JudikaturJustiz5Ob197/02k

5Ob197/02k – OGH Entscheidung

Entscheidung
27. August 2002

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Klinger als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Floßmann, Dr. Baumann und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Hurch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Grundbuchssache der Antragsteller 1. Elfriede N*****,

2. Robert N*****, beide vertreten durch Dr. Haymo Richter, öffentlicher Notar in Wien, wegen Einverleibung der Herrenlosigkeit und anderer Eintragungen ob der Liegenschaft EZ ***** Grundbuch *****, über den Revisionsrekurs der Antragsteller gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 22. April 2002, GZ 46 R 193/02a-5, womit der Beschluss des Bezirksgerichtes Floridsdorf vom 14. Juli 2000, TZ 3504/00, bestätigt wurde, den Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Mit Beschluss des Erstgerichtes vom 23. 6. 1994 wurden der Erstantragstellerin in einem Zwangsversteigerungsverfahren die dem Verpflichteten gehörenden Miteigentumsanteile der Liegenschaft EZ ***** GB ***** (BLNr 22 und 23) als der Meistbietenden aufgrund der Versteigerungsbedingungen um das Meistbot von S 1,281.000 zugeschlagen.

Mit Beschluss vom 27. 7. 1994 wurde der Erstantragstellerin aufgrund der Erteilung des Zuschlages und der Berichtigung des gesamten Meistbots mangels Vorliegens der Unbedenklichkeitsbescheinigung die Vormerkung des Eigentums bewilligt.

Mit Kaufvertrag vom 5. 2. 1999 verkaufte die Erstantragstellerin dem Zweitantragsteller den Miteigentumsanteil BLNr 22 an der Liegenschaft EZ ***** GB ***** um den Betrag von S 500. Am 27. 5. 2000 legten die Antragsteller diese Privaturkunde dem Notar Dr. Haymo Richter zur notariellen Bekräftigung vor und anerkannten, dass sie diese unterschrieben haben und dass sie ihrem Willen entspricht. Am selben Tag errichtete der Zweitantragsteller vor diesem Notar eine Dereliktionsurkunde, in der er erklärte, dass er aufgrund des notariellen Kaufvertrages vom heutigen Tage außerbücherlich Eigentümer von 12/1992-stel Anteilen (BLNr 22) der Liegenschaft EZ ***** GB ***** sei. Er gebe hiemit das Eigentum und den Besitz an diesen Liegenschaftsanteilen auf, weshalb diese Anteile als derelinquiert zu qualifizieren seien. Er erteilte seine Einwilligung, dass ob dem Miteigentumsanteil BLNr 22 an der Liegenschaft ***** GB ***** die Herrenlosigkeit einverleibt werde.

Gestützt auf diese Urkunde sowie einen Staatsbürgerschaftsnachweis und Unbedenklichkeitsbescheinigungen begehrten die Antragsteller die Einverleibung der Herrenlosigkeit, die Löschung der Anmerkung der Erteilung des Zuschlages an die Erstantragstellerin und die Löschung der Vormerkung des Eigentumsrechts für die Erstantragstellerin. Das Erstgericht wies den Antrag ab, weil die Dereliktion eines Wohnungseigentumsobjekts unzulässig sei.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Antragsteller nicht Folge. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes EUR 20.000 übersteige und dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, und führte im Wesentlichen folgendes aus:

Die Dereliktionsurkunde sei vom Zweitantragsteller errichtet worden, dessen Eigentumsrecht an den Miteigentumsanteilen, die er von der Erstantragstellerin mit Kaufvertrag erworben habe, im Grundbuch nicht einverleibt worden sei. Während die Erstantragstellerin bereits mit Zuschlagerteilung unabhängig von der Einverleibung ihres Eigentumsrechtes im Grundbuch originär Eigentum an diesem Miteigentumsanteil erworben habe, fehle für den Eigentumserwerb des Zweitantragstellers noch der Modus, nämlich die grundbücherliche Einverleibung seines Eigentumsrechts. Habe er aber das Eigentum an dem Miteigentumsanteil noch gar nicht erworben, könne er dieses auch nicht durch Dereliktion aufgeben. Dies könne derzeit nur die Erstantragstellerin, von dieser liege aber eine entsprechende Urkunde nicht vor.

