JudikaturJustiz4Ob341/87

4Ob341/87 – OGH Entscheidung

Entscheidung
15. September 1987

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof.Dr. Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith, Dr. Petrag, Dr. Kodek und Dr. Niederreiter als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Zeitungsverlag D*** F*** Gesellschaft mbH Co, 1190 Wien, Muthgasse 2, vertreten durch Dr. Ewald Weiss, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien 1./ L*** Gesellschaft mbH, 4020 Linz, Landstraße 41, 2./ "korrekt"-L*** R*** Zeitungsverlag Gesellschaft mbH, 4020 Linz, Prechtlerstraße 21, beide vertreten durch Dr. Alfred Haslinger, Rechtsanwalt in Linz, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren 480.000 S), infolge Revisionsrekurses der beklagten Parteien gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Rekursgerichtes vom 12. Februar 1987, GZ 5 R 14/87-7, womit der Beschluß des Landesgerichtes Linz vom 10. Dezember 1986, GZ 8 Cg 371/86-3, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben; der angefochtene Beschluß wird dahin abgeändert, daß der Beschluß des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 14.040,84 S bestimmten Kosten des Rekursverfahrens (darin 1.276,44 S Umsatzsteuer) sowie die mit 16.837,75 S bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens (darin 1.530,70 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Begründung:

Die Klägerin ist Medieninhaberin der Tageszeitung "Neue Kronen-Zeitung", die in Oberösterreich in Form einer Mutationsausgabe unter der Bezeichnung "Oberösterreich-Krone" erscheint. Die Erstbeklagte ist Medieninhaberin verschiedener Regional- und Bezirkswochenzeitungen, nämlich der "Kremstaler Rundschau", der "Mühlviertler Nachrichten", der "Rieder Volkszeitung", des "Vöcklabrucker Wochenspiegels", der "Welser Zeitung" und der "Neuen Warte am Inn"; die Zweitbeklagte ist Medieninhaberin der periodischen Druckschrift "korrekt-Linzer Rundschau". Die Impressa der Zeitungen, deren Medieninhaber die Beklagten sind, enthalten durchwegs einen Vermerk, wonach es sich um eine Regionalausgabe der "Oberösterreich Rundschau" für den jeweiligen Bezirk handle.

In dem vom Verband österreichischer Zeitungsherausgeber und Zeitungsverleger herausgegebenen Handbuch "Österreichs Presse - Werbung - Graphik 80" findet sich auf S 107 folgendes Inserat:

"Mit uns decken Sie Österreich ab. Die jetzt 6 Regionalausgaben der OÖ. Rundschau und die enge Verbundenheit unserer rund 310.000 Leser zu den einzelnen Regionalzeitungen garantieren den Erfolg Ihrer Werbebotschaft. Inserate bringen dort Erfolg, wo sie aufmerksam gelesen werden! OÖ. Rundschau". Auf Seite 108 ff. wird die "OÖ. Rundschau" unter Anführung von sechs Regionalausgaben vorgestellt, deren unterschiedlich hohe Verkaufspreise und Erscheinungstage genannt werden.

Im "Presse-Handbuch 1986" des Verbandes Österreichischer Zeitungsherausgeber und Zeitungsverleger ist auf Seite 115 ein Inserat mit folgendem Text eingeschaltet:

"Kurz und bündig: Über 600.000 Leser pro Nummer! Wo gibt's das sonst in Oberösterreich?.

