JudikaturJustiz5Ob1527/85

5Ob1527/85 – OGH Entscheidung

Entscheidung
10. September 1985

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Marold als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Jensik, Dr. Hofmann, Dr. Zehetner und Dr. Klinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei STADT WIEN, vertreten durch Dr. Peter Rudeck, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Dieter A, Pressefotograf, Weinheimergasse 7-9/1/24, 1160 Wien, vertreten durch Dr. Friedrich Fleischmann, Rechtsanwalt in Wien, wegen Räumung, infolge ao. Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes f ZRS Wien als Rekursgerichtes vom 28. Mai 1985, GZ 41 R 439/85-47, mit dem der Beschluß des Bezirksgerichtes Hernals vom 19.März 1985, GZ 5 C 510/83-41, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem außerordentlichen Revisionsrekurs wird Folge gegeben. Der angefochtene Beschluß des Rekursgerichtes wird dahin abgeändert, daß die erstinstanzliche Entscheidung wiederhergestellt wird.

Der Beklagte hat die Kosten seines erfolglosen Rekurses selbst zu tragen und ist schuldig, der Klägerin die mit 2.004,80 S bestimmten Kosten des Revisionsrekurses (darin 192,-- S an Barauslagen und 164,80 S an Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Mit der am 25.Juli 1983 erhobenen Klage begehrt die Klägerin vom Beklagten gemäß § 1118 zweiter Fall ABGB die Räumung der von ihm gemieteten Wohnung.

Der Beklagte bestritt die Richtigkeit des von der Klägerin im Zuge des Verfahrens betragsmäßig genannten Rückstandes an Mietzins und Betriebskosten (39.925,49 S) mangels hinlänglicher Aufschlüsselung. In der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 27.4.1984 brachte die Klägerin vor, daß es sich bei dem Rückstand um Erhaltungsbeiträge und besondere Aufwendungen für Kosten der Zentralheizung handle, worauf der Beklagte die von der Klägerin der Berechnung des Erhaltungsbeitrages zugrunde gelegte Größe der Wohnung und die Richtigkeit des begehrten Erhaltungsbeitrages bestritt. In Ermanglung der Möglichkeit, in die Belege Einsicht zu nehmen, seien die Betriebskosten auch noch nicht fällig. Das Erstgericht leitete hierauf die Parteien an, ein Verfahren vor der Schlichtungsstelle anhängig zu machen und sprach hierauf von Amts wegen die Unterbrechung des Verfahrens aus (ON 13 dA). Nach Ausfertigung dieses Beschlusses (ON 20 dA) behob das Rekursgericht infolge Rekurses der Klägerin den erstgerichtlichen Unterbrechungsbeschluß (ON 25 dA). Im fortgesetzten Verfahren führte die Klägerin weiters aus, an Hauptmietzins, Erhaltungsbeitrag, Betriebskosten und Umsatzsteuer hafte ein Rückstand von insgesamt 60.391,32 S aus; der 'reine Grundmietzins' betrage monatlich 395,30 S; diesbezüglich bestehe - unter Bedachtnahme auf zwischenweilige Zahlungen des Beklagten - ein Rückstand von 9.487,20 S. Der Beklagte legte hierauf die Gleichschrift eines von ihm an die Schlichtungsstelle gerichteten Antrages auf 'Zinsüberprüfung (§§ 45, 21, 24 MRG)' vor und beantragte die Unterbrechung des Verfahrens über die Räumungsklage (AS 61 und Beilage/2). Am 22.2.1985 unterbrach das Erstgericht gemäß § 41 MRG das Verfahren mit dem Beifügen, daß dessen Fortsetzung erst auf Antrag einer Partei nach Rechtskraft des Schlichtungsverfahrens Schli 1/85 bzw. des MSch-Verfahrens erfolgen werde (ON 34 dA). In ihrem am 28.2.1985 beim Erstgericht eingebrachten Schriftsatz brachte die Klägerin vor, den der Räumungsklage zugrundeliegenden Betrag auf den reinen Hauptmietzinsrückstand zu beschränken, um weiteren Prozeßverzögerungen zu begegnen. Mit dem Vater des Beklagten sei ein monatlicher Mietzins von 442,20 S vereinbart worden. Da der Beklagte in die Mietrechte seines Vaters eingetreten sei, sei die Vereinbarung auch für ihn wirksam. Ab April 1982 sei eine Grundzinsreduzierung auf 5,90 S pro Quadratmeter vorgenommen worden, weil die bisher im Grundzins enthalten gewesenen Kosten für besondere Aufwendungen (§ 24 MRG) gesondert verrechnet würden. Dem Beklagten werde daher seit April 1982 ein Grundzins von 395,30 S monatlich vorgeschrieben. Der nun auf den Grundzinsrückstand eingeschränkte noch offene Betrag errechne sich somit für die Zeit von 10/82 bis 2/83 und von 4/83 bis 11/84 mit insgesamt 9.487,20 S. Da der reine Grundmietzins nicht bestritten worden sei und auf einer gültigen Vereinbarung beruhe, werde die Beschlußfassung nach § 33 Abs 3 MRG beantragt.