Schon aus diesem Grund seien der Antrag auf Einverleibung der Herrenlosigkeit und damit auch die Anträge auf Löschung der Anmerkung der Zuschlagserteilung unter Vormerkung des Eigentumsrechts für die Antragstellerin, deren Bewilligung nur für den Fall der Bewilligung der Einverleibung der Herrenlosigkeit möglich wäre, abzuweisen. Es könne deshalb dahingestellt bleiben, ob für den Fall, dass der Antrag auf Einverleibung der Herrenlosigkeit vom bücherlichen Eigentümer gestellt worden wäre, der Antrag im Sinne der Judikatur des Obersten Gerichtshofes zu bewilligen wäre, obwohl es sich im vorliegenden Fall nicht um ein unbebautes Grundstück, sondern um einen Miteigentumsanteil an einem Wohnungseigentumsobjekt handle. Der Revisionsrekurs sei zulässig, weil eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofes zur Frage, ob die Einverleibung der Herrenlosigkeit an Objekten, mit welchen Wohnungseigentum verbunden ist, zulässig sei, und ob eine derartige Eintragung auch dem bloß außerbücherlichen Eigentümer bewilligt werden könne, nicht vorliege.

Gegen diese Rekursentscheidung richtet sich der Revisionsrekurs der Antragsteller wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, dem Grundbuchsgesuch stattzugeben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig, er ist aber nicht berechtigt. Die Rechtsmittelwerber machen geltend, zufolge 5 Ob 126/98k sei bei verbücherten Liegenschaften die Preisgabe des Eigentums im Grundbuch einzutragen; eine Differenzierung in Alleineigentum, ideelles Miteigentum und Wohnungseigentum sei weder zweckmäßig noch statthaft, weil das ABGB keine solche Differenzierung treffe; auch das WEG sehe weder in der alten noch in der neuen Fassung eine Sonderregelung vor. Zufolge § 22 GBG müssten Zwischenübertragungen nicht bücherlich durchgeführt werden; auch der außerbücherliche Erwerber könne das Eigentumsrecht aufgeben.

Hiezu wurde erwogen:

Nach der jüngeren Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes können

auch Liegenschaften derelinquiert werden, was im Grundbuch

einzutragen ist (5 Ob 126/98k = NZ 1999, 165 und 253/443 [Hoyer 161];

vgl auch 4 Ob 37/97p = NZ 1997, 245; 5 Ob 13/00y). Die Dereliktion

von Wohnungseigentum, wie sie hier beabsichtigt wird, ist aber aus folgenden Gründen unzulässig:

Ein Wohnungseigentümer ist Mitglied im Personenverband Wohnungseigentümergemeinschaft (vgl Löcker, Die Wohnungseigentümergemeinschaft 80) gemäß § 13c Abs 1 WEG 1975 (Eigentümergemeinschaft gemäß § 2 Abs 5, § 18 Abs 1 WEG 2002). Ein Ausscheiden nicht durch Anteilsübertragung an einen Rechtsnachfolger (vgl Löcker 88 f), sondern durch einseitigen Austritt aus der Gemeinschaft unter Preisgabe des Wohnungseigentumsobjekts ist dem Gesetz fremd. Es kennt nur den Verzicht auf das Wohnungseigentum - nicht auf das Miteigentum - gemäß § 21 Abs 1 WEG 1975 (§ 35 Abs 1 WEG 2002) und die Ausschließung eines Wohnungseigentümers (§ 22 WEG 1975, § 36 WEG 2002); auch in letzterem Fall kommt es zu keinem, einer Herrenlosigkeit auch nur ähnlichen Stadium: Der Ausgeschlossene bleibt ungeachtet des rechtskräftigen und vollstreckbaren Urteils bis zur freiwilligen Veräußerung (Übereignung) oder bis zum Zuschlag im Zwangsversteigerungsverfahren vollberechtigter Mit- und Wohnungseigentümer (Würth in Rummel2 § 22 WEG Rz 3; 3 Ob 26/00w = MietSlg 52.598 = WoBl 2001/204).

Ein Wohnungseigentümer hat nicht nur Rechte sondern auch Pflichten (vgl Löcker 87), insbesondere zur Beitragszahlung (§ 19 Abs 1 WEG 1975, § 32 Abs 1 WEG 2002) und zur Instandhaltung seines Objekts und der dafür bestimmten Einrichtungen (§ 13 Abs 3 WEG 1975, § 16 Abs 3 WEG 2002), an deren Einhaltung die übrigen Wohnungseigentümer interessiert sind und deren er sich nicht einfach durch Preisgabe des Objekts entledigen können soll. Im Außenverhältnis trifft ihn schließlich die Ausfallshaftung gemäß § 13c Abs 2 WEG 1975 (§ 18 Abs 3 WEG 2002).

All dies spricht insgesamt gegen die - schon vom Erstgericht zutreffend verneinte - Zulässigkeit der Dereliktion von Wohnungseigentum. Ob anderenfalls die Rechtsansicht des Rekursgerichtes, die Dereliktionsurkunde hätte nicht vom Zweitantragsteller, sondern von der Erstantragstellerin errichtet werden müssen, richtig wäre, kann auf sich beruhen. Dem Revisionsrekurs war somit ein Erfolg zu versagen.