Rechtliche Beurteilung

Wie der Oberste Gerichtshof schon mehrfach ausgesprochen hat, muß der durch eine Ankündigung im Sinne des § 2 UWG hervorgerufene unrichtige Eindruck geeignet sein, den Entschluß des angesprochenen Interessenten, sich mit dem Angebot näher zu befassen, irgendwie zugunsten dieses Angebotes zu beeinflussen; zwischen dem Umstand, daß die durch die Wettbewerbshandlung bei ihm hervorgerufene Vorstellung nicht den Tatsachen entspricht, und dem Entschluß, sich mit dem Angebot zu befassen, muß ein Zusammenhang bestehen. Eine Angabe verstößt infolgedessen nur dann gegen § 2 UWG, wenn sie der Geschäftsverkehr als wesentlich ansieht und die durch sie erweckte, mit dem tatsächlichen Sachverhalt nicht übereinstimmende Erwartung mit dem Entschluß des Interessenten zusammenhängt, sich mit dem Angebot zu befassen, insbesondere die angebotene Ware zu kaufen oder die angebotene Leistung in Anspruch zu nehmen; gerade der unrichtige Eindruck muß die Kauflust eines nicht ganz unbeträchtlichen Teils des angesprochenen Publikums irgendwie beeinflussen (ÖBl. 1987, 18 mwN). Diese Voraussetzung eines Verstoßes gegen § 2 UWG fehlt aber im vorliegenden Fall:

Wer sich auf Grund der festgestellten Werbeankündigungen entschließt, bei den Beklagten ein Inserat aufzugeben, erreicht damit tatsächlich alle Leser der mehrfach aufgezählten Wochenzeitungen. Die Beklagten sehen nämlich die Einschaltung der Inserate in den "9 Regionalausgaben der OÖ. Rundschau" vor und bieten dafür einen Kombinations-Anzeigen-Tarif an (Beilage A); darauf haben sie in zweiter Instanz (ON 5, S 47) mit Recht hingewiesen. Für den Inserenten ist aber die Zahl der Leser maßgeblich, die er erreicht, und nicht der Titel der Druckschrift(en), in denen seine Werbeeinschaltung erscheint. Selbst die irrtümliche Annahme, es gebe eine Zeitung des Namens "Oberösterreichische Rundschau" und nicht 9 verschieden bezeichnete Druckschriften, kann somit für den Entschluß, Inserate bei den Beklagten einschalten zu lassen, nicht ausschlaggebend sein. Soweit die Klägerin in dritter Instanz meint, die Beklagten hätten das Publikum darüber aufzuklären, daß die von ihnen angeführte Leserzahl nur für jene Inserate gelte, die in allen Regionalblättern "durchgeschaltet" werden (ON 9 S 105), kann ihr nicht gefolgt werden. Die Beklagten bieten tatsächlich die Möglichkeit, Inserate in den neun Regionalblättern unterzubringen; gibt aber ein Kunde den Auftrag, ein Inserat nur in einer einzigen dieser neun Wochenzeitungen zu veröffentlichen, dann kann er dabei nicht Opfer des Irrtums sein, es gebe eine einheitliche "Oberösterreichische Rundschau" mit 600.000 Lesern. Sind die Werbeaussagen der Beklagten somit nicht geeignet, einen beachtlichen Irrtum auszulösen, dann haben die Beklagten auch nicht gegen § 2 UWG verstoßen.

Inwiefern die Beklagten durch die Erweckung des Eindrucks, es gebe eine Zeitung mit dem Titel "OÖ. Rundschau", gegen die guten Sitten im Wettbewerb (§ 1 UWG) verstoßen hätten, ist nicht zu erkennen.

Der unter Punkt a) geltend gemachte Unterlassungsanspruch ist daher zu verneinen.

Den Beklagten ist aber auch insoweit beizupflichten, als sie sich gegen das Verbot unter Punkt b) wenden:

Wenn die Beklagten in ihrer Werbung um Inserenten die Leser gratis verteilter und verkaufter Zeitungen zusammenrechnen, so stellen sie damit schlüssig die Behauptung auf, daß - was die Inserate betrifft - zwischen den Lesern von "Kauf-" und "Gratiszeitungen" kein Unterschied bestehe. Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch hängt davon ab, ob diese Angabe im Sinne des § 2 UWG zur Irreführung geeignet ist. Die - davon zu trennende - Frage, ob ein Zeitungsherausgeber (Medieninhaber) unter Berufung auf seine höhere Leserzahl seine überlegene Position als vorrangiges Werbemedium behaupten darf (vgl. ÖBl. 1986, 42), ist hingegen hier nicht zu untersuchen, weil eine derartige Werbebehauptung nicht Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreites ist. Bei der Prüfung der Irreführungseignung der beanstandeten Werbeaussage ist zunächst - mangels gegenteiliger Behauptung der Klägerin - davon auszugehen, daß die Angaben der Beklagten über die Leserzahlen den Mediaanalysen entsprechen. Diese Leserzahlen sind aber dadurch ermittelt worden, daß an Testpersonen die Frage gerichtet wurde, ob und wie oft sie die im einzelnen genannten Druckwerke lesen oder durchblättern. Soweit sich die Zweitbeklagte auf die solcherart ermittelte Anzahl der Leser der

