JudikaturJustiz4Ob96/13s

4Ob96/13s – OGH Entscheidung

Entscheidung
18. Juni 2013

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Vizepräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei B***** GmbH, *****, vertreten durch Frimmel/Anetter Rechtsanwaltsgesellschaft mbH in Klagenfurt, gegen die beklagte Partei Dr. A***** O*****, vertreten durch Ing. Mag. Dr. Felix Jurak, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen 74.164,16 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei (Revisionsinteresse 40.510,40 EUR) gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz vom 28. März 2013, GZ 3 R 35/13m 40, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Dissens liegt nach ständiger Rechtsprechung (RIS-Justiz RS0014701) nur vor, wenn

- die Vereinbarung wegen des Offenbleibens von Hauptpunkten des Vertrags unvollständig ist,

- wegen der (äußerlichen) Unvereinbarkeit von Antrag und Annahme eine Diskrepanz der Erklärungen besteht, oder

- das Vereinbarte trotz (äußerlicher) Übereinstimmung zwischen Antrag und Annahme mehrdeutig ist und von den Parteien jeweils anders ausgelegt wird.

Decken sich die Willenserklärungen äußerlich was insbesondere bei vorbehaltloser Annahme eines Angebots zutrifft (4 Ob 248/97t) - und umfassen sie alle wesentlichen Vertragspunkte, kann (versteckter) Dissens daher nur bei objektiver Mehrdeutigkeit bei gleichzeitiger Nichtübereinstimmung des Gewollten vorliegen (5 Ob 511/96; RIS-Justiz RS0014704 [T5]).

2. Im vorliegenden Fall könnte Dissens daher nur angenommen werden, wenn das Angebot der Beklagten objektiv mehrdeutig gewesen wäre. Ob das zutrifft, hat keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung. Die Auffassung des Berufungsgerichts, dass sich die Formulierung, ein „bis einschließlich 29. 8. 2008 rechtswirksames Angebot“ zu stellen, objektiv (nur) auf die Bindungsfrist nach § 862 Satz 1 ABGB bezog, ist jedenfalls vertretbar. Die festgestellte Annahme der Beklagten, die Formulierung habe auch die Erfüllung bestimmter im Angebot genannter Bedingungen erfasst, steht im Widerspruch zum eindeutigen Wortlaut ihrer Erklärung.

3. Nach den Feststellungen unterlag die Beklagte einem Irrtum über den Inhalt der von ihr abgegebenen Erklärung. Dieser Erklärungsirrtum wäre aber nur unter den Voraussetzungen des § 871 ABGB beachtlich. Nun ist zwar richtig, dass das Angebot der Beklagten von der Klägerin formuliert worden war. Eine nach § 871 ABGB zur Beachtlichkeit führende Veranlassung liegt allerdings nur vor, wenn das Verhalten der Gegenseite für den Irrtum adäquat ursächlich war (RIS-Justiz RS0016195; zuletzt etwa 4 Ob 65/10b mwN). Das trifft bei der Vorformulierung einer in jeder Hinsicht eindeutigen Vertragserklärung nicht zu.

Rechtssätze
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