Januar 2004

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Langer als Vorsitzende sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Floßmann und Dr. Baumann und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Hurch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Olivia Antonia P*****, vertreten durch Dr. Karl Eppacher, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagten Parteien 1.) mj. Fabiana P*****, 2.) mj. Francesca Salvatrice G*****, beide vertreten durch das Referat für Jugendwohlfahrt und soziale Einrichtungen der Stadtgemeinde Innsbruck, Haydnplatz 5, 6020 Innsbruck, wegen Bestreitung der ehelichen Geburt, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht vom 26. September 2003, GZ 4 R 461/99v-15, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Innsbruck vom 20. Juli 1999, GZ 3 C 55/99t-6, bestätigt wurde, den Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Die Klägerin ist die Mutter der beiden Beklagten. Von diesen wird gemäß § 138 Abs 1 ABGB vermutet, dass sie aus einer (inzwischen geschiedenen) Ehe der Klägerin stammen. Ein Antrag, für den abwesenden Ehegatten einen Kurator zur Einbringung einer Ehelichkeitsbestreitungsklage zu bestellen, blieb erfolglos (8 Ob 41/99h = JBl 1999, 798).

Die Klägerin brachte daraufhin im eigenen Namen eine Ehelichkeitsbestreitungsklage ein, weil ihre beiden beklagten Kinder einen anderen leiblichen Vater hätten.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren mangels Aktivlegitimation der Mutter ab; die Klägerin erhob Berufung.

Über Antrag des Berufungsgerichtes hob der Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 28. 6. 2003, G 78/00, ON 13, die §§ 156, 157 und 158 sowie den zweiten Satz des § 159 Abs 1 ABGB als verfassungswidrig auf; die Aufhebung tritt mit Ablauf des 30. 6. 2004 in Kraft; frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Wirksamkeit. In der Folge gab das Berufungsgericht der Berufung der Klägerin nicht Folge und sprach aus, dass die Revision zulässig sei. Es bejahte zwar die Aktivlegitimation der Klägerin, gelangte aber dennoch zur Klagsabweisung, weil die Klage nicht nur gegen die Kinder, sondern auch gegen den als ehelichen Vater vermuteten Ehemann (vertreten durch einen zu bestellenden Abwesenheitskurator) zu richten gewesen wäre. Die ordentliche Revision sei zuzulassen gewesen, weil es auf Grund der Aufhebung der §§ 156 ff ABGB an einer höchstgerichtlichen Rechtsprechung zur Zulässigkeit und zu den Inhaltserfordernissen einer von der Mutter erhobenen Ehelichkeitsbestreitungsklage fehle. Gegen diese Berufungsentscheidung richtet sich die Revision der Klägerin; eine Revisionsbeantwortung der Beklagten liegt nicht vor.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist unzulässig.

Die vom Verfassungsgerichtshof aufgehobenen Bestimmungen sind auf den vorliegenden Anlassfall gemäß Art 140 Abs 7 B-VG nicht mehr anzuwenden. Die klageweise Bestreitung der Ehelichkeit ist aber nach wie vor im § 138 Abs 1 ABGB und im nicht aufgehobenen Teil des § 159 ABGB vorgesehen. Wie das Berufungsgericht richtig erkannt hat, fehlt aber nunmehr eine klare Regelung, gegen wen die Klage zu richten ist und wer - abgesehen vom hier nicht zutreffenden Fall des § 159 Abs 2 ABGB - aktiv legitimiert ist. Diese Fragen wären nunmehr nach allgemeinen Grundsätzen und unter Beachtung insbesondere von Art 8 EMRK zu beantworten. Aus dieser Bestimmung hat der Verfassungsgerichtshof gefolgert, dass zumindest das Kind einen durchsetzbaren Rechtsanspruch auf Feststellung der biologischen Vaterschaft haben müsse; ein entsprechender Anspruch der Mutter wurde - obwohl im Anlassfall die Klage einer Mutter vorlag - nicht erwähnt, freilich auch nicht verneint. Vertritt man nun die Auffassung, dass der Mutter kein derartiger Anspruch zukommt, wäre die Klage - mit dem Erstgericht - wegen mangelnder Aktivlegitimation abzuweisen. Bejaht man hingegen mit dem Berufungsgericht, das sich insbesondere auf Viktor Steininger (Verfassungswidrigkeiten im Bereich der Familienrechtsreform, in Reformen des Rechtes, Festschrift der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Graz, 1979, 457, 463 f) und die Rechtsprechung zum Feststellungsinteresse bei Statusklagen (RIS-Justiz RS0048406) gestützt hat, die Aktivlegitimation der Mutter, so ist mit dem Berufungsgericht zu fordern, dass sich die Klage auch gegen den (ehemaligen) Ehemann zu richten hat (V. Steininger 464). Kinder und Ehemann würden eine einheitliche Streitpartei bilden. Da dessen (vom Gesetz vermutete) Rechtsposition als Vater Gegenstand des Verfahrens ist, versteht es sich von selbst, dass dieses ohne seine Beteiligung nicht durchgeführt werden kann. Eine allseitige Rechtskraftwirkung des Urteiles ist ohne rechtliches Gehör des (ehemaligen) Ehegatten ausgeschlossen. Eine nachträgliche Einbeziehung als zusätzliche Partei ist im streitigen Verfahren aber nicht möglich. Auch diese Variante führt also zur Klagsabweisung.

Damit kann aber die vom Berufungsgericht als im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO erheblich bezeichnete Frage auf sich beruhen. Gegen deren über den Anlassfall hinausgehende Bedeutung spricht derzeit auch, dass die Aufhebung der zitierten Bestimmungen erst mit Ablauf des 30. 6. 2004 in Kraft tritt und auf Grund des sich daraus ergebenden Änderungsbedarfes bereits ein entsprechendes Gesetzesvorhaben in Vorbereitung ist (vgl www.bmj.gv.at/vorhaben). Nur am Rande wird noch auf die sich aus dem mit 1. 7. 2001 in Kraft getretenen § 163e (insb Abs 2) ABGB ergebenden Möglichkeiten hingewiesen.

Die Revision war somit - ungeachtet des den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulässigkeitsausspruches des Berufungsgerichtes - mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO als unzulässig zurückzuweisen.