"korrekt - Linzer-Rundschau" beruft, hat sie daher jene Personen, welche die ihnen gratis zugestellten Ausgaben dieser Zeitung ungelesen weggeworfen haben, ohnehin unberücksichtigt gelassen. Um zu beurteilen, ob die Werbebehauptung der Beklagten zur Irreführung geeignet ist, bedarf es - entgegen der Meinung der Beklagten - keiner Beweisaufnahme. Nach ständiger Rechtsprechung hat das Gericht die Irreführungseignung einer Werbeaussage dann als Rechtsfrage zu beurteilen, wenn dazu die Erfahrungssätze des täglichen Lebens ausreichen. Ist es doch dem Richter nach herrschender Lehre gestattet, seiner Entscheidung Erfahrungssätze ohne Beweisaufnahmen zugrunde zu legen. Das gilt nicht nur für (notorische) Erfahrungssätze des täglichen Lebens, die jedem Menschen bekannt sind, sondern auch für Erfahrungssätze, die auf einem Fachwissen des Richters beruhen. Dienen diese Erfahrungssätze nicht zur Feststellung von Tatsachen, sondern zur Ergänzung, Ausfüllung und Konkretisierung unbestimmter Rechtsbegriffe, dann gehören sie nicht mehr zum Beweis-(Bescheinigungs )Verfahren, sondern sind Teil der rechtlichen Beurteilung und können damit - ebenso wie Rechtssätze - auch noch im Rechtsmittelverfahren vor dem Obersten Gerichtshof gerügt und überprüft werden (ÖBl. 1985, 105; Fasching, LB Rz 833). Die Irreführungseignung der umstrittenen Werbebehauptung kann aber auf Grund allgemeiner Erfahrungssätze beantwortet werden:

Mag es auch zutreffen, daß die Leser im Sinne der Mediaanalyse im Durchschnitt dem redaktionellen Teil der Zeitungen, die sie gekauft haben, mehr Aufmerksamkeit zuwenden als dem einer ihnen gratis zugestellten Druckschrift, so kann dies keinesfalls für den Inseratenteil gelten. Inserate werden in aller Regel nur von jenen Personen näher ins Auge gefaßt, die sich gerade für bestimmte Angebote interessieren. Für einen solchen Interessenten kann es aber keinen Unterschied machen, ob er die Inserate in einer Zeitung findet, die er gekauft hat, oder in einer solchen, die ihm gratis zugekommen ist. Fehlt es hingegen am entsprechenden Interesse, dann werden die Anzeigenseiten auch der gekauften Zeitungen ungelesen bleiben.

Daß diese Erfahrungssätze unrichtig wären, hat die Klägerin, die zur Stützung ihres Standpunktes nur Hinweise auf Lehre und Rechtsprechung in der Bundesrepublik Deutschland gebracht hat, nicht unter Beweis gestellt, wozu sie berechtigt gewesen wäre (ÖBl. 1985, 105; Fasching III 269).

Ist aber die hier behandelte Werbeaussage der Klägerin nicht zur Irreführung geeignet, dann mußte die Klägerin auch mit ihrem zweiten Unterlassungsbegehren scheitern. Aus diesen Gründen war dem Revisionsrekurs Folge zu geben und der den Sicherungsantrag abweisende Beschluß des Erstrichters wiederherzustellen. Da die Klägerin im Provisorialverfahren unterlegen ist, hat sie den Beklagten die Verfahrenskosten aller drei Instanzen zu ersetzen (§§ 78, 402 EO iVm §§ 41, 50, 52 ZPO).

Rechtssätze
7