Nach Zustellung des Unterbrechungsbeschlusses ON 34 stellte die Klägerin den Antrag, die Verfahrensunterbrechung von Amts wegen (§ 192 ZPO) aufzuheben und das Verfahren fortzusetzen, weil der vom Beklagten geschuldete Betrag auf den reinen Grundzinsrückstand eingeschränkt worden sei und der Beklagte diesen Betrag nicht bestritten habe. Da die Unterbrechung nur im Hinblick auf die Bestreitung der Höhe des vorgeschriebenen Erhaltungsbeitrages, der Betriebskosten und der besonderen Aufwendungen erfolgt sei, sei die für die Unterbrechung nach § 41 MRG erforderliche Präjudizialität des Schlichtungsstellenverfahrens nicht mehr gegeben. Mit Beschluß vom 19.3.1985 (ON 41 dA) hob das Erstgericht seinen Unterbrechungsbeschluß ON 34 auf.

Das Gericht zweiter Instanz gab dem vom Beklagten dagegen erhobenen Rekurs Folge; es wies den Antrag der Klägerin, die Verfahrensunterbrechung aufzuheben, mit dem Ausspruch ab, daß der von der Abänderung betroffene Wert des Beschwerdegegenstandes 15.000 S, nicht jedoch 300.000 S übersteigt und der Rekurs an den Obersten Gerichtshof nicht zulässig sei (ON 47 dA). Das Verfahren vor der Schlichtungssstelle sei für die Räumungsklage nach wie vor präjudiziell, weil die mit Schriftsatz vom 22.2.1985 vorgenommene Einschränkung des Auflösungsgrundes auf den Grundmietzinsrückstand mangels mündlichen Vortrages des Schriftsatzes noch nicht wirksam geworden sei. Nach herrschender Lehre und Rechtsprechung (EvBl 1982/141 mwH) bestehe kein Grund, im Falle der Klagseinschränkung - anders als bei der Klagsrücknahme - vom allgemeinen Grundsatz der Mündlichkeit (§§ 176, 177 ZPO) abzugehen. Zur Begründung des Ausspruches über die Unzulässigkeit des Rekurses an den Obersten Gerichtshof verwies das Rekursgericht auf die 'zitierte ständige Rechtsprechung'.

Gegen diesen Beschluß des Rekursgerichtes richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Klägerin mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß im Sinne der erstinstanzlichen Entscheidung abzuändern.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist entgegen der Ansicht des Rekursgerichtes zulässig, weil die Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz von der Lösung der Frage der Wirksamkeit des Vorbringens in dem nach Unterbrechung des Rechtsstreites erstatteten, mündlich (noch) nicht vorgetragenen Schriftsatzes, somit von einer Rechtsfrage des Verfahrensrechts abhängt, der im Sinne des § 502 Abs 4 Z 1 ZPO im Hinblick darauf erhebliche Bedeutung zukommt, daß diesbezüglich eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes fehlt. Der Revisionsrekurs ist auch berechtigt.

