JudikaturJustiz4Ob559/69

4Ob559/69 – OGH Entscheidung

Entscheidung
08. Juli 1969

Kopf

SZ 42/108

Spruch

Bei einer Bauführung auf fremden Grund teils mit eigenen, teils mit Materialien des Gründeigentümers, fällt dem Gründeigentümer das auf seinem Grund errichtete Gebäude zu.

Entscheidung vom 8. Juli 1969, 4 Ob 559/69.

I. Instanz: Kreisgericht St. Pölten; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien.

Text

Der Kläger ist der Sohn der Beklagten. Er behauptet, im Jahre 1960 auf dem den Beklagten gehörigen Grundstück Nr. 278/3 Baufläche inneliegend in EZ. 28 des Grundbuchs der Katastralgemeinde R. im Ausmaß von 234 m2 mit Wissen und Willen der Beklagten als Bauführer ein Einfamilienhaus errichtet zu haben. Es sei vorgesehen gewesen, daß das Gründeigentum nach Fertigstellung des Hauses an den Kläger übertragen werde. Die Beklagten hätten dann aber im Jahre 1965 behauptet, daß das Haus ihnen gehöre. Sie verweigerten die Übertragung des Eigentums am Grundstück an den Kläger. Er begehrt die Verurteilung der Beklagten, Zug um Zug gegen Bezahlung eines Betrages von 15.210 S einzuwilligen, daß das Grundstück Nr. 278/3 lastenfrei vom Gutsbestand der Liegenschaft EZ. 28 des Grundbuchs der Katastralgemeinde R. abgeschrieben, für dasselbe eine neue Grundbuchseinlage im selben Grundbuch eröffnet und ob derselben das Eigentumsrecht für ihn einverleibt werde. Dazu brachte er in der Klage noch vor: "Um nun von den Beklagten ja nichts Unbilliges zu verlangen, stütze ich mein Klagebegehren auf § 418 letzter Satz ABGB. und bin bereit, den Beklagten den gemeinen Wert für das Grundstück, auf dem das Haus errichtet wurde, zu ersetzen".

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es stellte im wesentlichen folgenden Sachverhalt fest: Der Kläger hat bis zu einem Unfall, den er am 26. August 1957 in der Landwirtschaft seiner Eltern erlitt, in deren Wirtschaftsbetrieb gearbeitet. Er ist seit dem Unfall gelähmt (Querschnittlähmung). Seit 1. Mai 1961 ist er ständig als kaufmännischer Angestellter in der Zuckerfabrik T., tätig. Die Mutter des Klägers hat schon im Frühjahr des Jahres 1958 erklärt, daß "sie dem Kläger ein Haus bauen werden". Auch mit dem Rechtsanwalt, der den Kläger im Zusammenhang mit seinem Unfall vertreten hat, ist wiederholt über den Hausbau gesprochen worden. Dabei haben die Beklagten erklärt, "ihr Sohn baue", "sie bauten" und "helfen dem Sohn". Aus den Gesprächen der Beklagten ist zu entnehmen gewesen, daß sie dem Kläger durch den Hausbau das Leben erleichtern wollten. Dieser hat sich selbst um den Bau gekümmert und bemüht, beim Bau haben auch die Beklagten und andere Familienangehörige mitgeholfen. Anfangs 1960 hat der Baumeister Ing. Helmut St. den Auftrag erhalten, die Pläne für das Haus zu erstellen, dabei sind alle Streitteile anwesend gewesen und hat unter ihnen das beste Einvernehmen geherrscht. Dabei ist zum Ausdruck gekommen, daß das Haus für den Kläger bestimmt ist. Auch bei der Planung ist deshalb auf die Körperbehinderung des Klägers besonders Bedacht genommen worden. Der Plan hat auf den Namen des Klägers gelautet, der auch selbst mit kleineren Handskizzen seine besonderen Wünsche zum Ausdruck gebracht hat. Die Fakturierung ist an den Erstbeklagten erfolgt. Bei der am 4. April 1960 in Gegenwart der Beklagten durchgeführten Bauverhandlung ist der Kläger als Bauwerber aufgetreten. Der Erstbeklagte hat dabei selbst erklärt, daß der Bau für den Kläger errichtet werde. Mit dem Bau ist im Frühjahr 1960 begonnen worden. Schon vorher hatten die Beklagten dem Kläger vorgeschlagen, daß sie das Haus für ihn bauen und daß dies sein Erbteil sein solle, ferner, daß auch die Beklagten dort ein Zimmer bewohnen können, wenn sie ihr Wohnrecht als Ausnehmer an ihrem Hof nicht in Anspruch nehmen wollen. Das neue Haus hätte aber im Alleineigentum des Klägers stehen sollen, ein Termin für die Überschreibung des Grundstückes an ihn ist nicht vereinbart worden. Der Kläger hat angenommen, daß die Überschreibung bei Übernahme des Hofs durch seinen Bruder Rudolf erfolgen würde. Die Hofübergabe ist mit Notariatsakt vom 2. April 1964 erfolgt. Der Rohbau, der drei große und ein kleines Zimmer, eine große Küche und verschiedene Nebenräumlichkeiten umfaßt, ist zur Gänze von den Beklagten bezahlt worden. Der Kläger hat mit eigenem Geld den Fußboden, den Feinverputz des Hauses, das Verschmieren des Daches, die Auffahrt und die betonierte Zufahrtsstraße sowie die Anschaffung von Natursteinen für den Sockel bestritten. Der Erstbeklagte hat vom Bankkonto des Klägers einen Betrag von insgesamt 39.000 S abgehoben und zum Hausbau verwendet. Der Kläger hat den Betrag von 175.000 S den er an Schadenersatz wegen seines Unfalles erhalten hatte, teils für den Hausbau, teils zur Anschaffung von Möbeln verwendet. Anfangs Februar 1965 hat der Erstbeklagte erstmalig anläßlich eines Streites erklärt, daß das Haus ihm gehöre.

