JudikaturJustiz4Ob61/13v

4Ob61/13v – OGH Entscheidung

Entscheidung
23. September 2013

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Vizepräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der Klägerin A***** F*****, vertreten durch Dr. Wolfgang Blaschitz, Rechtsanwalt in Wien, gegen die Beklagte U***** GmbH, *****, vertreten durch die Schmidtmayr/Sorgo/Wanke Rechtsanwälte OG in Wien, und die Nebenintervenienten auf Seiten der Beklagten 1. M***** F*****, und 2. E***** F***** jun., *****, vertreten durch Mag. Peter M. Wolf, Rechtsanwalt in Mödling, wegen Unterlassung und Rechnungslegung (Gesamtstreitwert 36.000 EUR sA), über die außerordentliche Revision der Klägerin gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 31. Jänner 2013, GZ 5 R 227/12g 30, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung:

Die Klägerin ist die Witwe und Alleinerbin des Sportreporters E***** F***** sen. Dieser hatte in der Radio-Übertragung vom 21. 6. 1978 im Österreichischen Rundfunk beim Spiel zwischen Österreich und Deutschland im Rahmen der Fußballweltmeisterschaft in Argentinien nach dem Treffer zum 3:2 für Österreich den Ausruf „Tooor, Tooor, Tooor, Tooor, Tooor, Tooor! I wer´ narrisch!“ getätigt.

Die Beklagte ist ein Unternehmen der Unterhaltungsbranche, welches die originale Aufnahme dieses Ausspruchs verwendet und verbreitet und ihn auch als Klingelton zum Download anbot. Sie schloss mit der Ehefrau des Zweitnebenintervenienten, der Erstnebenintervenientin, einen exklusiven Bandübernahmevertrag.

Die Klägerin begehrt Unterlassung der „widerrechtlichen akustischen Verwendung“ des genannten Ausspruchs sowie Rechnungslegung und Bezahlung des sich daraus ergebenden Betrags. Der besagte Ausspruch sei ein Werk im Sinn des UrhG, die Beklagte greife durch seine Verbreitung und Verwendung in die „akustischen Vermarktungsrechte“ der Klägerin ein.

Die Beklagte bestritt einen derartigen Eingriff. Die Senderechte gemäß § 17 UrhG stünden dem ORF als Rundfunkunternehmen zu, dem jede Art der Verwertung vorbehalten sei. Das Unterlassungsbegehren sei wegen des Zusatzes „widerrechtlich“ unbestimmt.

Das Erstgericht wies die Klage ab. Die Klägerin besitze auch als Gesamtrechtsnachfolgerin des E***** F***** sen. keine Rechte an der Aufnahme. Das Recht, die Verbreitung und Vervielfältigung einem Dritten zu überlassen, stehe gemäß § 76a UrhG dem Rundfunkunternehmer zu. Eine Verletzung der Urheberpersönlichkeitsrechte iSv § 16 ABGB sei nicht gegeben, da die Beklagte keine Veränderungen an der Aufnahme vorgenommen habe. Der gegenständliche Ausruf sei nicht unüblich und es fehle ihm die erforderliche Kreativität, sodass der Werkcharakter im Sinn des Urheberrechts zu verneinen sei.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei, weil die Beurteilung des Werkcharakters des klagsgegenständlichen Ausspruchs in ihrer Bedeutung nicht über den Einzelfall hinausgehe. Es handle sich um einen Jubelruf, der in keiner nennenswert originellen Wortwahl seinen Ausdruck finde.

Die Klägerin macht in ihrer außerordentlichen Revision geltend, die Erheblichkeit der Rechtsfrage ergebe sich schon aus dem Bekanntheitsgrad des Ausspruchs, räumt jedoch selbst ein, dass die Frage des Werkcharakters iSv § 1 UrhG nach den Umständen des Falls zu prüfen sei. Die jüngere Rechtsprechung fordere keine Werkhöhe. Aus einer Gesamtschau ergebe sich, dass dem Ausspruch Werkcharakter iSd § 1 Abs 1 UrhG zukomme.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist in Ermangelung von erheblichen Rechtsfragen iSv § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig .

1. Ein Sprachwerk iSv § 2 UrhG muss ua die Anforderungen einer eigentümlichen geistigen Schöpfung iSd § 1 UrhG erfüllen ( Ciresa , Österr. Urheberrecht § 2 Rz 4; G. Korn in Kucsko , urheber.recht 121). Mit dem Begriff Schöpfung wird im Allgemeinen ein Schaffensvorgang verbunden, der eine gewisse Gestaltungshöhe, einen Qualitätsgehalt besitzt. Von einer Schöpfung spricht man üblicherweise nur dann, wenn etwas noch nicht Dagewesenes geschaffen wird ( Schulze in Dreier/Schulze , UrhG 4 § 2 Rn 16). Bei Sprachwerken, denen im Gegensatz zu anderen Werkkategorien eine jedem Menschen eigene Fähigkeit zugrunde liegt, kommt es in besonderer Weise auf Art und Umfang des Werks an ( G. Korn aaO). Je kürzer die jeweilige Formulierung ist, desto mehr muss sie sich durch eine fantasievolle Wortwahl oder Gedankenführung von üblichen Formulierungen abheben ( Schulze aaO Rz 83).

2. Der Oberste Gerichtshof judiziert zu den Anforderungen an Sprachwerke, dass dafür zwar keine besondere „Werkhöhe“ vorliegen muss (4 Ob 92/94; RIS Justiz RS0076550). Wohl aber muss der Beitrag wie jedes Werk eine individuelle geistige Leistung des Verfassers zum Ausdruck bringen (4 Ob 248/07k). Die individuelle eigentümliche Leistung muss sich vom Alltäglichen, Landläufigen, üblicherweise Hervorgebrachten abheben (RIS Justiz RS0076397). Die Schöpfung muss zu einem individuellen und originellen Ergebnis geführt haben. Beim Werkschaffenden müssen persönliche Züge zur Geltung kommen (4 Ob 175/08a).

3. Das Berufungsgericht verneinte den Werkcharakter der streitgegenständlichen Aussage, es handle sich um einen Jubelruf, der konkret in keiner nennenswert originellen Wortwahl seinen Ausdruck finde. Mit dieser Beurteilung hält sich das Berufungsgericht im Rahmen der oben zitierten Rechtsprechung. Die Verneinung einer individuellen geistigen Leistung im Zusammenhang mit dem Ausruf „Tor, … I wer' narrisch“ ist jedenfalls vertretbar, lag doch die Eigentümlichkeit im durchaus nicht alltäglichen und sogar sensationellen sportlichen Erfolg der österreichischen Fußballnationalmannschaft gegenüber dem deutschen Team, nicht aber in der Verwendung des Ausrufs „Tor“ in Kombination mit einem (gebräuchlichen) Wiener Mundart-Ausdruck.

4. Auf einen allfälligen Eingriff in Persönlichkeitsrechte des Verstorbenen war nicht einzugehen, weil sich die Klägerin im Rechtsmittelverfahren nicht mehr auf diesen Anspruchsgrund stützte.