JudikaturJustiz4Ob94/21h

4Ob94/21h – OGH Entscheidung

Entscheidung
21. Oktober 2021

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schwarzenbacher, Hon. Prof. PD Dr. Rassi, Dr. Parzmayr und die Hofrätin Mag. Istjan, LL.M., als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A***** AG, *****, vertreten durch die Huber Swoboda Oswald Aixberger Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei B*****, vertreten durch Dr. Fabian Maschke, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung (Streitwert 34.900 EUR) und Urteilsveröffentlichung (Streitwert 100 EUR), über den Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandegerichts Linz vom 11. März 2021, GZ 6 R 30/21f 21, mit dem das Urteil des Landesgerichts Ried im Innkreis vom 11. Jänner 2021, GZ 4 Cg 62/20t 15, aufgehoben wurde, zu Recht erkannt:

Spruch

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und in der Sache selbst zu Recht erkannt, dass das Urteil des Erstgerichts wiederhergestellt wird.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 6.391,92 EUR (darin enthalten 874,82 EUR an USt und 1.143 EUR an Barauslagen) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

[1] Die Klägerin betreibt in Oberösterreich mit der entsprechenden Bewilligung Glücksspielautomaten.

[2] Die Beklagte führt eine Pizzeria in Oberösterreich und verfügt über keine Bewilligung für Automatenglücksspiel. Am 22. 10. 2020 spielte ein Kontrollor der Klägerin im Lokal der Beklagten an einem Automaten das Walzens piel „Joker Strong“ .

[3] Die Klägerin begehrte im Wesentlichen, der Beklagten wegen Rechtsbruch nach § 1 Abs 1 Z 1 UWG den Betrieb von Glücksspielautomaten ohne entsprechende Bewilligung zu untersagen, sowie Urteilsveröffentlichung.

[4] Die Beklagte bestritt das Klagebegehren mit der Begründung, bei dem in ihrem Lokal aufgestellten Gerät handle es sich um einen nicht unter das Glücksspielgesetz fallenden Geschicklichkeitsautomaten, weil der Spielerfolg überwiegend vom Gedächtnis, der Konzentrations- und der Reaktionsfähigkeit des Spielers bestimmt werde. Insbesondere verfüge der Automat über keine Automatikfunktion. Außerdem verstoße das österreichische Glücksspielrecht gegen Unionsrecht.

[5] Das Erstgericht gab der Klage statt. Es stellte fest, dass ein Spieler beim Automaten im Lokal der Beklagten keine Möglichkeit habe, durch Geschicklichkeit in das Spiel einzugreifen und die Entscheidung über Gewinn oder Verlust zu beeinflussen. Das für den Gewinn entscheidende Ergebnis des „großen Walzenspiels“ könne vom Spieler gar nicht gesteuert werden. Beim vorgelagerten „kleinen Walzenspiel“ seien keine besonderen Fähigkeiten erforderlich, um das große Walzenspiel auszulösen. Außerdem könne das kleine Walzenspiel durch die Automatikfunktion umgangen werden. Rechtlich gesehen habe die Beklagte daher gegen glücksspielrechtliche Bestimmungen verstoßen und damit eine unlautere Handlung im Sinne des § 1 Abs 1 Z 1 UWG begangen. Von der Einholung eines von der Beklagten beantragten Sachverständigengutachtens nahm das Erstgericht Abstand, weil die Beklagte das Vorbringen der Klägerin zur Funktionsweise des Automaten nicht substantiiert bestritten habe und das Spiel „Joker Strong“ in ständiger Judikatur als Glücksspiel qualifiziert werde.

[6] Das Berufungsgericht hob die Entscheidung wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens auf und verwies die Rechtssache zur Einholung des von der Beklagten beantragten Sachverständigengutachtens an dass Erstgericht zurück. Es ließ den Rekurs an den Obersten Gerichtshof zu, weil das Höchstgericht bereits in einer Vielzahl von Fällen gleichartige Spiele als Glücksspiel im Sinne des GSpG qualifiziert habe.

[7] Die Klägerin beantragt mit ihrem Rekurs, in der Sache zu entscheiden und der Klage stattzugeben, hilfsweise die Rechtssache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

[8] Die Beklagte beantragt, den Rekurs nicht zuzulassen, hilfsweise ihm nicht Folge zu geben.

[9] Der Rekurs ist wegen Korrekturbedürftigkeit der Berufungsentscheidung zulässig und berechtigt .

Rechtliche Beurteilung

[10] 1. Entgegen der Rechtsansicht des Berufungsgerichts bedarf es im vorliegenden Fall keiner Verfahrensergänzung, weil der entscheidungswesentliche Sachverhalt nicht strittig ist.

[11] 1.1. Ob ein Spiel ein Glücksspiel im Sinne des GSpG ist, ist eine Rechtsfrage, die jedoch nur auf Basis konkreter Feststellungen zur tatsächlichen Funktionsweise des Spiels beantwortet werden kann (vgl 6 Ob 118/12i [Pkt 5]; 6 Ob 124/16b [Pkt 2.4]).