In rechtlicher Hinsicht ging das Erstgericht davon aus, daß der Kläger Eigentum am Grund gemäß § 418 letzter Satz ABGB. erworben habe. Denn die Beklagten hätten von der Bauführung des Klägers gewußt und nicht sogleich etwas dagegen unternommen. Der Kläger sei als redlicher Bauführer anzusehen.

Das Berufungsgericht wies das Klagebegehren ab. Es meinte, der Kläger habe sein Begehren ausschließlich auf den Rechtsgrund gemäß § 418 letzter Satz ABGB. gestützt, sodaß nicht zu erörtern sei, ob er sein Begehren auch auf einen Vertrag stützen könnte. Die Regel des § 418 letzter Satz ABGB. komme nicht zur Anwendung, weil die Gründeigentümer den Rohbau errichtet, bzw. bezahlt hätten.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Klägers nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Der Kläger behauptet, das Berufungsgericht hätte sich von den Feststellungen des Erstgerichtes entfernt, daß er Bauführer gewesen sei und das Haus mit seinen Materialien gebaut worden sei.

Das Berufungsgericht hat aber die Feststellung des Erstgerichtes daß der Kläger Bauführer war, nicht in Zweifel gezogen. Eine Feststellung, daß der Kläger das Haus mit seinen Materialien gebaut hatte, hat das Erstgericht nicht getroffen. Der Kläger meint nun, das Berufungsgericht hätte sich nicht damit auseinandergesetzt, ob die Beklagten das Material für den Rohbau für den Kläger oder für sich bezahlt hätten. Es wäre entscheidend, wann das Eigentumsrecht am Material an den Kläger übergegangen sei. Auch darüber habe das Berufungsgericht nichts festgestellt. Es ist jedoch auch dieser Vorwurf unberechtigt, weil sich das Berufungsgericht eingehend mit dieser Frage befaßt und zum Ergebnis gelangt ist, daß dem Kläger der Beweis dafür, daß der Rohbau mit seinen Materialien aufgeführt worden sei, nicht gelungen ist. Die Rechnungen über das Material hätten zum Teil auch auf den Erstbeklagten gelautet. Dieser habe die gesamten Kosten des Rohbaues getragen, eine Übergabe des Materials vor seiner Verarbeitung an den Kläger habe nicht stattgefunden.

Der Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Verfahrens liegt also nicht vor.

Die Rechtsrüge ist gleichfalls unbegrundet.

Der Kläger wollte, wie sich seinen schon wiedergegebenen Klagsbehauptungen entnehmen läßt, den von ihm vorgetragenen rechtserzeugenden Sachverhalt ausdrücklich nur als Eigentumserwerb durch Bauführung gemäß § 418 letzter Satz ABGB. qualifizieren. Er schloß damit jede andere rechtliche Qualifikation aus. Es kann daher auf den erst im Rechtsmittelverfahren geltend gemachten weiteren Rechtsgrund eines Anspruchs auf Eigentumsübertragung kraft einer bestehenden Vereinbarung nicht mehr eingegangen werden (vgl. SZ. XXIII 74).

Die Voraussetzungen für einen Eigentumserwerb durch Bauführung nach § 418 letzter Satz ABGB. liegen aber, wie das Berufungsgericht richtig erkannt hat, nicht vor. Nach dieser Gesetzesstelle erwirbt der redliche Bauführer, der mit eigenen Materialien auf fremdem Grund gebaut hat, das Gründeigentum, wenn dessen Eigentümer die Bauführung gewußt und sie nicht sogleich untersagt hat. Der Fall, daß der Bauführer hiebei ausschließlich oder doch teilweise Materialien des Gründeigentümers verwendet, ist im Gesetz nicht ausdrücklich geregelt. Aus § 417 ABGB. ergibt sich aber, daß der Eigentümer, der auf eigenem Grund ein Gebäude aufführt und dazu fremde Materialien verwendet hat, das Eigentum am Gebäude behält. Dieser dem Eigentümer des Gründes eingeräumte Vorrang kann nicht verlorengehen, wenn statt seiner ein Fremder auf seinem Grund teils mit eigenen Materialien, teils mit solchen des Gründeigentümers baut. Daraus ist aber abzuleiten, daß die allgemeine Regel des § 415 ABGB., wonach unter Umständen derjenige, dessen Anteil mehr wert ist, wählen kann, ob er den ganzen Gegenstand gegen Ersatz der Verbesserung behält oder ihn dem anderen ebenfalls gegen Vergütung überlassen will, bei einer Bauführung auch nicht analog herangezogen werden kann. Es muß vielmehr angenommen werden, daß durch die Bauführung auf fremdem Grund teils mit eigenen, teils mit Materialien des Gründeigentümers das Eigentum am Grund nicht an den Bauführer übergeht, vielmehr dem Gründeigentümer das auf seinem Grund errichtete Gebäude zufällt (§ 297 ABGB.).