JudikaturJustiz5Ob102/19i

5Ob102/19i – OGH Entscheidung

Entscheidung
24. September 2019

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei C***** M*****, vertreten durch Dr. Eric Agstner, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. A***** S*****, 2. Dr. R***** S*****, 3. G***** GmbH, *****, 4. Mag. V***** U*****, 5. Dr. M***** F*****, alle vertreten durch die Bichler Zrzavy Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Vertragszuhaltung und Unterlassung, über die außerordentliche Revision der erst- bis viertbeklagten Parteien gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 13. März 2019, GZ 39 R 275/18g 12, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Die in einem Vorverfahren gefällte Entscheidung entfaltet dann in einem weiteren Verfahren zwischen denselben Parteien aufgrund ihrer materiellen Rechtskraft Bindungswirkung, wenn der als Hauptfrage entschiedene Anspruch dort eine Vorfrage bildet (RIS Justiz RS0041251 [T3]; vgl auch RS0127052 [T1]; RS0041567 [T8]; RS0039843 [T21]).

2. Worüber im Vorprozess als Hauptfrage entschieden wurde, ist jeweils im konkreten Einzelfall zu prüfen. Dabei kommt es auf den Gegenstand der spruchmäßigen Entscheidung an (RS0127052 [T5]). Die Rechtskraftwirkung eines Urteils erstreckt sich grundsätzlich nur auf den Spruch (RS0041357 [T1]). Das Ausmaß der Bindungswirkung wird demnach durch den Urteilsspruch bestimmt. Nur soweit es für die Individualisierung des Anspruchs und dessen Tragweite erforderlich ist, sind auch die Entscheidungsgründe heranzuziehen (RS0043259; vgl auch RS0000234; RS0000300 [T6]; RS0041357 [T3]; RS0112731; RS0127052 [T5]). Ist der Wortlaut des Spruchs völlig klar, bedarf es keiner Bedachtnahme auf die Entscheidungsgründe (vgl 6 Ob 133/02f; RS0000300 [T3, T6, T15, T18]).

3. Die Beurteilung, welchen rechtlich erheblichen Inhalt eine gerichtliche Entscheidung hat, ist demnach eine Rechtsfrage, die aufgrund des Wortlauts des Spruchs und der Gründe der Entscheidung in Verbindung mit dem dadurch angewandten Gesetz gelöst werden muss (RS0008802). Diese Frage entzieht sich im Allgemeinen generellen Aussagen. Die Auslegung eines Urteils, seines Spruchs und gegebenenfalls seiner Entscheidungsgründe, ist auf den jeweiligen Einzelfall bezogen und wirft daher keine Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO auf (vgl 1 Ob 74/19t; 1 Ob 159/18s; 4 Ob 180/17z; 8 ObA 27/13y; RS0118891). Anderes gilt nur, wenn eine aus Gründen der Rechtssicherheit auch im Einzelfall aufzugreifende Fehlbeurteilung vorliegt.

4. Eine solche Fehlbeurteilung ist dem Berufungsgericht nicht unterlaufen. Dessen Rechtsansicht, das rechtskräftige Urteil im Vorverfahren habe insoweit bindend über den Umfang der Hauptmietrechte der Klägerin abgesprochen, als diese auch das hier strittige Recht auf Nutzung des Gastgartens umfassen, ist nicht korrekturbedürftig.

5. Soweit eine Bindung des Richters des Folgeprozesses an die Entscheidung des Vorprozesses besteht, ist die Frage, ob diese richtig ist, irrelevant (9 ObA 117/17x; RS0039843 [T26]). Die Bindungswirkung einer Entscheidung schließt die neuerliche inhaltliche Prüfung des rechtskräftig entschiedenen Anspruchs aus (8 Ob 139/15x; vgl auch RS0041175; RS0041251 [T5]; RS0039843 [T10]). Der von den Revisionswerbern als erheblich iSd § 502 Abs 1 ZPO betrachteten Frage der (fehlenden) Bindung an Nebenabreden ungewöhnlichen Inhalts iSd § 2 Abs 1 vierter Satz MRG kommt daher in diesem Verfahren keine Relevanz zu. Die Beantwortung abstrakter Rechtsfragen ist nicht Aufgabe des Obersten Gerichtshofs (RS0111271).

6. Die außerordentliche Revision wirft damit keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO auf; diese ist daher unzulässig und zurückzuweisen.