Nach der gemäß § 167 ZPO auch auf außerhalb der ZPO geregelte Unterbrechungsfälle anzuwendenden Bestimmung des § 164 ZPO endet die Unterbrechung des Verfahrens durch die auf Grund eines Parteiantrages - in den Fällen der Unterbrechung wegen Präjudizialität auch von Amts wegen - anzuordnende Aufnahme des Verfahrens; der Antrag hat das Erlöschen des Unterbrechungsgrundes glaubhaft zu machen. Die Entscheidung über den Antrag auf Aufnahme des unterbrochenen Verfahrens erfolgt - von dem hier nicht bedeutsamen Fall der Unterbrechung wegen des Todes einer Partei abgesehen - ohne vorhergehende mündliche Verhandlung (§ 165 Abs 2 ZPO). Daraus folgt, daß während der Unterbrechung des Verfahrens der Verkehr zwischen Partei und Gericht schriftlich geschieht. Ist dafür sowie für die Entscheidung über den Antrag auf Aufnahme des unterbrochenen Verfahrens eine mündliche Verhandlung im Gesetz nicht vorgesehen, so kann der für diesen Verkehr in der mündlichen Verhandlung vorgesehene - in den §§ 176, 177 ZPO

normierte - Grundsatz des mündlichen Vortrages von Schriftsätzen hier nicht zur Anwendung kommen. Der den Antrag auf Aufnahme des unterbrochenen Verfahrens enthaltende Schriftsatz wird somit schon durch seine Einbringung dem Gericht gegenüber wirksam; sein Einlangen löst die das von der Partei darin behauptete und auch glaubhaft zu machende Erlöschen des Unterbrechungsgrundes betreffende Prüfungs- und Entscheidungspflicht des Gerichtes aus. Das Rekursgericht hat es daher zu Unrecht abgelehnt, den von der Klägerin behaupteten Wegfall des Unterbrechungsgrundes zu prüfen. Das vorliegende Verfahren wurde vom Erstgericht (zuletzt) wegen des bei der Schlichtungsstelle anhängigen Verfahrens auf überprüfung des (für bestimmt angeführte Zeiträume) vorgeschriebenen Erhaltungsbeitrages (§ 45 MRG) sowie der (für dieselben Zeiten begehrte) Betriebskosten und öffentlichen Abgaben (§ 21 MRG) und des Anteiles an besonderen Aufwendungen (§ 24 MRG) gemäß § 41 MRG unterbrochen; die überprüfung der Angemessenheit des vorgeschriebenen Hauptmietzinses wurde vom Beklagten dabei nicht begehrt. Da die Klägerin ausdrücklich erklärt hat, als Aufhebungstatbestand im Sinne des auf § 1118 zweiter Fall ABGB gestützten Räumungsbegehrens nur mehr den (bestimmt bezeichneten) unberichtigt aushaftenden Rückstand an Hauptmietzins geltend zu machen, ist das hier gestellte Klagebegehren nicht mehr von einer Vorfrage abhängig, über die in dem bei der Schlichtungsstelle anhängigen Verfahren zu entscheiden ist. Die eine Voraussetzung für die nach § 41 MRG vorgesehene obligatorische Unterbrechung bildende Präjudizialität des Schlichtungsstellenverfahrens ist damit weggefallen, weshalb das Erstgericht auf Antrag der Klägerin die verfügte Unterbrechung des Verfahrens zu Recht aufgehoben hat. Damit erweist sich der Revisionsrekurs als berechtigt, weshalb ihm Folge zu geben und die angefochtene Entscheidung des Rekursgerichtes im Sinne der Wiederherstellung des erstgerichtlichen Beschlusses abzuändern war.

Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens gründet sich auf die §§ 40, 41 und 50 ZPO.