JudikaturJustiz5Ob209/23f

5Ob209/23f – OGH Entscheidung

Entscheidung
30. Januar 2024

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofräte Mag. Wurzer und Mag. Painsi, die Hofrätin Dr. Weixelbraun-Mohr und den Hofrat Dr. Steger als weitere Richter in der Pflegschaftssache des Minderjährigen R* W*, geboren am * 2010, wohnhaft bei der Mutter E* W*, in Unterhaltsangelegenheiten vertreten durch das Land Oberösterreich (Bezirkshauptmannschaft *), wegen Unterhalts, über den „außerordentlichen“ Revisionsrekurs des Vaters * J* A*, vertreten durch Dr. Rudolf Franzmayr, Rechtsanwalt in Vöcklabruck, gegen den Beschluss des Landesgerichts Wels als Rekursgericht vom 3. Mai 2023, GZ 21 R 99/23t-123, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Akt wird dem Erstgericht zurückgestellt.

Text

Begründung:

[1] Der Vater ist aufgrund des Beschlusses vom 17. 2. 2022 verpflichtet, für seinen Sohn R* W* einen monatlichen Unterhaltsbeitrag von 390 EUR zu zahlen. Er hat eine weitere Unterhaltsverpflichtung für seine Tochter A* A* (dzt 330 EUR monatlich).

[2] Der Vater beantragte, die für R* und A* zu leistenden Unterhaltsbeiträge ab 1. 3. 2022 auf insgesamt 300 EUR herabzusetzen.

[3] Das Erstgericht wies den Antrag – in diesem Verfahren gegenüber seinem Sohn R* – ab.

[4] Gegen diese Entscheidung des Erstgerichts richtete sich der Rekurs des Vaters mit dem Antrag, seine Unterhaltsverpflichtung für beide Kinder auf den Gesamtbetrag von monatlich 300 EUR herabzusetzen.

[5] Das Rekursgericht gab dem Rekurs nicht Folge und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.

[6] Gegen diese Entscheidung des Rekursgerichts richtet sich der „außerordentliche Revisionsrekurs“ des Vaters mit dem Antrag, diese dahin abzuändern, dass der Unterhalt für R* auf 170 EUR herabgesetzt werde; hilfsweise stellt der Vater einen Aufhebungsantrag.

[7] Das Erstgericht legte das Rechtsmittel unmittelbar dem Obersten Gerichtshof vor.

Rechtliche Beurteilung

[8] Die Aktenvorlage entspricht – ungeachtet der im Aktenvermerk vom 19. 10. 2023 dokumentierten telefonischen Abklärung (siehe Punkt 5.) – nicht dem Gesetz.

[9] 1. Hat das Rekursgericht nach § 59 Abs 1 Z 2 AußStrG ausgesprochen, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht nach § 62 Abs 1 AußStrG zulässig ist, so kann gemäß § 62 Abs 5 AußStrG dennoch ein Revisionsrekurs erhoben werden, wenn der Entscheidungsgegenstand insgesamt 30.000 EUR übersteigt oder soweit er nicht rein vermögensrechtlicher Natur ist (außerordentlicher Revisionsrekurs).

[10] 2. Im Unterhaltsbemessungsverfahren ist der Entscheidungsgegenstand rein vermögensrechtlicher Natur und er besteht ausschließlich in einem Geldbetrag. Maßgeblich ist gemäß § 58 Abs 1 JN der 36 fache Betrag jenes monatlichen Unterhaltsbeitrags, der zum Zeitpunkt der Entscheidung zweiter Instanz zwischen den Parteien noch strittig war (RIS Justiz RS0122735). Wird also eine Erhöhung oder Herabsetzung eines Unterhaltsbetrags begehrt, so bildet den Streitwert der dreifache Jahresbetrag der begehrten Erhöhung oder Herabsetzung (RS0046543).

[11] Im vorliegenden Fall übersteigt daher der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR nicht, weil im Verhältnis des Vaters zu seinem Sohn R* der strittige monatliche Unterhaltsbeitrag maximal 390 EUR beträgt ( H erabsetzung der U nterhaltsbeiträge für R* und A* insgesamt von derzeit 720 EUR auf 300 EUR zur Gänze zu La sten des R*; 390 EUR x 36 = 14.040 EUR).

[12] 3. Übersteigt der Entscheidungsgegenstand an Geld oder Geldeswert insgesamt nicht 30.000 EUR und hat das Rekursgericht nach § 59 Abs 1 Z 2 AußStrG den ordentlichen Revisionsrekurs für nicht zulässig erklärt, ist nach § 62 Abs 3 AußStrG der Revisionsrekurs – außer im Fall des § 63 Abs 3 AußStrG – jedenfalls unzulässig. Unter diesen Voraussetzungen kann eine Partei nur einen Antrag an das Rekursgericht stellen (Zulassungsvorstellung gemäß § 63 Abs 1 und 2 AußStrG), den Zulässigkeitsausspruch dahin abzuändern, dass der Revisionsrekurs doch für zulässig erklärt werde (§ 63 Abs 3 AußStrG); mit dieser Zulassungsvorstellung ist der ordentliche Revisionsrekurs zu verbinden.

[13] 4. Wird – wie hier – gegen eine Entscheidung, die nur mit Zulassungsvorstellung angefochten werden kann, ein außerordentlicher Revisionsrekurs erhoben, so hat das Erstgericht dieses Rechtsmittel, auch wenn es direkt an den Obersten Gerichtshof gerichtet ist, dem Rekursgericht vorzulegen, weil derartige Rechtsmittel als Anträge iSd § 63 AußStrG zu werten sind (RS0109623 [T13]; RS0109505 [T35 ] ). Ob der dem Rekursgericht vorzulegende Schriftsatz den Erfordernissen des § 63 Abs 1 AußStrG entspricht oder ob er einer Verbesserung bedarf, bleibt dabei der Beurteilung der Vorinstanzen vorbehalten (RS0109623 [T14]; RS0109505 [T34]).