[12] 1.2. Auch wenn im Allgemeinen jede Partei die für ihren Rechtsstandpunkt günstigen Tatsachen zu behaupten und zu beweisen hat, bedarf es für jene Tatsachen, die der Prozessgegner im Sinne des §§ 266, 267 ZPO ausdrücklich oder schlüssig zugestanden hat, keines Beweises; darauf ist auch im Rechtsmittelverfahren Bedacht zu nehmen (1 Ob 73/18v [2.1] mwN). Bloß unsubstantiiertes Bestreiten ist ausnahmsweise als Geständnis anzusehen, wenn die vom Gegner aufgestellte Behauptung offenbar leicht widerlegbar sein musste, dazu aber nie konkret Stellung genommen wird (RS0039927).

[13] 1.3. Im vorliegenden Fall trägt die Klägerin die Beweislast für die von ihr behauptete Verletzung des Glücksspielrechts durch die Beklagte. Dazu hatte die Klägerin insbesondere Tatsachen zur Funktionsweise des Automaten im Lokal der Beklagten zu behaupten und zu beweisen, aus denen sich seine rechtliche Einordnung als Glücksspielautomat ergibt.

[14] Die Klägerin erstattete detailliertes Vorbringen zum Spielablauf am Automaten im Lokal der Beklagten. Die Beklagte beschränkte sich auf die Behauptung, dass Gutachten für ein bauartgleiches Gerät zum Ergebnis gekommen seien, dass der Spielerfolg vom Können des Spielers und nicht vom Zufall bestimmt sei. Zur konkreten Funktionsweise des Automaten brachte sie nur vor, dass die (nicht näher definierte) Geschicklichkeitskomponente nicht durch Starten einer Automatiktaste umgangen werden könne.

[15] Das Erstgericht erörterte in der vorbereitenden Tagsatzung ausdrücklich, dass es zur Funktion des Automaten wegen des nur unsubstanziierten Bestreitungsvorbringens der Beklagten weder die Einvernahme der von ihr beantragten Zeugen noch die Einholung des von ihr beantragten Sachverständigengutachtens für erforderlich halte, sondern die Rechtssache entscheidungsreif sei. Die Beklagte erstattete dennoch kein weiteres Vorbringen.

[16] Damit ist im konkreten Einzelfall das unsubstantiierte Bestreiten als Zugeständnis des Klagsvorbringens zum Spielablauf (abgesehen von der Automatikfunktion) anzusehen.

[17] 1.3. Zwar stellt die Auslegung des Prozessvorbringens wegen ihrer typischen Einzelfallbezogenheit im Allgemeinen keine erhebliche Rechtsfrage dar. Dies gilt aber dann nicht, wenn die Auslegung des Parteivorbringens mit seinem Wortlaut unvereinbar ist bzw das Rechtsmittelgericht zu einem unvertretbaren Auslegungsergebnis gelangt ist. Die Auslegung von Parteivorbringen und Antrag gegen den erklärten Willen einer Partei ist unvertretbar und daher vom Obersten Gerichtshof aufzugreifen ( 6 Ob 132/20k [Pkt 3] mwN).

[18] 2. Bereits auf Basis des unstrittigen Sachverhalts ist das Unterlassungsbegehren nach § 1 Abs 1 Z 1 UWG berechtigt.

[19] 2.1. Ein Glücksspiel im Sinne des § 1 Abs 1 Glücksspielgesetz bzw § 2 Z 1 oö Glücksspielautomatengesetz ist ein Spiel, bei dem die Entscheidung über das Spielergebnis ausschließlich oder vorwiegend vom Zufall abhängt.

[20] Nach den Feststellungen kann der Spieler – auch ohne besonderes Geschick – nur das vorgelagerte „kleine Walzenspiel“ beeinflussen, um so das rein zufallsabhängige „große Walzenspiel“ auszulösen. Das Spielergebnis hängt damit insgesamt vom Zufall ab. Auf das Vorliegen der von der Beklagten bestrittenen Automatikfunktion kommt es gar nicht an.

[21] 2.2. Alle drei österreichischen Höchstgerichte gehen in ständiger Judikatur davon aus, dass das österreichische Glücksspielmonopol- bzw Konzessionssystem bei gesamthafter Würdigung sämtlicher damit verbundener Auswirkungen (insbesondere der Werbemaßnahmen der Konzessionäre) auf dem Glücksspielmarkt allen vom EuGH aufgezeigten Vorgaben des Unionsrechts entspricht (vgl die Zusammenfassung der entsprechenden Rechtsprechung jüngst in 9 Ob 20/21p ).

[22] Der vorliegende Fall bietet keinen Anlass, von dieser Rechtsprechung abzugehen.

[23] 2.3. Damit konnte in Stattgebung des Rekurses vom Obersten Gerichtshof sofort mit Urteil in der Sache selbst erkannt werden (§ 519 Abs 2 Satz 3 ZPO).

[24] 3. Aufgrund der ausgesprochenen Abänderung war auch die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens neu zu fassen. Diese sowie die Entscheidung über die Kosten des Rekursverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.