[14] 5. Ob der Rechtsmittelschriftsatz als Zulassungsvorstellung an das Rekurs gericht zu qualifizieren und daher diesem vorzulegen oder einem Verbesserungsverfahren zu unterziehen ist, obliegt (zunächst) der Beurteilung des Erstgerichts. Ist das Erstgericht der Auffassung, einer Vorlage an das Rekursgericht stehe das Fehlen eines ausdrücklichen Abänderungsantrags entgegen und/oder die im Schriftsatz enthaltenen Ausführungen, wonach der Revisionsrekurs zulässig sei, entsprächen den Erfordernissen des § 63 Abs 1 AußStrG schon deshalb nicht, weil diese „Zulassungsbeschwerde“ erkennbar (gleich den Rechtsmittelausführungen zur Sache) an den Obersten Gerichtshof gerichtet sei, hat es einen mit einer Fristsetzung verbundenen Verbesserungsauftrag zu erteilen. Sollte der Rechtsmittelwerber die Verbesserung sodann verweigern, wäre der Revisionsrekurs jedenfalls unzulässig (RS0109501 [insb T17 ]; RS010950 5 [insb T4, T 5 ]).

[15] Das Erstgericht hat hier zwar, bevor es den Akt dem Obersten G erichtshof vorgelegt hat, mit dem Rechtsvertreter des R echtsmittelwerbers telefonisch besprochen, dass seiner Ansicht nach die Voraussetzungen für eine Zulassungsvorstellung und nicht jene für einen außerordentlichen Revisionsrekurs vorlägen, und diesen Umstand sowie die Erklärung des Antragstellervertreters, den direkt an den Obersten Gerichtshof gerichteten außerordentlichen Revisionsrekurs dennoch aufrecht zu halten, in einem Aktenvermerk dokumentiert. Dieser Vorgang ist jedoch keine Verweigerung einer förmlich aufgetragenen Verbesserung, die das Erstgericht (§ 67 AußStrG) oder den Obersten Gerichtshof (RS0120077 [T9]; RS0123439 [T3]) dazu berechtigte, das Rechtsmittel sofort als absolut unzulässig zurückzuweisen.

[16] Liegt ein verbesserbarer Mangel vor, hat das Gericht für die V erbesserung „zu sorgen“ (§ 10 Abs 4 AußStrG) und der Partei „auf möglichst einfache Art Gelegenheit zur Verbesserung zu geben“ (§ 59 Geo). D ie Verbesserung kann also zwar unter Umständen auch formfrei, zB durch telefonisch eingeholte und in einem Aktenvermerk dokumentierte Ergänzungen erfolgen (ErläutRV 224 BlgNR 22. GP 30 ; G. Kodek in Gitschthaler/Höllwerth , AußStrG § 10 Rz 42; Schneider in Schneider/Verweijen , AußStrG § 10 Rz 30; Rechberger/Klicka in Rechberger/Klicka , AußStrG³ § 10 Rz 11; Gitschthaler in Rechberger/Klicka , ZPO 5 §§ 84, 85 ZPO Rz 17/1).

[17] Die Art des Verbesserungsauftrags und die Form der Verbesserung richtet sich aber nach dem jeweiligen Mangel ( Kodek in Fasching/Konecny 3 §§ 84, 85 ZPO Rz 214, 239); die Verbesserung durch telefonische Ergänzungen kommt dabei aus Gründen der Rechtssicherheit in erster Linie für evidente Schreib-, Diktat- oder Rechenfehler in Betracht (5 Ob 164/06p; G. Kodek in Gitschthaler/Höllwerth , AußStrG § 10 Rz 42; Kodek in Fasching/Konecny 3 §§ 84, 85 ZPO Rz 246; vgl auch Schneider in Schneider/Verweijen , AußStrG § 10 Rz 30 ). Bei schwerer wiegenden Inhaltsmängeln wird ein telefonischer Verbesserungsauftrag nur zulässig sein , wenn (dennoch) auch bei dieser Vorgangsweise mit einer Ver besserung gerechnet werden k onnte ( Kodek in Fasching/Konecny 3 §§ 84, 85 ZPO Rz 2 40; Gitschthaler in Rechberger/Klicka , ZPO 5 §§ 84, 85 ZPO Rz 17/1) und der Mangel behoben wurde . Wird hin gegen in solchen F ällen d er bloß telefonischen Aufforderung der Mangel nicht behoben, kann dann die Einleitung eines schriftlichen Verbesserungsverfahrens geboten sein (vgl § 59 Abs 1 aE Geo für die Nichtbefolgung der Ladung; Kodek in Fasching/Konecny 3 §§ 84, 85 ZPO Rz 240, 2 44 f ). Hier ist dem Aktenvermerk des Erstgerichts allerdings ohnedies schon nicht zu entnehmen, dass das Erstgericht einen – zwar bloß telefonischen, aber doch ausdrücklichen – Verbesserungsauftrag erteilt h at ; es ist auch nicht mit der dafür angesichts der verfahrensrechtlichen Konsequenzen erforderlichen Sicherheit klar, dass der Antragstellervertreter ausgeschlossen hat, einem etwaigen förmlichen Verbesserungsauftrag nachzukommen. Das Erstgericht, das davon ausgeht, dass der Rechtsmittelschriftsatz im Hinblick auf die Erfordernisse des § 63 Abs 1 AußStrG einer Verbesserung bedarf, wird daher zunächst einen mit einer Fristsetzung verbundenen schriftlichen Verbesserungsauftrag zu erteilen haben.